Ein ''Ausbund an Gegend''

Von Uschi Götz und Stephan Rehfeld · 08.02.2008
Die Lage dürfte als bekannt vorausgesetzt werden: 47°40' Nord und 9°11' Ost. Die Aussprache des Ortes ist einfach: Konschdanz. Versuchen sie es ruhig mal. Nein, nicht mit einem Binnen-"s-t". Sie kommen aus Norddeutschland, stimmt's?
Aber Konschdanz nicht! Das liegt im alemannischen Raum, noch genauer: seealemannischer Dialekt des Niederalemannischen. Ist doch ganz einfach. Wenn nicht, dann sollten Sie sich unserem Kleinen Aussprachekurs hingeben. Sie wissen ja "Wir können alles. Außer Hochdeutsch."

Die Lage dürfte als bekannt vorausgesetzt werden: 47°40' Nord und 9°11' Ost. Die Aussprache des Ortes ist einfach: Konschdanz. Versuchen sie es ruhig mal. Nein, nicht mit einem Binnen-"s-t". Sie kommen aus Norddeutschland, stimmt's? Aber Konschdanz nicht! Das liegt im alemannischen Raum, noch genauer: seealemannischer Dialekt des Niederalemannischen. Ist doch ganz einfach. Hier, in Konschdanz. Oder Konstanz oder Konstanz?


Ganz einfach - Die richtige Aussprache des Fleckens

"Konschdanz"

"Konschdanz"

"Konstanz"

Ah ja – Konstanz.

"Konstanz"

Genau!

"Konschtanz."

Ja Herrgottnochmal, wie sagt man denn das nun richtig?

"Da gibt es ja gar keine Frage, die Stadt heißt Konschdanz."

Ja und warum denn bittschön, Herr Dr. Wolfgang Zimmermann. Warum denn nicht Konstanz? Sagt doch jeder Touri hier.

"Konstanz war ein römisches Kastell, am Bodensee gelegen, und leitet seinen Namen Constantia, die lateinische Namensform vom römischen Kaiser Constantius ab."

Das mag in ihrem baden-württembergischen Landesarchiv so stehen, aber es sagt uns – leider - nicht viel über die Stellung des Mauls, der Zunge und des Gaumes aus. Bitte.

"Das heißt schon Constantia, betont auf der zweiter Silbe auf dem a. Aber diese Namensform wurde dann durch Lautverschiebung in Althochdeutsch und ins Alemannische überführt. Das heißt, aus dem beginnenden C wird ein Ch, später K, aus dem T wird ein Z – Konstanz. .. und vor allem: die Betonung geht von der zweiten auf die erste Silbe, also vom a aufs o ... Konstanz."

Ich unterbreche Sie ja nur ungern, Herr … Aber können Sie es bitte kürzer machen? Also mehr so mundgerecht?

"Und im Mittelhochdeutschen, im Alemannischen fällt sogar das n aus K–oschtanz, Koschtinz, wäre eigentlich die richtige Form und da ganz klar eine Betonung auf der ersten Silbe und daher ein bereites sch, wie wir sagen würden: Konschdanz,. heutzutage."

Nun, eine phonetisch korrekte Betonung setzt eine gewisse Modulationsfähigkeit der eigenen Sprache voraus; als leichte Übung für Nichtschwaben eignet sich zunächst das o – ein, wie wir nun wissen, mittlerweile auch im historischen Kontext eindeutig geklärter Buchstabe – in K-o-n-s-c-h-d-a-n-z.

"o, o, o, o, o … o, o, o, o” "

Sehen Sie, Sie daheim am Lautsprecher, es geht doch. (kurze Pause, dann sehr zufrieden) Ja, jetzt haben Sie des auch drauf. Sehr schön!

" "Konschdanz, Konschdanz, Konschdanz."

Gut, gut, reicht ja. Ist ja guhut!


