Ehebruch, Liebe und Tod

06.02.2009
Nächste Woche kommt Theodor Fontanes "Effi Briest" ins Kino. Den Roman über Ehebruch, Liebe und Tod gibt es auch als Hörbuch – in verschiedenen Fassungen. Wieder aufgelegt wurde ein klassisches Hörspiel aus dem Jahr 1974. Ganz neu erschienen sind: eine Lesung, durch Julia Jentsch, der Hauptdarstellerin des Filmes und ein Hörspiel, dem die Tonspur des Spielfilmes zugrunde liegt.
"Rate mal, wer gerade um deine Hand angehalten hat. Wer? Du weißt es nicht? Innstetten. Baron von Innstetten hat eben gerade um deine Hand angehalten. Zieh dir schnell was Ordentliches an. Na warte, bleib so, ich glaube, das gefällt ihm. Dir hat er doch auch gefallen. Schon, aber ich kenn ihn doch noch gar nicht. - Er regiert einen Landkreis. Gott, Effi! Mit 20 stehst du da, wo andere Frauen mit 40 noch nicht sind."

So klingt die Hörbuchfassung des aktuellen Kinofilmes. In Fontanes Roman geht es um Aufstieg, gesellschaftlichen Glanz und Ehre. Effi ist noch ein halbes Kind, wild und verspielt und heimlich in ihren Vetter verliebt, als sie mit dem doppelt so alten Innstetten verheiratet wird. Der ist ein früherer Verehrer ihrer Mutter und eine gute Partie. Denn der Mann hat die besten Aussichten auf eine Karriere in der Politik.

"Dass Geert älter ist als ich, das schadet nichts. Er ist so frisch, so männlich. Wenn er nur ein bisschen anders wäre… ein Mann von Charakter, ein Mann von Grundsätzen. Und ich? Ich habe keine."

Fontanes großer Roman um ein tragisches Frauenschicksal wurde gekürzt und in vollständiger Länge mehrfach eingelesen. Derzeit existieren sieben verschiedene Hörbücher auf dem Markt. Das zweifellos renommierteste stammt von Gert Westphal, dem "König der Vorleser" in Deutschland. Auf die Leinwand kommt die Geschichte um die Fesseln gesellschaftlicher Konventionen nun zum fünften Mal.

Hermine Huntgeburth zeigt Effi als moderne junge Frau. Anders als bei Fontane findet sie über Zwangsehe und "Ehrenmord" hinweg den Weg in eine eigene Zukunft. Da das begleitende Hörspiel auf der Tonspur des Films basiert, verfügt es über ausgezeichnete Sprecher wie Sebastian Koch und Juliane Köhler, vor allem aber die Hauptdarstellerin Julia Jentsch. Doch leider tritt in diesem Fall die Filmmusik allzu störend in den Vordergrund. Ganz anders bei Rudolf Noeltes großem Wurf aus dem Jahre 1974, der kein bisschen Patina angesetzt hat.
"Kannst du dir vorstellen, ich schäm mich fast es zu sagen, ich bin nicht so sehr für das, was man eine Musterehe nennt. - Das sieht dir ähnlich. Wofür bist du? - Ich bin für gleich und gleich. Natürlich auch für Zärtlichkeit und Liebe, Liebe kommt zuerst, aber gleich hinterher kommt Zerstreuung, immer was Neues. Was ich nicht aushalten kann, ist Langeweile."

Mit Raffinesse hat Noelte Fontanes Gesellschaftspanorama in vorzügliches Hörtheater übersetzt. Man merkt dabei die Spielfreude der Sprecher. Besonders Cordula Trantow brilliert in allen Tonlagen, vom ausgelassenen Mezzosopran der jungen Effi bis zum Wehmutstimbre der gebrochenen Frau. Sparsam eingesetzte Musik- und Geräuscheffekte eröffnen immer wieder neue Räume: Jeder davon bietet ein anderes Spielfeld für Einsamkeit und Düsternis. Mit der gleichen Leichtigkeit und Eleganz, mit der Fontane das Leben seiner Figuren auffächert, inszeniert Noelte die kleinen, auf tragische, aber auch groteske Pointen zusteuernden Szenen. Ein akustisches Feuerwerk entzündet er in Kessin, dem öden Ort in Hinterpommern, wo sich Effi in eine Affäre mit dem Frauenhelden Major Crampas flüchtet.

"Dieses Gefühl, ist das jetzt Liebe? Nein, das ist Freiheit. Ach, Crampas, noch mal."

Eine Überraschung ist Julia Jentsch, die Hauptdarstellerin des Films. Sie hat die gekürzte Fassung des neuen Hörbuchs eingesprochen. Ihre Stimme klingt zwar weitaus weniger weich und sonor als der Herrenbariton eines Gert Westphal.

Doch was ihr an Schmiegsamkeit fehlt, macht sie wett durch einen metallisch rauen, spröd mädchenhaften Ton. Gerade die leise Skepsis, die Ironie, die zwischen den Zeilen ruht, bringt sie damit fabelhaft zu Gehör. So erweckt sie die Sehnsüchte des Romans zu Gefühlen von heute. Aus altem Papier wird gegenwärtiges Leben.

"Innstetten war glücklicher als in Kessin, weil ihm nicht entging, dass Effi sich unbefangener und heiterer gab. Und das konnte sie, weil sie sich freier fühlte. Wohl blickte das Vergangene noch in ihr Leben hinein, aber es ängstigte sie nicht mehr … und alles, was davon noch nachzitterte, gab ihrer Haltung einen eigenen Reiz. In jeglichem, was sie tat, lag etwas Wehmütiges, wie eine Abbitte, und es hätte sie glücklich gemacht, dies alles noch deutlicher zeigen zu können. Aber das verbot sich freilich."

Rezensiert von Edelgard Abenstein

Theodor Fontane: Effi Briest
Gelesen von Julia Jentsch. Hörbuch Hamburg 2009, 4 CDs, 22,95 Euro
Hörspiel zum Film, Regie: Hermine Huntgeburth
Hörbuch Hamburg 2009, 2 CDs, 14,95 Euro
Hörspiel, Regie: Rudolf Noelte
Hörverlag München 1998/2008, 4 CDs, 10 Euro