"Ein ganz spannender Salat …"

Von Alice Lanzke · 19.11.2010
Die Musik von Efrat Alony lässt sich nur schwer einordnen: Kunstvoll mischt die israelische Sängerin Jazz, Rock und Pop und untermalt das Ganze mit elektronischen Klängen. Nicht nur als Künstlerin geht sie so ganz eigene Wege, sondern auch in der Auseinandersetzung mit ihrer jüdischen Identität.
Wenn Efrat Alony auf die Bühne tritt, dann fallen als Erstes ihre in alle Richtungen lustig abstehenden Locken auf. Doch dieser heitere Eindruck weicht schnell einer warmen Melancholie – die ungewöhnliche Alt-Stimme der israelischen Jazzsängerin nimmt schon nach wenigen Takten gefangen.

Mehrere Preise und einen exzellenten Ruf in der Jazz-Welt haben ihr diese Stimme und ihr innovativ-eigenwilliger Musikgeschmack eingebracht. Dabei wollte die 35-Jährige nach ihrem Armeedienst eigentlich zunächst Psychologie studieren. Doch der Drang, es mit der Musik zu versuchen, war stärker. Zumal Alony schon zu Schulzeiten merkte, dass Singen etwas ganz Besonderes für sie ist:

"Der erste Moment, woran ich mich erinnern kann, dass es mir wirklich bewusst war, dass es etwas Besonderes ist: Das war ein Auftritt in der Schule in der vierten Klasse. Da haben wir für einen Feiertag eine kleine Performance gemacht. Und die Reaktionen danach waren so heftig, dass ich dachte: Okay, ich will das noch mal erleben, noch mal spüren. Und das ist so ein wenig das Gas, die Motivation weiterzumachen."

Von da an ließ sie die Musik nicht mehr los. Alony studierte in Israel, den USA und Deutschland Komposition, Arrangement, Jazz und klassischen Gesang. Fragt man sie nach ihren musikalischen Einflüssen, muss sie lachen: Das Spektrum ist riesig und reicht von Klassik bis aktuellen Pop, von Ravel bis Radiohead:

"Mich reizt es sehr, die Vermischung von elektronischen und akustischen Klängen – und eben diese Kasten aufzubrechen: Was ist Jazz? Was ist Weltmusik? Was ist klassische Musik und was ist Volksmusik? Ich versuche, von allen das zu nehmen, was ich gerne mag und was ich schön finde, und schaue, was passiert, wenn man die zusammenmischt. Und vielleicht entsteht ein ganz spannender Salat."

Wie sich dieser "Salat" anhört, erlebt man etwa bei einem der intensiven, weil fast schon intim wirkenden Konzerte Alonys. Dabei fasziniert nicht nur die facettenreiche Stimme der Israelin, sondern auch ihre Fähigkeit, diese wie ein Instrument einzusetzen.

Seit 13 Jahren lebt Alony nun in Berlin. Hier hat sie an der Hochschule Hanns Eisler für Musik studiert. Als sie in die deutsche Hauptstadt ging, war sie als Israelin noch eine Exotin - viele ihrer Freunde konnten den Umzug nicht nachvollziehen. Mittlerweile ist Berlin vor allem bei jungen Israelis sehr beliebt. Etwa 7.000 von ihnen sollen in der Stadt leben. Alony glaubt, das liege an der Enttabuisierung in der jüngeren Generation. Und sie hat eine weitere Vermutung:

"Ich glaube, Berlin ist so ein Ort, der eigentlich überall sein könnte. Es gibt so eine große Mischung von vielen verschiedenen Leuten hier. Die Stadt ist sehr frei und erlaubt sehr viel – ich merke das gerade am Musikpublikum, dass sie unglaublich offen sind – man kann wahnsinnig viele Sachen ausprobieren, die Leute sind erst einmal offen, bevor sie es ablehnen. Aber erst einmal hören sie zu. Und ich glaube, dass das in allen Kunstebenen der Fall. Insofern bietet es eine wahnsinnig große Möglichkeit zum Experimentieren, was vielleicht woanders nicht so gegeben ist."

Alonys Familie kam 1950 aus dem Irak nach Israel. Obwohl der Großvater ihrer Oma ein großer Rabbiner in Bagdad war, wuchs Alony eher säkular auf. Heute sieht sie das Judentum mehr als Tradition, eine verbindende Herkunft und kulturelle Basis, aus der sie immer wieder schöpfe, wie sie sagt – auch für und in ihrer Musik:

"Es gibt eine Ebene, die man vielleicht nicht verbalisieren kann – aber zum Beispiel allein die Tatsache, dass, wenn ich auf Hebräisch singe, im Vergleich zu wenn ich auf Englisch singe, etwas anderes stattfindet. Die Farbe in der Stimme ist etwas anders. Man ist verbunden zu anderen, tieferen Orten, die man vielleicht nicht benennen kann, auf Knopf nicht wieder finden kann, aber sie sind da."

Bei ihrem letzten Projekt arbeitete Efrat Alony mit der Bigband des Hessischen Rundfunks. Gemeinsam haben sie Lieder hebräischer Singer/Songwriter jazzorchestral neu interpretiert und etwa bei den Jüdischen Kulturtagen in Berlin präsentiert. So bleibt sie eine Grenzgängerin - zwischen musikalischen und anderen Welten.