Ein "Ausbund an Gegend" – Konstanz, der Bodensee, Martin Walser

Hier kann man schnell den Boden unter den Füßen verlieren – wegen des Sees, wegen des Bodensees. Nun ist er nicht gerade ungeheuer tief, aber er macht den Betrachter schnell wortlos. Er zeigt dem Menschlein, wer hier das Sagen hat. Warum es hier so und nicht anders schön ist. Einer, der aus dem Anblick des Bodensees noch Worte schöpft, ist Martin Walser. Denn das hier ist ein "Ausbund an Gegend".


"Manchen halten seit einigen Jahrzehnten den Weg nach Indien für kürzer als den nach Konstanz, bitteschön.""Der See ist immer eine Super-Wetterstation. Der sagt immer noch genauer, was man zurzeit für eine Wetterstimmung hat. Er verstärkt alles. Das Trübe verstärkt er und das Schöne verstärkt er. Ist ein richtiger Verstärker. Das ist das Symmpathische auch, Katastrophen hält er, ebenet er ein; das ist schon richtig, Kälte und Hitze stutzt er zurück auf ein erträgliches Maß."

"Ich weiß schon, dass er ein Gegenüber ist, also Natur, nicht, zu der ich ja nicht mehr gehöre."

"Und am Bodensee gehört natürlich alles zur Geschichte des … das ist auch, wenn man wie ich meistens hier ist und von Anfang an hier war, dann gibt es eigentlich sehr wenig Gegenwart."

"Die Geschichte ist hier überall unheimlich präsent. Und die Gegenwart ist im Grunde genommen einfach immer der jeweils letzte Hauch von Geschichte."

"Also diese blinde Menschheit produziert eine enorme Antwortspracht auf ihre undurchschaubare Situation."

"Manchen halten seit einigen Jahrzehnten den Weg nach Indien für kürzer als den nach Konstanz, bitteschön. Wann auch immer sie hierher zurückkommen, sein Lager steht in grünem Schmück. Sich verstellen, sich fügen, auf leidende Weise Herr seiner Geschichte zu werden."


Eine Stadt mit vielen Namen – Aus dem Personenregister

Die Stadt hat viele Namen. Mancher Hiergebürtige zog in die Welt und wurde bekannt. Einige Zugereiste waren es schon vorher – prominent. Verschiedene blieben hier und wurden hier berühmt. Und dann gab es noch jene, die schnell vergessen wurden oder die man jetzt wieder gebrauchen kann.
Ein Auszug aus dem örtlichen Personenregister.

Seuse, Heinrich
auch: Heinrich Suso
1295 in Konstanz geboren
Dominikaner-Pater, christlicher Mystiker, Seliger
beschrieb extreme Formen der Selbstkasteiung, angeblich an sich vorgenommen;
nahm nicht das Leben als Leiden hin, sondern sah im Leiden einen schönen Sinn;
"In der kräftigsten Unterwerfung ist die höchste Erhebung."

Hus, Jan
1415 in Konstanz hingerichtet
tschechischer Reformator
lehnte vor dem Konstanzer Konzil öffentlichen Widerruf und Abschwörung seiner Lehren ab
wurde zum Ketzertod verurteilt
nach sechseinhalb Monaten Haft am 6.Juli 1415 in Konstanz auf dem Scheiterhaufen mit seinen Schriften verbrannt.

Martin V
am 11. November 1417 in Konstanz zum Papst gewählt
die einzige Papstwahl nördlich der Alpen
das Konzil von Konstanz dauerte 4 Jahre, von 1414 bis 1418.

Schleyer, Johann Martin
Pseud. Hilarius Frohsang
1912 in Konstanz gestorben
kath. Theologe, Schriftsteller, Linguist
Erfinder der Plansprache Volapük
arbeitete an einem Weltalphabet, veröffentlichte dann 1879 das Volapük-Buch

Zeppelin, Ferdinand, Graf von
im Volksmund auch "Der Alte vom Bodensee" genannt
1838 in Konstanz geboren
Pionier des Luftschiffbaus
1900 erfolgten die ersten drei Aufstiege über den Bodensee
Zeppelindenkmal am Gondelhafen in Konstanz

Handloser, Prof. Dr. med. Siegfried
1885 in Konstanz geboren
1942 bis 1945 Hauptverantwortlicher für medizinische Verbrechen der Wehrmacht, mitverantwortlich für Menschenversuche von SS-Ärzten
im Nürnberger Ärzteprozeß verurteilt
vorzeitig aus der Haft entlassen.

