Eckhard Nagel

"Ich bin ein von Gott geliebter Mensch"

Eckhard Nagel ist ärztlicher Direktor des Uniklinikums Essen, Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth, Transplantationschirurg und Mitglied des Deutschen Ethikrates. Aufnahme vom 18.03.2012 in Köln.
Der Mediziner Eckhard Nagel © picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Eckhard Nagel im Gespräch mit Susanne Führer · 17.01.2017
Was ist der Mensch? Wo liegen die Grenzen des medizinischen Fortschritts? Diese Fragen beschäftigen Eckhard Nagel seit langem. Der Chirurg und Transplantationsmediziner muss sich nahezu täglich mit der Grenze zwischen Leben und Tod auseinandersetzen. Dabei hilft ihm auch sein Glaube.
Es sei ein wunderbares Gefühl, sagt der Mediziner Eckhard Nagel, wenn ein Organ erfolgreich transplantiert werde:
"Wenn man sieht, dass jemand, der wirklich schwerstkrank ist, auf einmal wieder ersteht, aufersteht, durch eine regulierte, eine gute Organfunktion zum Beispiel der Leber. Das ist etwas wirklich Faszinierendes."
Seit 30 Jahren ist Eckhard Nagel approbierter Arzt, als Transplantationschirurg hat er viele Leber und Nieren verpflanzt. Umgekehrt sei es eine geradezu "unerträgliche Situation", einen Menschen sterben zu sehen, weil es kein Organ für ihn gibt. Nur eine kleine Gruppe von Patienten habe eine reale Chance auf ein Transplantat. Dieses Spannungsverhältnis führe manchmal zu unerträglichen Problemen.
"Wenn Sie in ein Zimmer kommen und Sie haben dort zwei Patienten liegen, der eine hat zehn Jahre auf eine Nierentransplantation gewartet. Zehn Jahre bedeutet, dass Sie ganz viele Kompromisse in Ihrem Leben machen müssen: in aller Regel Ihren Beruf aufgeben, in der sozialen Isolation leben, Ihre Familiensituation verändert sich, Ihre gesamte Lebenssituation ist nicht mehr die, die sie vorher war. Und daneben liegt jemand, der durch einen Glücksfall schon nach drei Monaten auf der Warteliste ein Organ bekommen hat. Die Spannungen in diesem Zimmer sind unbeschreiblich."

Deutsche zu zurückhaltend in Bezug auf Organspende

Die Menschen in Deutschland sind besonders zurückhaltend, was die Organspende angeht. 2016 haben nur 857 Menschen nach ihrem Tod Organe für schwer kranke Menschen gespendet, bei rund 900.000 Sterbefällen.
"Das ist etwas, was einen zutiefst traurig macht, weil wir wissen, wenn wir 4.000 oder 4.500 von den 900.000 als Organspender hätten, könnten wir allen helfen, die ein lebensnotwendiges Organ brauchen, um weiterleben zu können."
Bei der Organspende geht es für Eckhard Nagel auch um die Frage, ob man sich als Teil einer Gemeinschaft sieht. Jeder sollte so einen Ausweis bei sich tragen, auf dem man übrigens auch ankreuzen könne, man wolle nicht spenden. - Wie würde er jemanden, der zweifelt, in drei Sätzen von der Organspende überzeugen? Eckhard Nagel muss nicht lange überlegen:
"Diese Organe werden verwesen, wenn Sie sie nicht spenden. Wenn Sie sie spenden, schenken Sie damit neues Leben. Mit jedem Organ ein neues Leben; bei Leber und zwei Nieren drei Menschen, denen Sie eine neue Perspektive schenken, obwohl Sie selber mit diesen Organen nichts mehr anfangen können."
Eckhard Nagel hat nicht nur Medizin, sondern auch Philosophie studiert und in beiden Fächern promoviert, aber als hochbegabt sieht er sich nicht. "Ich bin interessiert", meint er lapidar. Und er ist gläubiger Christ, engagierter Protestant, zweimal war Eckhard Nagel Präsident eines Kirchentages, viele Jahre Vorstand des Evangelischen Kirchentages und 15 Jahre Mitglied im Deutschen Ethikrat.

Er verlor zwei Kinder

Doch als vom Schicksal verwöhnten Mann kaum man ihn kaum betrachten, denn Eckhard Nagel und seine Frau haben zwei ihrer Kinder verloren, die als Babys an plötzlichem Kindstod starben.
Was hat ihm geholfen, diese Katastrophen zu überstehen? Zum einen die älteste Tochter, denn dann lebe man schon für ein Kind, das sei ganz wesentlich. Und eingebunden zu sein in eine Gruppe von Menschen, die einen unterstützt, nicht allein lässt, sei ein Weg, um Halt zu finden.
"Und meine Glaubensüberzeugung, nämlich tatsächlich ein von Gott geliebter Mensch zu sein, den Gott auch nicht verlassen hat in dem Moment, wo so etwas Schreckliches passiert. Da gab es immer wieder Zwiegespräche zwischen Gott und mir, in denen ich aber auch meine Vorwürfe, meine Verlassenheit, meine Traurigkeit artikulieren konnte. Und dass er trotzdem Gesprächspartner geblieben ist, dass er trotzdem mir sozusagen wieder Mut gemacht hat, und dass ich das so empfinden konnte, ist sicherlich ein wesentlicher Teil, der mich heute unverändert prägt, der mir aber damals auch eine wichtige Unterstützung und Hilfe war."
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