Ein Jahr nach Fukushima – Wie weit ist die Energiewende?

Moderation: Dieter Kassel · 10.03.2012
Am 11. März jährt sich der Atomunfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima. Dieser GAU führte zu einer überraschenden Kehrtwende in der deutschen Energiepolitik. Der Ausstieg aus der Kernkraft bis zum Jahr 2022 ist beschlossene Sache.
Der Anteil der erneuerbaren Energien soll von derzeit rund 20 Prozent auf 35 Prozent im Jahr 2020 ausgebaut werden.

• Doch wie weit sind wir mit der viel beschworenen Energiewende wirklich?
• Können wir die ambitionierten Ziele tatsächlich schaffen?
• Was kommt mit der Energiewende auf die Verbraucher zu?

"Wichtig ist, dass man einen realistischen Blick auf die Energiewende hat und nicht glaubt, dass man den Eindruck erwecken kann, man hat im Bundestag einen Beschluss gefasst, zwei Jahre später ist die Wende erreicht und 2020 hat man nur noch Strom aus Wasser und Wind","

sagt der Technikjournalist Johannes Winterhagen.

""35 Prozent sind toll, sie sind aber auch nur mit einem maximalen Einsatz realistisch. Man muss auch die Heilserwartung rausnehmen."

Diesen realistischen Blick will er mit seinem Buch "Abgeschaltet. Was mit der Energiewende auf uns zukommt" werfen, das gerade im Hanser Verlag herausgekommen ist. Sein Fazit: Die Wende ist zu schaffen, aber die Erwartungen an Sonnen- und Windenergie seien viel zu hoch:

"Wir müssen entscheiden, unter welchen Bedingungen wollen wir die fossilen Energien weiter nutzen. Wir haben einige neue Kohlekraftwerke gebaut, aber das wird nicht reichen."

Das Szenario, Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke zu ersetzen, sei kurzsichtig:

"Da wird schon so getan, als seien Gaskraftwerke wie Kaffeemaschinen: Ich stelle sie an und schon laufen sie los. Aber das ist nicht so."

Er verteidigt die umstrittene Kürzung der Solarförderung: Die bisherige Überproduktion an Sonnenenergie überfordere die Netze und führe letztlich zu einer

"Destabilisierung der Energiewende."

Für den Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Rainer Baake ist die Kürzung dagegen

"ein Stück aus Absurdistan. Statt die Energiewende zu beschleunigen, bremst sie die Regierung ab."

Der Grünen-Politiker und ehemalige Staatssekretär im Umweltministerium unter Rot-Grün gilt als einer der Vordenker der Erneuerbaren Energien:

"Die Auseinandersetzung über die Photovoltaik ist auch eine zwischen der Old und der New Economy. Rösler und Röttgen haben sich entschieden. Sie schlagen sich auf die Seite der Vergangenheit."

Es gelte aber, in die Zukunft zu schauen, die größten Probleme anzupacken und vor allem auch die Verbraucher mitzunehmen. Dies will er auch in seiner neuen Position vorantreiben, als Direktor der neugegründeten Stiftung "Agora Energiewende", bei der möglichst alle Beteiligten die drängenden Fragen klären sollen:

"Wie kriegen wir die nächsten 20 Prozent erneuerbare Energien und den Transformationsprozess hin, das passende Stromnetz, die anderen Kraftwerke? Wie kriegen wir die Speicher in das System und wie kriegen wir den dazu passenden Markt, der flexibel ist für die Erneuerbaren und die anderen Kraftwerke?"

"Ein Jahr nach Fukushima – Wie weit ist die Energiewende"
Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Rainer Baake und Johannes Winterhagen. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Linktipps:
Deutsche Umwelthilfe
delta-eta.com - Internetseite von Johannes Winterhagen
europeanclimate.org - Infos zur "Agora Energiewende"

Literaturhinweis:
Johannes Winterhagen: "Abgeschaltet. Was mit der Energiewende auf uns zukommt", Hanser Verlag, München 2012