Nordkoreanischer Künstler Kang-Hyeok

Comics über Verhöre und Hinrichtungen

Kang-Hyeok vor seinem Computer
Der Nordkoreaner Kang-Hyeok zeichnet und rappt über die Erlebnisse in seinem Heimatland. © Deutschlandradio - Johannes Nichelmann
Von Johannes Nichelmann · 18.07.2015
Kang-Hyeok ist mit zwölf Jahren aus seiner Heimat Nordkorea geflohen. Als Maler und Rapper will er inzwischen Südkorea über die Zustände im Nachbarstaat aufklären. Nun stellt er in Dresden aus.
"Also, ich heiße Kang-Hyeok. Ich bin 1986 in Nordkorea geboren und mit zwölf Jahren geflohen. Dann habe ich mich in China versteckt. Mal hier, mal dort. 2001 bin ich dann nach Südkorea eingereist. Und jetzt habe ich mein Kunststudium an der Hongik-University absolviert."
Kang-Heyok sitzt in seinem Atelier in Seoul. In einem kleinen Haus, hinter einer hohen Steinmauer. Der längliche, schmale Raum ist bis unter die Decke mit großen Bildschirmen gefüllt. Mit Kabeln und Fotoapparaten. Ein altes Ledersofa steht an der Wand. Der Künstler arbeitet momentan an einer 3D-Animation. Seine Leidenschaft aber gilt der Malerei. Er dreht den Schirm seines schwarzen Basecaps nach hinten, holt sein Smartphone heraus.
Als Neunjähriger die erste Hinrichtung gesehen
Er wischt mit dem Daumen über das Display. Abbildungen comicartiger, minimalistischer Zeichnungen. Szenen aus Nordkorea. Sie zeigen Verhöre oder traurig blickende Soldaten. Er präsentiert ein Gemälde, auf dem er den Text eines alten Liedes geschrieben hat. Über Joseon. Ein längst untergegangenes Königreich Koreas:
"Das ist ein Lied, das ich, als ich noch klein war, in Nordkorea gesungen habe. Es heißt: 'Das Lied von Joseon'. Der Text ist eigentlich sehr gut. Es ist ein Kinderlied:
'Mein wertvolles und schönes Land
Kann man so ein Land irgendwo anders in der Welt finden?
Überall Flüsse und Berge mit Gold, Silber und Schätzen...'
So ungefähr...
Als ich klein war, wurde mir das Lied eingetrichtert. Dass unser Land schön und gut wäre. Das dachte ich damals auch. Aber jetzt, nach meiner Flucht, habe ich angefangen zu spüren, das es nicht so ist."
Das nächste Bild. Er zoomt mit den Daumen näher heran:
"Dieses Bild hier werde ich in Deutschland ausstellen. Das ist auch eine Szene aus Nordkorea. Wenn es eine öffentliche Hinrichtung gibt, wird im Dorf auf einem A4-Zettel angekündigt, wer wann hingerichtet wird. Außerdem steht da, wo das stattfindet und wie alt die Person ist.
Ich hab das zum ersten Mal mit neun Jahren selbst gesehen. Das wollte ich künstlerisch ausdrücken. Deswegen habe ich all das einfach auf diese Mauer hier auf dem Bild geschrieben. Und davor steht ein Kind, ungefähr in meinem Alter von damals. Es sieht sich die Ankündigung an."
Kang-Heyok will über Musik Interesse am Nachbarn wecken
Seoul. 24 Millionen Menschen. Mega-City. Der heute 29-Jährige braucht eine Weile, um sich im Kapitalismus zu finden. Schmeißt frustriert die Schule, will Geld verdienen und erkennt dann doch, dass es gerade hier ohne Abschluss nicht weitergeht. Er will Erfolg und findet seinen Weg.
"Es gibt für uns Flüchtlinge aus Nordkorea keine Studiengebühren. Wenn ich die nicht erlassen bekommen hätte, wäre ein solches Kunststudium nicht einmal in meinen Träumen möglich gewesen. Die Hongik-University ist in Südkorea als Kunsthochschule äußerst renommiert. Die Gebühren sind sehr hoch."
Die meisten Südkoreaner, vor allem die jungen, interessieren sich nicht sonderlich für Nordkorea. Keine gute Basis für eine Wiedervereinigung - sagt Kang-Heyok. Mit seiner Kunst will er einen Teil dazu beitragen, dass Nordkoreaner von den Südkoreanern nicht vergessen werden.
Neben Malerei und 3D-Animation hat er auch die Rap-Musik für sich entdeckt, nimmt 2014 an einer Castingshow für Rapper im Fernsehen teil.
Der erste rappende Überläufer, der Klartext spricht
In einem Einspielfilm wird seine Geschichte erzählt. Seine Kunst einem großen Publikum zugänglich gemacht:
"Ich will der erste rappende Überläufer aus Nordkorea sein, der über die dortige Situation berichtet."
Sein Song handelt davon, dass seine Mutter Tuberkulose bekommen hat. Ausgebeutet beim Graben von Tunneln und bei der Herstellung von nuklearen Waffen. Und weiter: "Ich habe keine Furcht vor öffentlichen Hinrichtungen."
Betretende Blicke bei den anderen Rappern. Eine Einblendung für die TV-Zuschauer teilt mit: "Ein schockierender Songtext". Das kommt an beim südkoreanischen Publikum. Eine Runde kommt er weiter:
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich das schaffe."
Kang-Hyeok hat eine Mission. Das ist, sagt er, ist nicht mehr oder weniger als mein Beitrag zur einer möglichen Wiedervereinigung.
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