Ein Bochumer in Thüringen

Von Gerd Brendel · 01.07.2009
Im Wirtshaus von Ranis in Thüringen ist der junge Schriftsteller Hartmut Lohmann ein gern gesehener Gast. Dort hält er seine sogenannten Stadtschreiber-Gespräche ab und sorgt damit für die Steigerung des Umsatzes.
Sein Erstlingswerk "Genius" über die Realität-sprengende Liebe einer querschnittsgelähmten Bochumerin zu einem Zeitgenossen der französischen Aufklärung gefiel der Stadtschreiber-Jury des Nordseebades Otterndorf vor zwei Jahren so gut, dass sie Lohmann vor zwei Jahren für den Posten auswählten. Ein erfolgreicher Einstieg in den Stipendiaten-Parcours: Ende letzten Jahres reiste der Jungautor in der gleichen Funktion nach Ranis in Thüringen, einer Kleinstadt zwischen Erfurt und Plauen, die sich vor allem unter Brautpaaren großer Beliebtheit erfreut, dank der mittelalterlichen Burg hoch über der idyllischen Altstadt.

"Haben ja extra so'n Trauzimmer auf der Burg. Da gibt’s schon Wochenenden, wo drei, vier Hochzeiten sind, das kann schon mal passieren."

Und nach der Burg-Trauung kann in Hubert Weißes Gasthaus zur Schmiede weitergefeiert werden. Als Wirt des ersten Hauses am Platz kennt Weiße natürlich auch den momentanen Stadschreiber Hartmut Lohmann:

"Er hebt sich nicht ab, kann überall mitreden … muss man manchmal anstacheln was zu sagen, aber sonst ..."

Aber sonst ist Lohmann in der "Schmiede" ein gern gesehener Gast, vor allem zu den regelmäßigen "Stadtschreiber-Gesprächen".

"Wenn der Stadtschreiber hier seine Gespräche hat, dann hat er freie Kost und Logis. der Stadtschreiber bringt mir ja die Leute her, und da kriegt er sein Essen frei."

Doch Gastwirt Weiße schätzt den Schriftsteller nicht nur wegen der Umsatzsteigerung:

"Das ist schon beeindruckend sei'n Wissensschatz, wie sich jemand psychisch einfühlen kann in ne Frau, das ist schon beeindruckend mit 25, oder 26 Jahren wird er glaub ich jetzt."

Beispielsweise in eine sehr junge Frau wie in Pi, der Tochter in Lohmanns vorletztem Stück "Fraktal", einem Familien-Albtraum. Irgendwie kann man sich den Autor gut vorstellen, wie er beim Schreiben in der Wirtsstube hockte: Die Thüringer Bratwurst auf dem Teller, das Bier daneben, fremd unter den Einheimischen und all den Hochzeitspaaren, aber in stiller Zwiesprache mit einer kleinen Spinne, die von der Decke herunterhängt.
Auszug aus einem Stück von Lohmann: "Da schwirrst du als Keimzelle der Wirklichkeit durch den Frühling, um festzustellen, das dich die Spinne bereits einlullt, und was dir süße Träume sind, das ist ihr Speichel, der dir von den Bäckchen tränt."
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