Elser, Georg
1903 – 1945
Widerstandskämpfer
lebte mehrere Jahre in Konstanz, arbeitete in einer Uhrenfabrik
am 8. November 1939 in München Bombenattentat auf Hitler
auf der Flucht in die Schweiz vom Zollgrenzschutz in Konstanz festgenommen
als "Sonderhäftling des Führers" am 9.April 1945 durch Genickschuß hingerichtet
lange Zeit in der Bundesrepublik als Widerstandskämpfer ignoriert.

Maihofer, Werner
1918 in Konstanz geboren
Politiker, Hochschullehrer, Bundesinnenminister
trat 1978 unter Helmut Schmid als Bundesinnenminister zurück
übernahm die Verantwortung für eine Fahndungspanne bei der Entführung von Hans Martin Schleyer im Deutschen Herbst 1977.

Djindjic, Zoran
1952 – 2003
serbischer Politiker und Schriftsteller
promoviert 1979 an der Universität Konstanz zum Dr. phil.
ab Januar 2001 serbischer Ministerpräsident, am 12. März 2003 in Belgrad ermordet.


Die Seeschlacht bei Lindau – Keine touristische Maßnahme

Nun also ist die Seeschlacht ein Fall für Juristen. Vor Gericht soll jetzt nicht nachträglich geklärt, wer seinerzeit, da die Römer auf dem Bodensee so manche Schlacht austrugen, wer da nun gewonnen hatte. Und ob nicht etwa der Verlierer noch Ansprüche geltend machen könnte. Nein, die Seeschlacht tobt dieser Tage, ist keine touristische Maßnahme, um Besucher anzulocken, sondern ein handfester Streit zwischen Konstanz und Lindau. Mal sehen, wie viele Gefechte noch zwischen diesem bayerischen Lindau und dem badischen Konstanz über die See-Bühne gehen werden.

Das ist Konstanz.

Und das ist Lindau. Und dazwischen liegt der Bodensee.

Und auf ihm wogt eine Seeschlacht hin und her, her und hin. Keine touristische Maßnahme, sondern so richtig verbissen.

Auf dem See, den die Schwaben gerne als ihr "Meer" bezeichnen. Um den Hafen in Lindau, vor dem ein Löwe, ein bayerischer Leu sitzt. Und da hinten muss irgendwo das badische Konstanz liegen.

Wir kämpfen wie ein Bär um unseren Löwen und sein Gehege.
Die Lindauer Oberbürgermeisterin, parteilos und die CSU in der Seeschlacht anführend, kämpft wie ein "Bär" um ihren "Löwen"!? Oha.

Nur, leider, der Hafen war nie in Lindauer Hand. Hier! Sehen Sie das Dokument?! Kaufvertrag von 2003. Mit Siegel und Unterschrift.

… kaufen die Konstanzer Stadtwerke die "Bodenseee-Schiffahrtsbetriebe" (buchstabiert) B-S-B … von der Deutschen Bahn. Und damit auch die Häfen von Friedrichshafen und Ludwigshafen, von Überlingen und Nonnenhorn, von Langenargen und ! L-i-n-d-a-u, Lindau.

Die Konstanzer Großzügigkeit, den Löwen für einen Euro zu kaufen, wurde von den Lindauern verschmäht!

"Wer Eigentümer ist, hat immer mehr Rechte."
Die Lindauer Bürgermeisterin sagt es, der Konstanzer Oberbürgermeister hat es.

Das ist der bayerische Löwe - in badischer Hand.

Und das ist der einzige Leuchtturm, den Bayern mal hatte, auch. Punktum.

"Da tackern zwei Züge aufeinander."

Da tackert überhaupt nichts, Frau Bürgermeisterin Lindau. Nix da. Weil:

Der Hafen gehörte noch nie Lindau! (versöhnlich) Der Hafen gehörte einstmals der Königlich Bayerischen Staatseisenbahn, die mal an die Deutsche Reichsbahn ging, dann zur Deutschen Bundesbahn wurde. Und die wiederum gliederte die Bodenseeschiffahrtsbetriebe aus …

… und verkaufte sie an die Stadtwerke Konstanz. "Basta" wie der Schwabe da zu sagen pflegt.


