Ehemaliges Deutsch-Südwestafrika

Forderung nach Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte

Eine Gedenktafel auf dem deutschen Friedhof am Waterberg (Namibia) mit der Aufschrift "Dem Andenken der in der Schlacht am Waterberg gefallenen Hererokrieger".
Eine Gedenktafel auf dem deutschen Friedhof am Waterberg (Namibia) für die Herero-Krieger © picture alliance/dpa/Jörg Schmitt
Von Christoph Reimann · 06.07.2015
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts töteten deutsche Truppen in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika - im heutigen Namibia - fast die gesamte Volksgruppe der Herero und die Hälfte der Nama. Angehörige der beiden Volksgruppen fordern in Berlin, dies als Völkermord anzuerkennen.
Montagvormittag in Berlin. Der Wind schiebt die letzten Gewitterwolken über den Juli-Himmel. Vor dem Schloss Bellevue eine Gruppe von Menschen. Keine Touristen, aber doch Weitgereiste –mit einem ernsten Anliegen:
"Wir sind hier, um die namibischen Volksgruppen Nama und Herero zu vertreten. Zusammen mit einer NGO wollen wir dem deutschen Bundespräsidenten eine Petition überreichen. Es geht darum anzuerkennen, was der General von Trotha an unserem Volk zu Beginn des 20. Jahrhunderts verübt hat – nämlich einen Genozid",
sagt Vekuii Rukoro, Führer der namibischen Herero. Das Ende der Kolonie Deutsch-Südwestafrika jährt sich am 9. Juli zum 100. Mal. Nach einem Aufstand der unterdrückten Herero im Jahr 1904 kam es zum Kolonialkrieg. Bis 1908 töten die Truppen von Lothar von Trotha rund 90.000 Menschen. Sie wurden erschossen oder in die Wüste gejagt, wo sie verdursteten. Etwa 80 Prozent der Herero kamen so ums Leben – und rund 50 Pront der Nama. Als Vertreterin dieser Volksgruppe ist Ida Hoffmann nach Deutschland gereist. In bunter Nama-Tracht steht sie vor dem Schloss:
Hoffmann: "Unsere Würde hat großen Schaden genommen. Wir haben uns nicht entwickeln können. Wenn du heute den Süden Namibias besuchst, siehst du, wie unsere Leute auf der Straße hocken. Wir können nicht mal unsere Kinder zur Schule schicken – wobei das in der heutigen Zeit doch alles ist. Das Deutsche Reich hat uns arm gemacht, und die heutige deutsche Regierung muss dafür die Verantwortung übernehmen."
Bundesregierung verweist auf Dialog mit namibischer Regierung
So sehen es auch die Bundestagsfraktionen der Opposition. Einzelne Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei, aber auch der SPD, zählen zu den Unterzeichnern der Petition. In den vergangenen Tagen haben sich Grüne und Linkspartei außerdem mit eigenen Anträgen an die Bundesregierung gewendet. Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei:
"Es geht in dem Antrag darum, dass Deutschland endlich den Völkermord, der zwischen 1904 und 1908 geschehen ist, anerkennt und sich dafür entschuldigt und mit der Regierung Namibias und mit den Nachfahren der Opfer in einen Dialogprozess einsteigt über die Frage der Wiedergutmachung."
Das fordern auch Ida Hoffmann und Vekuii Rukoro. Die Bundesregierung aber spricht offiziell nicht von einem Genozid. Stattdessen verweist sie in einer aktuellen Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen: Seit 2014 befinde sie sich mit der namibischen Regierung in einem gemeinsamen Dialog, der, "erstmals auch die Suche nach einer gemeinsamen Haltung und einer gemeinsamen Sprache in Bezug auf den grausamen Kolonialkrieg (…) umfasst".
Zuversicht, dass Bewegung in die Sache kommt
Das befürworten Rukoro und Hoffmann. Aber es geht ihnen nicht weit genug – zumal Bundespräsident Joachim Gauck erst im April das Armenienmassaker als Völkermord bezeichnet habe. Nun sei es endlich Zeit, auch die deutsche Geschichte im ehemaligen afrikanischen Kolonialgebiet aufzuarbeiten. Und sie sind zuversichtlich, dass jetzt tatsächlich Bewegung in die Sache kommt.
Rukoro: "Es wird schwierig für die deutsche Regierung, weiterhin den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass sich das Problem von allein erledigt. Sie muss auf die vernünftigen Stimmen ihrer Bürger hören und auf die legitimen, angemessenen und gut begründeten Forderungen der Ovaherero und Nama eingehen."
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