Ehrenamt

Mehr als ein Ort zum Schwimmen

Ein Mann springt am 16.07.2014 in das Becken im Freibad Volksbad Limmer in Hannover (Niedersachsen).
Die Eintrittsgelder reichen nicht aus für den Betrieb des Freibads - kommunale Mittel sind weiterhin nötig. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Leila Knüppel · 16.08.2014
Als die Kommune Dellwig in Nordrhein-Westfalen das Freibad schließen wollte, nahmen gut 500 Einwohner den Unterhalt selbst in die Hand. Das Bürger-Bad öffnet nun schon den dritten Sommer in Folge.
"Hier sind ganz viele Steine drin."
Monika Tiede wischt sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und greift zur Hacke, um die Erde um die Hortensien aufzulockern.
"Das machen wir das noch fertig, dann gehen wir hinten in die Kirschlorbeer-Hecke."
Alle zwei Wochen kommt die 63-Jährige gemeinsam mit Nachbarn und Freunden ins Bürgerbad Dellwig, um die Beete rund um das 50-Meter-Becken zu pflegen. Seit in der 20.000-Einwohner-Gemeinde am Rande des Ruhrgebiets das Geld knapp wurde und das Freibad geschlossen werden sollte, betreiben einige engagierte Bürger das Bad in Eigenregie. Mittlerweile im dritten Sommer.
"Wir wurden ja ganz kurzfristig vor vollendete Tatsachen gestellt. Anfang März wurde das Bad entwintert und Ende Februar stand in der Zeitung: Freibad Dellwig wird geschlossen, und dann haben wir sofort eine Telefonkette gebildet. Und alle haben gesagt: Das kann nicht sein. Und innerhalb von vier oder sechs Wochen stand der Förderverein. Und es war ganz toll zu sehen, dass so viele Leute sich gemeldet haben, die gesagt haben – ja, ich backe Kuchen – und der andere: Ich mache Gartenarbeit gerne, ich geh in die Rabatten. Oder andere sagten, ich verteile Flyer, ich klebe da Poster an."
"Keiner von uns hatte vorher ein Freibad. Und keiner hat sich je darüber Gedanken gemacht, was heißt das. Für mich ist hier jeden Tag wieder Berufsschule."
"Immer ein Ort gewesen, wo man Leute getroffen hat"
Harald Heine ist einer der wenigen Männer, die heute Morgen zum Gärtnern gekommen sind. Über 500 Mitglieder habe der Bürgerbad-Verein, erzählt der 62-Jährige und zieht seine Schirmmütze zurecht. Etwa 50 packen in ihrer Freizeit mit an, damit das Freibad in ihrem Dorf offen bleibt. Nur Bademeister und Kassierer werden bezahlt.
"Hier werden Schulen geschlossen. Geschäfte, Kneipen werden zu gemacht. Also, die Berührungspunkte, wo Leute die Möglichkeit haben, sozialen Kontakt miteinander zu pflegen, werden hier in dem Ortbereich um Dellwig herum immer weniger. Und das Freibad, das ist immer ein Ort gewesen, wo man Leute getroffen hat. Hier ist einer der wenigen Orte, der gesellschaftsübergreifend ist. Das hat was Schönes."
Am Morgen hat es noch geregnet, jetzt kommt langsam die Sonne raus. Nur ein DLRG-Schwimmer und einige braun gebrannte Senioren ziehen ihre Bahnen. Dauerkartenbesitzer, die jeden Tag zum Schwimmen kommen.
Geld ist weiterhin knapp
Es ist kein guter Freibad-Sommer. Allein über Eintrittspreise von drei Euro pro Person könnte sich das Bad nicht finanzieren. Den Großteil der Betriebskosten kommt daher – auch beim Bürgerbad – noch immer aus kommunalen Mitteln: Insgesamt 75.000 Euro zahlt die Stadt Fröndenberg, in die Dellwig eingemeindet wurde. Dazu kommen etwa 27.000 Euro Sponsorengelder, Spenden und Einnahmen aus Veranstaltungen wie Konzerten, Kinderfesten oder Modellboot-Fahren im Pool. Damit kommt das Bad gerade so über die Runden, sagt Freibad-Geschäftsführer Dirk Weise. Er ist mit 30 einer der jüngsten im Förderverein – und Geschäftsführer des Freibads.
"Im letzten Jahr hatten wir zum Beispiel einen riesigen Wasserverlust im Becken, wo wir jeden Tag 1000 Kubikmeter Wasserverlust hatten. Nach einem Jahr haben wir festgestellt: 12.500 Euro Schaden, die wir Mehrkosten hatten. Diese 12.500 Euro mussten wir natürlich irgendwo aufbringen, stemmen. Auf einer anderen Schiene wieder einsparen."
Eine Wasserrutsche, damit mehr Kinder kommen
Nun ist auch noch das Kinderbecken kaputt gegangen. Trocken und verlassen liegt es am Rande der Liegewiese. Jahrelang wurde an dem alten Schwimmbad nur das Nötigste repariert. Ein paar Sommer dauert es daher wohl noch, bis alles in Stand gesetzt ist, sagt Weise. Dann kann wieder investiert werden: Eine kleine Wasserrutsche möchte er anschaffen. Damit wieder mehr Kinder und Jugendliche ins Bad kommen.
"Das ist natürlich auch sehr, sehr viel Arbeit. Das ist quasi ein zweiter Job. Aber es macht mir auch unheimlich viel Spaß, weil man auch sieht, was man bewirkt und bewirken kann. Und auch normale Bürger und Bürgerinnen sich nicht allen Entscheidungen der Räte oder Städte beugen müssen, sondern dass man sagen kann: Nein, wenn ihr nicht, dann wir aber…"
Gärtner-Frauen: "Guck mal, sieht schön aus. – Haben wir gut gemacht.“
Die Wolken haben sich ganz verzogen, die Sonne zeichnet Linien und Kreise ins türkis-blaue Wasser. Auch einige Kinder und Jugendliche sind nun ins Bad gekommen – und springen von den Startblöcken: Die freiwilligen Gärtner packen ihre Geräte weg und holen Handtücher und Badeanzüge raus.