"Less Is Moor" von Zebra Katz

Ein forderndes und wütendes Album

06:25 Minuten
Der Rapper Zebra Katz auf der Bühne während der Copenhagen Pride 2018.
Der queere Rapper Zebra Katz feierte seinen Durchbruch auf Fashion Shows. Nun erscheint endlich sein Debütalbum "Less is Moor". © Picture Alliance / Gonzales Photo / Ewa Godd
Von Jessica Hughes · 18.03.2020
Audio herunterladen
Zebra Katz will aufrütteln, und so ist sein Debüt alles andere als ein Feelgood-Album geworden. "Wir leben in einer Gesellschaft, die davon profitiert, dass schwarze Musiker draufgehen, insbesondere Rapper", sagt der Musiker.
Wenn zwei Zebras aneinander vorbeilaufen, dann kann es zu einer Sinnestäuschung kommen. Man verliert den Überblick: Welcher Körper gehört zu welchem Tier?
Die Zebrastreifen flirren, das Auge verliert Anhaltspunkte. Ein gefährliches Terrain, in dem man beginnt, die Realität zu hinterfragen und die Orientierung zu verlieren. Für Zebras ein Mittel der Tarnung.
Genau dieser Effekt der Irritation interessiert Ojay Morgan, der sich nach eben jenem Tier benannt hat: Zebra Katz.

Seit seinem Durchbruch mit der Single "Ima Read" im Jahr 2012 ist viel passiert. Nicht nur das Mixtape "Drklng" hat er neben einigen Singles und Kollaborationen veröffentlicht, Morgan war auch mit Damon Albarn und den Gorillaz auf Tour.

Auf seinem Debütalbum will er nun vor allem eines: Aufrütteln die einen, empowern die anderen.

Kein "Feelgood"-Album

Dazu nutzt er Industrial- und Noise-Elemente oder vibrierende Drones, die klingen, als würde ein Helikopter kreisen. Der Einstieg ins Debütalbum von Zebra Katz weckt ungute Assoziationen. Und macht klar: Was hier folgt, ist kein "Feelgood"-Album.

Zebra Katz dazu: "James Baldwin sagte einmal, schwarz zu sein in einem Land, das bedeutet immer wütend zu sein. Weil man frustriert ist, über das, was einen umgibt. Auf diesem Album tanze ich mit der Wut und mit diesem Gefühl der Unterdrückung. Ich tanze mit dem Gefühl, was es bedeutet in einem Land zu leben, das keinen Respekt für dich hat oder gegenüber Menschen, die so sind wie du. Viele Leute sagen mir: Wow, dieses Album ist so wütend und aggressiv. Die frage ich dann: Hast du mal rausgeschaut? Fühlst du etwas? Weißt du, was da draußen passiert? Sollte ich glücklich sein und lächeln? Ich bin doch nicht Britney Spears. Es gibt hier nichts zu feiern."

"Less Is Moor" heißt das Debütalbum von Zebra Katz und bezieht sich - mit zwei "o" geschrieben - auf ein mittelalterliches Wort, das Shakespeare noch verwendet hätte – das heute allerdings klar rassistisch ist. Beim Hinhören aber kann dieser Wortsinn leicht durchrutschen. Dann verweist der Titel lediglich auf Katz’ bevorzugte Produktionsweise: Less is more - weniger ist mehr. Ein geschicktes Wortspiel.

Auf Soundcloud entdeckt

Es sind diese Doppeldeutigkeiten, mit denen Zebra Katz sein Publikum immer wieder irritiert und enttarnt. 2012 wurde sein Song "Ima Read" vom Modeschöpfer Rick Owens auf Soundcloud entdeckt und für eine Pariser Modenschau genutzt. Der Song bezieht sich auf die New Yorker Ballroom-Szene, wo "Reading" als Disziplin gilt.
Zebra Katz gelang ein Coup: Bekannte Rapper - wie etwa Busta Rhymes, der sich immer wieder homophob äußert - remixten den Track, wohl ohne die eigentliche Referenz zur mehrheitlich schwulen, schwarzen Ballroom-Szene hinter dem Titel zu erkennen.
Mit dem Song "IN IN IN" knüpft Zebra Katz rhythmisch an den Track an, der ihn bekannt machte. Aber man hört auch Elemente des frühen, queeren Chicago House, afrikanische Rasseln und Trommeln. Ein Song, der für das Sammeln der eigenen Kräfte und Zebra Katz’ Rückkehr auf die Tanzfläche steht.

Schwarze Musiker gehen drauf

Ein weiterer Track des Albums erzählt dafür von den Schattenseiten des Künstlerdaseins: psychische Probleme, Drogenprobleme und die Einsicht, dass die Musikindustrie sogar dann weiter an dir verdient, wenn du schon tot bist.

Zebra Katz: "Wir leben in einer Gesellschaft, die davon profitiert, dass schwarze Musiker draufgehen, insbesondere Rapper. Wenn man überlegt, wie viele Rapper an einer Überdosis gestorben sind - ganz abgesehen von Künstlern wie Michael Jackson oder Prince: Lil Peep, XXXTencion, Juice Wrld. Es sind zu viele, um sie alle zu nennen, aber alle wurden von der Musikindustrie aufgefressen und wieder ausgespuckt. Mir geht es in dem Track auch darum, diejenigen zu ehren, die noch am Leben sind, zum Beispiel Little Richard. Er hat dieses Album inspiriert, denn er ist einer der schillerndsten und bahnbrechendsten Musiker unserer Zeit. Er hat den Rock’n’Roll und moderne Musik erfunden. Aber weil er flamboyant und schwarz war, hat er nie die Credits bekommen, die ihm eigentlich zustehen."
Mittlerweile lebt Zebra Katz in Berlin, mit enger Verbindung nach London. Die kühle Atmosphäre der Berliner Technoclubs, der Einfluss von Drum’n’Bass und Industrial Hip Hop durchziehen die Platte, die einen mitreißt, wie ein nächtlicher Ritt durch den Untergrund.

Aggression und Empowerment gleichzeitig

Mit dabei: zwei Vertreterinnen der queer-feministischen und Sex-positiven Underground-Szenen, die Berlinerin Sophie Ruston und Shygirl aus London.
Konfrontativ war die Musik von Zebra Katz schon immer. Auf seinem Debütalbum konzipiert der Künstler nun eine Klangwelt, die Aggression und Empowerment gleichzeitig reflektiert, mit Avantgarde liebäugelt, aber die dreckige Tanzfläche des Underground-Clubs nicht aus den Augen verliert.
Das Album schließt so, wie es angefangen hat: Ein noisiges Outro endet mit dem "Ping" eines Fahrstuhls. Wo ist man nun angekommen? War das gerade die Wirklichkeit? Nur eine Nacht? Oder doch der Weg in die Dystopie?
Mehr zum Thema