Ein düsterer Beitrag für eine prunkvolle Hochzeit

Von Holger Hettinger · 21.05.2011
Schade eigentlich, dass man die Protokoll-Verantwortlichen des kaiserlichen Hofes in Wien nicht mehr fragen kann, was sie sich dabei gedacht haben. Zur Hochzeit des späteren Kaisers Joseph des Zweiten im Jahr 1765 sollten die Festgäste mit der neuesten Schöpfung des Kapellmeisters Christoph Willibald Gluck unterhalten werden – Gluck galt am Hofe als sichere Bank, der damals 50-Jährige war erfahren, schnell und verlässlich.
Der Komponist und sein Librettist Marco Coltellini entschieden sich für eine Episode aus der Odysseus-Erzählung: jene dramatische Geschichte, in der Odysseus von der Zauberin Circe auf deren Insel festgehalten wird. Circe will die Liebe des Odysseus erzwingen. Eine weitere Gefangene ist das Mädchen Asteria. Odysseus' Sohn Telemachos kommt auf seiner verzweifelten Suche nach dem Vater auf Circes Insel – Asteria verliebt sich in ihn. Als nach einem Orakelspruch Circe alle ihre Gefangenen freilässt, finden Vater und Sohn wieder zueinander, auch das Glück von Telemachos und Asteria wird besiegelt – während sich Circe in einen zerstörerischen Wahn hineinsteigert.

Mit einem wütend dahingepeitschten Rezitativ der Circe endet die Oper – das ist nicht gerade der Stoff, den die Festgemeinde erwartet haben dürfte. Daran wird auch ein versöhnliches Schlussballett nichts geändert haben, das man an das düstere Opern-Finale angehängt hatte.

Glucks "Telemaco" ist drei Jahre nach Orfeo entstanden, und zwei Jahre vor Alceste, den beiden bekanntesten sogenannten "Reformopern" Glucks. Doch in "Telemaco" zeigt sich Gluck nicht so sehr als Neuerer, sondern eher als Vermittler zwischen den Operntraditionen; so dürfte die Oper für die damaligen Premierengäste eine mitunter befremdliche Mischung gewesen sein aus verstörenden und vertrauten Elementen.
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