Ein Jahr Staatstrojaner

"Das ist das Ende von Privatsphäre"

Hände liegen auf einer Tastatur und tippen etwas ein.
Es ist, als ob jemand im Raum ist und mitliest: Gegen die Spähsoftware des Staates wurden Verfassungsbeschwerden eingelegt. © picture alliance / imageBROKER
Bettina Gaus und Falk Steiner im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 24.08.2018
Ein Unsichtbarer steht neben dir und liest mit. Seit einem Jahr nutzt der Staat als Spähsoftware so genannte Trojaner. Gegen diese wurde erneut Verfassungsbeschwerde eingelegt. Auch wenn Karlsruhe dagegen entscheide, sei das "eine bedrohliche Entwicklung", sagt die taz-Journalistin Bettina Gaus.
Seit einem Jahr dürfen Ermittler Spähsoftware auf Computern und Handys installieren, in der Hoffnung damit Straftaten aufzuklären. Dagegen wurden mittlerweile drei Verfassungsbeschwerden eingelegt.
"Bei dem Staatstrojaner ist es so, als ob jemand die ganze Zeit im Raume stände und dir auf alles draufguckt und du den nur nicht siehst." So erläutert Falk Steiner, Korrespondent im Hauptstadtstudio, die Funktionsweise der Abhörtechnik. Wenn jemand zum Beispiel Verschlüsselungssoftware benutze, dann setze sich der Trojaner vor die Verschlüsselung, um schon beim Schreiben und beim Empfangen mitzulesen.
Es gebe nicht nur einen, sondern verschiedene so genannte Staatstrojaner. Bei einer "Online-Durchsuchung" etwa werde auf Dateien zugegriffen, die auf dem Rechner oder dem Smartphone liegen. Um auf den Rechner zu gelangen, nutzt der Staat Sicherheitslücken in den Betriebssystemen.

"Spannungsfeld verschiedener Sicherheiten"

Das sei "ziemlich heftig", so Steiner, und dagegen wende sich die am Freitag eingereichte Verfassungsbeschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Diese argumentiert, dass man nicht Millionen von Menschen auf der ganzen Welt vermeidbaren Sicherheitslücken und damit vermeidbaren Cyberattacken aussetzen könne, nur um einige mutmaßliche Kriminelle zu hacken. Dieses Vorgehen sei "blanker Wahnsinn".
Letztlich müsse das Bundesverfassungsgericht zu einer "Güterabwägung" in einem "Spannungsfeld verschiedener Sicherheiten" kommen, sagt Steiner - "einmal der Sicherheit vor Kriminellen, Terroristen und so weiter und zum anderen Sicherheit vor anderen Angreifern, die sich eben IT zunutze machen".

Bedrohliche Entwicklung

Unser Studiogast, die taz-Journalistin Bettina Gaus, wandte ein, dass ihr Misstrauen groß sei, auch wenn das Verfassungsgericht möglicherweise gegen den Staatstrojaner entscheide und diesen für verfassungswidrig erkläre. Denn Dienste, ob inländische oder ausländische, gingen bei ihrer Arbeit gern mal "unkonventionelle" Wege. Die Entwicklung sei bedrohlich.
"Das ist das Ende von Privatsphäre", sagt Gaus. "Was ich besonders erschreckend finde, ist die Vorstellung, dass jemand mitlesen kann, was ich schreibe und was ich hinterher vielleicht gar nicht abschicke. Wenn ich einen Streit habe mit jemandem und 'ne total wütende E-Mail schreibe, die ich hinterher nicht abschicke, ist mir der Gedanke nicht angenehm, dass jemand anderes diesen Entwurf mitlesen kann."
(huc)
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