Ein Krimis schreibender Winzer

Von Vanja Budde · 11.03.2010
Andreas Wagner ist Historiker, Winzer und Schriftsteller. Nach der Weinlese im Herbst schreibt er Krimis, in denen der notorisch überforderte Bezirkspolizist Paul Kendzierski die Hauptrolle spielt – und die Weine aus Rheinhessen, wo Andreas Wagners Familie seit Jahrhunderten ein Weingut betreibt.
Eine Kindheit zwischen Reben: Wenn seine Freunde im Sommer ins Freibad gingen oder am Rhein radelten, musste Andreas Wagner im Weinberg schwitzen. So ist es nun mal in einem Familienbetrieb in Rheinhessen, Deutschlands größtem Weinanbaugebiet zwischen Mainz und Worms, sagt der Krimis schreibende Winzer. Entspannt sitzt er in der DB-Lounge im roten Lesersessel, durchschnittlich groß, schlank, kurze, dunkelblonde Haare, blass-blaue Augen. Seit anno 1692 bewirtschaftet seine Familie Weinberge in Essenheim. Nach dem Abitur hat Andreas Wagner sich abgenabelt: Er kehrte der 300-jährigen Tradition den Rücken, ging zum Studium der Politikwissenschaften und Geschichte nach Leipzig.

"Ich glaub, das ist wichtig, wenn man nen junger Mensch ist, mit 18, 19 nach dem Zivildienst, dass man erst Mal weit weg wollte. Und ich wollte weit weg. Möglichst weit weg. Und das war damals noch so die Zeit, Nachwendezeit, 94, da war der Osten einfach spannend. Und deswegen lag Leipzig nah."

Andreas Wagner wühlte in staubigen Archiven, schrieb eine Doktorarbeit über die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Sachsen, weitere wissenschaftliche Werke auch über den Weinanbau folgten. Vor acht Jahren dann kehrt er zurück auf das elterliche Weingut in Essenheim, von der Großstadt zurück aufs Dorf. Irgendwann müsse man sich entscheiden, meint der 35-jährige Turnschuhträger, wie man künftig leben will.

"Und die Entscheidung war für mich eine ganz eindeutige. Ich wollte zurück, auch angetrieben dadurch, dass mein Bruder Weinbau studiert hat und den fachlichen Hintergrund für das Weingut bietet. Und dass man da einfach Möglichkeiten hat, nen Betrieb, der von der Familie kommt, der so ne lange Tradition hat, selbst weiter entwickeln zu können. Das ist was Tolles. Und nicht zuletzt: sein eigener Herr zu sein."

Auf dem Weingut Wagner leben sie nun alle zusammen: seine Eltern, sein Bruder mit Familie und Andreas Wagner mit Frau und drei Kindern. Die beiden Brüder dünnten die Weinberge aus, setzten auf weniger Ertrag, dafür bessere Qualität, ließen die Weine länger reifen. Mit Erfolg: Ihre Tropfen gewinnen Preise, die Fachpresse äußert sich lobend.

Nach der Lese der Reben im Herbst hatte Andreas Wagner ein bisschen Muße. Er hörte seine alten Marillion-Platten, las viel, fing wieder im Tischtennis-Verein an. Und er schrieb seinen ersten Kriminalroman: "Herbstblut" über den grausamen Tod eines polnischen Erntehelfers in einem Essenheimer Weingut. Kein bedauerlicher Gärunfall, wie die Kripo Mainz meint, sondern Mord, wie der Dorfpolizist Paul Kendzierski herausfindet, der kein Blut sehen kann und sich vor Hunden fürchtet.

"Ich hab mich lange Zeit gar nicht getraut, zu sagen, dass ich nen Krimi schreibe. Und als dann die Buchvorstellung im September 2007 bei uns im Weingut war – das wollte der Verlag so – wusste ich nicht, was auf mich zukommt. Der Hof war voll und es war faszinierend zu sehen, dass viele Essenheimer da waren."

Die Dörfler nahmen dem Winzersohn die mörderischen Fantasien nicht übel. Im Gegenteil halten sie ihn auf der Straße an, wollen wissen, wo der nächste Mord geschieht und sind fleißige Leser jeden neuen Bandes. Deren drei hat Wagner veröffentlicht, am vierten schreibt er gerade. Sein Held Paul Kendzierski, aus dem Bier trinkenden Dortmund in die Wein-Hochburg Nieder-Olm versetzt, hat so seine Probleme mit der Mentalität der Rheinhessen.

Wagner schreibt im Winter, im Sommer hält ihn der Wein auf Trab. Bei der monotonen Handarbeit in den Rebhängen denkt er sich Mord und Totschlag aus, entwickelt grobe Handlungszüge.

Im Winter tippt er Paul Kendzierskis Abenteuer in den Laptop. Neben dem kauzigen Polizisten spielt der Wein die zweite Hauptrolle im Werk des schreibenden Winzers.

"Es macht Spaß und es ist unheimlich spannend, Welten oder Szenerien entstehen zu lassen. Man entwirft Bilder, man entwirft Szenen, Handlungen, Menschen. Und das ist was unheimlich Faszinierendes. Wo man nicht weiß, wenn ich morgens anfange und am Abend fünf Seiten geschrieben habe, welche Farbe treffe ich, welche Szenerie habe ich dann entworfen. Und das ist was Schönes, das macht richtig, richtig Spaß. Und es hat nen gewissen Suchtfaktor"


Service:
Die Kriminalromane von Andreas Wagner sind im Leinpfad-Verlag in Ingelheim und bei Piper erschienen. Sie heißen "Herbstblut", "Abgefüllt" und "Gebrannt". Mit seinem dritten Wein-Krimi "Gebrannt" ist der schreibende Winzer zur Zeit auf Lesetour. Seine Krimilesungen verbindet er mit einer Weinverkostung:

Am 11. März in der Stadtteilbücherei Frankfurt am Main - Sossenheim
(Karten über die Stadteilbücherei mediscript-weber@t-online.de oder Tel. 069/343021).
Am 12. März im Restaurant Stadthalle Ahaus
(Tel. 02561/2797)
Am 13. März im SportSchloss Velen im Münsterland
(Tel. 02863/2030).

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