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Bargeldkuriere auf dem Land
Bei Anruf Bargeld

In strukturschwachen Regionen schließen immer mehr Bankfilialen. Für viele ältere und immobile Kunden wird das zum Problem: Nur schwer kommen sie an Bargeld. In manchen Orten setzen die Banken deswegen sogenannte Bargeldkuriere ein: Sie liefern das Geld frei Haus.

Von Susanne Lettenbauer | 07.06.2016
    Hände einer Frau, die Geldscheine zählt, daneben liegt ein Taschenrechner.
    Die Geldübergabe zuhause läuft wie in der Bank- nur bei Kaffee und Kuchen. (imago stock&people)
    Mitten in Oberfranken, in einem Tal des Frankenwaldes liegt Tschirn, 540 Einwohner, vorwiegend ältere Menschen. Bankberaterin Frauke Hoffmann nimmt den Briefumschlag aus dem Auto, geht die kleine Anhöhe zu einem Haus hoch - Kundenbesuch:
    "Jetzt sind wir bei der Familie Ströhlein in Tschirn, das sind sehr gute Kunden von mir, wir haben auch persönlich einen sehr guten Kontakt zueinander und da der Mann kränklich ist und die Frau selber nicht Auto fahren kann, hab ich ihnen gesagt, dass ich sie heute mal mit Geld versorgen kann und ihnen das jederzeit in unserem Bereich als Service anbiete."
    - "Hallo grüß Gott, hallo Frau Ströhlein, grüß Gott. Der Geldservice kommt ins Haus."
    - "Jawohl, das ist aber schön, dass Sie uns das Geld bringen."
    - "Wie geht’s Ihnen?"
    Herzliche Begrüßung bei Familie Ströhlein. Die Bankangestellte Frauke Hoffmann schüttelt der Rentnerin die Hand, erkundigt sich ihrem Befinden und wird hereingebeten.
    "Gehen wir kurz rein, ich habe Ihnen Ihr Geld mitgebracht."
    "Für die Einwohner war es ein großer Einschnitt"
    Eigentlich hat Frauke Hoffmann in ihrer weißen Bluse mit dem roten Halstuch nicht viel Zeit. Den weißen Briefumschlag legt die Bankberaterin vorsorglich auf den Küchentisch. Sie arbeitet seit einigen Monaten im Nachbarort Teuschnitz, bei Bedarf fährt sie zu den Kunden, bringt ihnen Geld, und berät sie zu Hause.
    "Wir trinken jetzt einen Kaffee, aber Frau Ströhlein, wir halten uns jetzt aber nicht lange auf, wir trinken einen Kaffee und müssen dann weiter."
    Früher leitete Hoffmann die ortseigene Filiale in Tschirn, fünf Jahre lang, gleich um die Ecke vom Haus der Familie Ströhlein, die sie seit zehn Jahren kennt. Doch seit letztem Jahr gibt es das rote S und die Werbe-Plakate nicht mehr in den Schaufenstern des früheren Bankgebäudes. Umgeleitet wurde es, wie es im Finanzjargon heißt, also geschlossen, wegrationalisiert, aufgegeben. Hoffmann wechselte zu ihren Kollegen ins sieben Kilometer entfernte Teuschnitz. Obwohl sie immer genügend Kundschaft hatte:
    "Die Filiale war im Prinzip zweimal die Woche geöffnet, einmal Mittwoch, einmal Freitag Nachmittag, dann hatte ich noch die Termine, also die Geschäftsstelle war immer gut frequentiert worden. Also für die Einwohner war es schon ein großer Einschnitt."
    Kuchen kommt auf den Tisch, der Kaffee läuft durch den Filter. Die 80-Jährige legt die Kuchengabeln zurecht. Ihr Mann sitzt auf einem Stuhl daneben. Ihm geht es nicht besonders gut, er kann derzeit nicht Autofahren, seine Frau auch nicht. Was sie zum täglichen Bedarf benötigen, müssen sie zu Fuß oder mit dem kostenlosen Gemeindebus erledigen. Früher gab es einen Bäcker im Ort, einen Metzger, vier Gaststätten, aber das ist lange her. Jetzt fehlen auch noch die Bank und der Geldautomat.
    "Es war schon sehr unangenehm, so konnte man doch runterlaufen, jetzt braucht man einen Fahrer. Und wenn was ist, dann fragen wir Frau Hoffmann, wie geht das oder das, wir sind alte Leute, wir können doch da nichts machen, da macht das nicht mehr mit."
    Sieben Geschäftsstellen wurden geschlossen
    Sie tippt sich an den Kopf. Mobile Tan, SMS-Tan oder Online Banking, kein Thema mehr für das Rentnerehepaar, auch zahlen mit Geldkarte kommt nicht in Frage. Nur Bares, sagt sie. Doch selbst wenn das Ehepaar sich an den Computer setzen würde - in Tschirn fehlt teilweise die Netzabdeckung, bedauert die Bankberaterin:
    "Also das heißt, viele haben noch gar keine Internetanbindung, und es ist mit dem Onlinebanking nicht möglich, weil es keinen Empfang gibt, das ist auch ein Problem für die jungen Leute, deshalb machen das so viele hier noch nicht, weil das Netz noch nicht ausgebaut ist."
    Sieben Geschäftsstellen hat die Sparkasse Kulmbach-Kronach im letzten Jahr geschlossen, damit soll die Umstrukturierung aber erst mal für die nächsten Jahre abgeschlossen sein. Weitere Filialschließungen seien nicht geplant, so Stefan Fechner, Chef der Privatkundenberatung der Sparkasse Kulmbach-Kronach:
    "Also wir wollen in jeder selbstständigen Gemeinde mit einer Filiale vertreten sein, so ist unser aktueller Plan und wir werden auch nicht in diesem Jahr und auch nicht im nächsten Jahr unser Geschäftsstellennetz anpassen. Weil wir der Meinung sind, dass wir mit unserem jetzigen Netz mit 35 Filialen gut aufgestellt sind und keine Änderungen planen."
    "So Frau Ströhlein, jetzt bekommen sie noch ihr Geld, wie vereinbart. Ich habe es wie immer ein bisschen klein gemacht, gestückelt."
    Wie am Bankschalter - nur bei Kaffee und Kuchen
    Frauke Hoffmann reißt den verschlossenen Briefumschlag auf, holt die Geldscheine heraus und einen herkömmlichen Auszahlungsbeleg:
    "Das ist wie immer der Auszahlungsbeleg, da bitte unterschreiben, ich nehme es dann wie immer mit, nehme es zur Geschäftsstelle mit und buche es. Jetzt bekommen sie noch ihr Geld. Einhundert, zweihundert... Das nehme ich mit und buche es dann."
    Hoffmann zählt das Geld vor, wie an einem Bankschalter, nur dass sie mit ihrer Kundin bei Kaffee und Kuchen am Küchentisch sitzt. Nach gut einer Stunde verabschiedet sie sich:
    "Vielen Dank und bis zum nächsten Mal. Tschüss Herr Ströhlein. Tschüss."