Ein Jahr nach Macrons Sorbonne-Rede

"Macron-Kater in Deutschland"

Der französische Staatspräsident Macron bei seiner Rede am 26.09.2017 an die EU an der Universität Sorbonne in Paris/Frankreich.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hielt am 26. September 2017 seine Europa-Rede an der Pariser Universität Sorbonne. Er schlug unter anderem ein gemeinsames Budget für die Euro-Zone vor. © AFP PHOTO / POOL / ludovic MARIN
Henrik Enderlein im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 26.09.2018
Eine Vision für Europa, dazu konkrete Vorschläge: Mit seiner Rede an der Sorbonne vor einem Jahr sorgte der französische Präsident Macron für Begeisterung. Was ist davon geblieben?
Enderlein, Präsident und Professor of Political Economy an der Hertie School of Governance, erinnert sich gern an Macrons Rede: "Der Impuls Macrons zu Europa war ein ganz bedeutender, weil viele Menschen gespürt haben, dass etwas wie ein Ruck durch Europa gegangen ist." Die Mischung aus klarer Vision und 49 Maßnahmen, von denen immerhin 22 mittlerweile auf den Weg gebracht worden seien, hatten Enderlein überzeugt.
Henrik Enderlein, Regierungsberater und Professor für politische Ökonomie an der Hertie School of Governance in Berlin, aufgenommen am 19.02.2015 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner" zum Thema: "Athen gegen alle - scheitert der Euro?" im ZDF-Hauptstadtstudio im Berliner Zollernhof Unter den Linden.
Der Ökonom Henrik Enderlein kennt Macron seit 2012, als dieser noch Wirtschaftsminister war. Beide sind befreundet. © dpa / picture alliance / Karlheinz Schindler
Und jetzt? "Ich beobachte so etwas wie einen Macron-Kater in Deutschland - dass viele Leute begeistert waren und jetzt sich so ein bisschen fragen: Haben wir es nicht übertrieben? Aber nein! Wir müssen einfach an dem europäischen Projekt weiter arbeiten."

Ein fehlt an einem klaren Signal der Bundesregierung

Bisher lasse die Große Koalition keine "Euphorie zu Europa" erkennen. Zumindest stehe als Überschrift über dem Koalitionsvertrag "Ein neuer Aufbruch für Europa" - ein erster Schritt, wie Enderlein findet. Doch er kritisiert:
"Wenn man eine so detaillierte, konkrete Liste von Punkten hat und dann erst mal lange abwartet, dann ist das kein gutes Signal für Europa. Es schürt am Ende die Skepsis bei denjenigen, die sagen: Das europäische Projekt ist kein wirklich politisches Projekt. Ich hätte mir gewünscht, dass in vielen Bereichen ein sehr viel klareres Signal aus dieser Großen Koalition kommt."
Allerdings ließen sich Projekte wie der Eurozonen-Haushalt nicht über Nacht "per Fingerschnipps" regeln. Deshalb sei auch ein klares symbolisches Signal vonnöten gewesen: "Wenn man auf eine wichtige Rede nur mit Interviews reagiert oder mit Halbsätzen, dann hat man nie das Gefühl, es ist ein ernsthaftes Gegenangebot oder ein ernsthafter Gegenaufschlag formuliert worden." (bth)
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