Ein Krimi aus Südafrika

01.02.2008
Der Schriftsteller Deon Meyer muss nicht viel erfinden. Die Kriminalitätsrate ist in seinem Land sehr hoch. Drei große Themen, die Südafrikas Gegenwart bestimmen, hat er für sein neues Buch gewählt: Korruption, Kindesmisshandlung und Selbstjustiz.
Krimis zu schreiben, hatte sich der inzwischen 50-jährige südafrikanische Schriftsteller Deon Meyer eigentlich nie vorgenommen. Es ergab sich einfach so. Als er sich an seinen ersten Roman setzte, kam dabei unbeabsichtigt eine Kriminalgeschichte heraus. Das hat viel mit der Situation des Landes zu tun. Die Kriminalitätsrate ist sehr hoch. Es gibt kaum einen Südafrikaner, egal ob weiß oder schwarz, in dessen Wohnung nicht schon einmal eingebrochen wurde, der noch nicht überfallen worden ist. Gewalt und Verbrechen sind zumindest in den größeren Städten eine Alltagserfahrung.

Deon Meyer muss da nicht sehr viel erfinden. Die Wirklichkeit liefert ihm Romanstoffe genug. Insofern sind seine Bücher auch immer ein Abbild der gesellschaftlichen Realität, soziale Fallstudien, bei aller Phantasie realistische Beschreibungen.
Der ehemalige Journalist hat jahrelang als Reporter für eine afrikaanssprachige Tageszeitung in Kapstadt gearbeitet, kennt die sozialen Brennpunkte, die ethnischen Konflikte.

Dass der begeisterte Motorradfahrer eine Weile für eine deutsche Firma Motorradrennen organisiert hat, schlägt sich in seinen Romanen in Form von Verfolgungsjagden mit schweren Maschinen nieder. Zudem kennt er sich mit Waffen und mit Gewalt aus, war er doch als junger Weißer unter dem Apartheidsregime als Soldat zur Bekämpfung des bewaffneten schwarzen Widerstands im angolanischen Buschkrieg eingesetzt. Doch er gehört nicht zu jenen Weißen, die den alten Verhältnissen nachtrauern, beschönigt aber auch nicht die Probleme der Übergangsperiode, in der das Land steckt.

Gerade in der Polizei z.B. gibt es eine Menge Animositäten zwischen Schwarz und Weiß, seit die ehemaligen Gegner gemeinsam Verbrechen aufklären sollen. Das ist der Hintergrund, vor dem Deon Meyers Romane spielen. Drei große Themen, die Südafrikas Gegenwart bestimmen, hat er diesmal gewählt: Korruption, Kindesmisshandlung und Selbstjustiz.

Detective Griessel gehört noch zur alten weißen Garde der Polizei von Kapstadt. Der einstmals brillante Polizist ist inzwischen Alkoholiker geworden. Seine Frau hat ihn nach wiederholten Rückfällen vor die Tür gesetzt. Sein schwarzer Chef gibt ihm eine letzte Chance. Griessel soll zwei Morde an Kinderschändern aufklären. Sein Gegner, den wir Leser im Unterschied zu ihm von der ersten Seite an kennen, ist der ehemalige ANC-Kämpfer Thobela, eine perfekt ausgebildete Tötungsmaschine, nach dem Machtwechsel kurzfristig Bodyguard für einen Drogendealer, inzwischen aber ins bürgerliche Berufsleben eingegliedert.

Als jugendliche Gangster seinen Sohn bei einem Tankstellenüberfall erschießen und dann aus Polizeigewahrsam fliehen, die örtliche Polizei aber wenig unternimmt, sie aufzuspüren, beschließt er, nicht nur sie selbst zu verfolgen und zu bestrafen, sondern überhaupt unter all jenen aufzuräumen, die Kindern Gewalt antun und davonkommen. Er nimmt das Recht in die eigene Hand – ein gefundenes Fressen für die Medien. Die jubeln, während er selbst immer mehr Zweifel bekommt. Bleibt noch eine dritte Figur zu erwähnen: eine Prostituierte, die bei einem Priester eine Beichte ablegt. Keine der drei Hauptfiguren ist einem unsympathisch.

So laufen drei Geschichten nebeneinander her, parallel erzählt, die sich allmählich annähern. Dabei ist der Leser dem Polizisten zwar immer einen Schritt voraus, doch das nimmt nicht die Spannung, denn vieles bleibt bis zum Ende im Dunkeln. Die junge Prostituierte erweist sich nicht als so naiv und unschuldig, wie sie anfangs wirkt. Ein kolumbianischer Drogendealer wird zum Kristallisationspunkt der Geschichte, die die beiden Verfolger Thobela und Griessel letztlich zusammenführt. Es kommt zum geschickt gesteigerten, ziemlich überraschenden Finale. Im blutigen Happy End siegt die Gerechtigkeit, nicht unbedingt das Recht. Ein grandioser Thriller als realistisches Spiegelbild einer Gesellschaft im Umbruch.

Rezensiert von Johannes Kaiser

Deon Meyer: Der Atem des Jägers,
Übers. Ulrich Hoffmann, Rütten&Loening Verlag Berlin 2007,
428 S., 19,95 €