Ein Denkmal für Chávez

Von Peter B. Schumann · 09.01.2013
Er ist zwar schwer krank, aber das ändert nichts an Chávez' medialer Präsenz in Venezuela. Künstler besingen ihn, das Fernsehen strahlt Zusammenschnitte alter Auftritte aus. Chávez' Rückhalt im Volk ist immer noch stark.
"Chavez, das bin nicht nur ich, das ist ein Volk, das sind Millionen. Auch du bist Chávez, venezolanische Frau. Auch du, junger Venezolaner bist Chávez. Und du, Soldat, bist Chávez. Denn Chávez, das bin nicht nur ich, das ist ein Volk, perfekt und unbesiegbar. - Chávez, das sind wir alle."

Es herrscht wieder Wahlkampf in Venezuela, so könnte man glauben, wenn man die Spots und Videos sieht, welche die offiziellen venezolanischen Fernsehsender ausstrahlen, seit sich Ende des vergangenen Jahres der Eindruck verdichtet hat, dass die Galionsfigur der 'Bolivarianischen Revolution‘ möglicherweise für immer von der politischen Bühne abgetreten ist. Hugo Chávez war in seinen besten Zeiten fast täglich im Fernsehen präsent und schlug auch beim Twittern alle Rekorde: Er hatte 3,8 Millionen Leser. Die mediale Leere, die nach seiner vierten Krebsoperation am 8. Dezember entstanden ist, wird auf allen staatlichen Kanälen mit altem Bildmaterial in neuer Montage gefüllt wie beispielsweise mit dem Werbespot aus der letzten Wahlkampagne.

Kaum ein Nachrichtenprogramm des Regierungssenders Venezolana de Televisión vergeht, in dem nicht Bekenntnisse zu Chávez verbreitet werden wie dieses des Liedermachers Evio di Marzo:

"Das ist eine von Gott erwählte Persönlichkeit. Chávez ist einzigartig. Er wird bald zurückkehren. Der Kommandant ist eine einfache, liebevolle Person, die ich immer mit einem süßen Brot vergleiche, völlig anders, als viele Leute denken. Das Ergebnis der Anstrengungen, mit denen er das Elend und die Misshandlungen, die wir so lange erlitten haben, beseitigt hat, sieht man heute überall."

Hugo Chávez genießt vor allem bei der einfachen Bevölkerung großes Ansehen, denn für sie hat er mit umfangreichen Sozialprogrammen, beispielsweise im Wohnungsbau und im Gesundheitswesen viel getan. Insofern ist dieser Spruch angemessen:

"Chávez - das Herz des Volkes!"

Unter dem Motto "Chavez lebt und wird siegen" zitiert TeleSur, der von der Regierung finanzierte TV-Kanal für Lateinamerika, in seinen Nachrichtensendungen die neuesten Twitter-Botschaften aus den sozialen Netzen.

"Carmen Meléndez sagt: 'Der Kommandant ist in jedem Werk präsent, das eingeweiht, jeder Wohnung, die übergeben wird. Und in jedem Kinderlächeln in unserem neuen Vaterland.' Matilde Marachili sagt: 'Chávez ist immer der Anfang, nie das Ende, denn er ist ein Beispiel für Leben, Vaterland und Freiheit.'"

Doch eigentlich gleicht sein Projekt eines "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" eher einem Scherbenhaufen. Die einzige Quelle des Reichtums, die Ölindustrie, ist so marode, dass inzwischen Benzin im Ausland angekauft werden muss, um den einheimischen Konsum abzudecken und die internationalen Lieferverträge zu erfüllen. Ganze Industriebereiche liegen brach oder sind unproduktiv seit sie verstaatlicht wurden. Das fruchtbare Land muss die meisten Lebensmittel im Ausland ankaufen, nicht selten fehlen selbst Grundnahrungsmittel in den für die Armen bestimmten Supermärkten. Dennoch wird Chávez gerade von diesem Teil der Bevölkerung geliebt. Bereits zu Lebzeiten ist er zum Mythos geworden, der überall seine Spuren hinterlassen hat und in kniefälligen Liedern besungen wird.

"Mein Kommandant Chávez, mein Präsident, ich liebe dich so sehr und werde dich immer lieben. Chávez verlässt uns nicht."

Die Verherrlichung des Schwerkranken hat in einem im staatlichen Fernsehen oftmals wiederholten Video einen Höhepunkt erreicht.

Eine Gruppe junger Künstler aus der Basisbewegung des Präsidenten stellt ihn quasi ins Mausoleum der Geschichte, auf eine Stufe mit den großen politischen Leitfiguren der letzten Jahrhunderte: Lincoln, Martí, Marx, Bolívar, Guevara, Allende. Chávez als Verkünder einer neuen Utopie, der die Jugendlichen in aller Welt auf Fotos zu dem Bekenntnis bewegt: "Ich bin Chávez!" Am Schluss erscheint er als Brustbild aus steiler Unterperspektive, mit zum Himmel gerichtetem Blick, Regen rinnt über seine nasse Kleidung: Chávez wie zum Denkmal erstarrt.