Weiland Osterich – Ein hierorts schmerzliches Kapitel

Ein schmerzliches Kapitel – es umfasst 68 Seiten - wir kommen nicht umhin. Hier, sehen Sie?! "Die verdrängten Jahrhunderte." (blättert) Herausgeber: das Rosengartenmuseum in Konstanz. "Konstanz als österreichische Stadt." Von 1548 bis 1806 dauerte das "Trauma", bei dessen Nennung das linke Auge des Hiesigen nervös zu zucken beginnt. Und auch wenn man die Jahrhunderte gerne verdrängt, so lässt man dies österreichischen Touristen nicht spüren. Jedenfalls nicht gleich.

"Hie Osterich grund und boden." Ja, ja … keine Angst, ist nur ein Zitat. Kennen Sie die Vorgeschichte? Sollten Sie aber. Im 16. Jahrhundert hätte sich Konstanz gerne der Eidgenossenschaft angeschlossen. Die wollte aber nicht, also traten die Protestanten dem Schmalkadischen Bund bei. Bitte, anno 1548 verlor der Schmalkaldische Bund den Krieg, die geliebten Schweizer halfen der Stadt nicht und Konstanz musste im Oktober 1548 kapitulieren.

"Und das ist das große Trauma der Konstanzer Geschichte man kapituliert vor dem Kaiser und verliert seine Reichsfreiheit und vor allem sein protestantisches Bekenntnis."

Das war der Herr Zimmermann, ein gebürtiger Konstanzer Doktor mit einem großen Archiv. Also, die Stadt wurde dem habsburgischen Vorderösterreich zugeschlagen und rekatholisiert. So war das damals. Und diente als – wir zitieren der Genauigkeit wegen – "als Bollwerk gegen eine weitere Expansion der Eidgenossenschaft nach Norden". Der Papst in Rom half dabei kräftig mit. Er konnte nicht vergessen, dass die Konstanzer 1529 den katholischen Gottesdienst verboten hatten.

Undank war der Lohn. Ach, die österreichische Zeit wurde hierorts und später als "Niedergang" gedeutet, "Stagnation" beschworen – gar einfach war das Geschäft der Historiker. Ein wenig ahistorisch.

"Es wurde zum Mythos, es wurde der Mythos."

Danke, Herr Zimmermann, danke.

"Das Jahr 1548 war der Horizont, in dem Geschichte nur noch Niedergang und Dekadenz war."

Danke, vielen Dank. Ja, Probleme gab es, aber genauso eine "wirtschaftliche Hochblüte", die aus dem Mittelalter "überkommene Stadtverfassung" verschwand, eine "aufgeklärte Bürokratie" agierte. Als der französische General Oudinot 1799 den Magistrat drängte, der Schweiz beizutreten, da winkte der ab, weil, aufgepaßt, Zitat: "Wir … genießen der bürgerlichen Freyheiten viele, so viele, als man schwerlich in irgend einer Monarchie genießen wird."

Bitteschön, Herr Zimmermann mag Ihnen, werter Hörer, noch etwas mitteilen.

"An der Fassade vom Konstanzer Rathaus hat man im späten 19. Jahrhundert Historiengemälde, wichtige Szenen aus der städtischen Geschichte gemalt, es sind drei, vier Bilder aus dem Mittelalter. Es kommt dann die Szene, wo die spanischen Truppen zurückgedrängt werden, in den Rhein geworfen werden auf der Rheinbrücke. Und der damalige Stadthistoriker hat einen kleinen Reiseführer zu den Bildern geschrieben. Und hat lapidar vermerkt: "Danach war Konstanz nur noch eine gewöhnliche, normale vorderösterreichische Landstadt", die auch keines Bildes mehr wert war."

Dies nur, damit sie, werte Hörer daheim und hier, im Bilde sind. Ja, ja, hier war mal unser Österreich. Bis 1806! Dann griffen die Badener zu!