E-Mobilität soll neu geregelt werden

Droht Chaos auf Radwegen und Bürgersteigen?

Ein Mann fährt mit einem Elektro-Skateboard am 03.02.2016 über das Gelände der Freizeitmesse abf in Hannover (Niedersachsen).
Elektrisch mobil kann man nicht nur mit dem Auto oder Fahrrad, sondern auch mit dem Skateboard sein. © picture alliance / dpa / Holger Hollemann
Von Dieter Nürnberger · 06.02.2019
Mit einem elektrischen Skateboard oder Tretroller durch die Stadt düsen? Bisher ist das verboten. Doch das soll sich bald ändern. Während Verleihfirmen bereits in den Startlöchern stehen, warnen Kritiker vor Unfällen und chaotischen Zuständen.
Klack, klack. Es braucht nur ein paar geübte Handgriffe und schon ist das elektrische Klapprad zusammengefaltet. Übrig bleibt ein 14-Kilo schwerer, etwas unförmiger Korpus mit Rollen darunter, ideal zum Hintersichherziehen. Dieses faltbare E-Bike, wie es Neudeutsch heißt, hat bei einer 58-jährigen Berlinerin Kaufinteresse geweckt – wäre da nicht die Frage nach der Zulassung im deutschen Straßenverkehr:
"Weil in anderen Ländern – in der Schweiz, in Österreich, in den USA sowieso – sind die überall zu fahren. Da gibt es auch niemanden, der sich darüber aufregt. Ganz im Gegenteil: Ich finde es gerade für die Innenstädte richtig gut, dass man die etwas längeren Strecken, die man zu Fuß gehen müsste, dann mit so etwas überbrücken kann."

E-Scooter und elektrische Skateboards

Das Fachgeschäft "Scooterhelde" in Berlin-Schöneberg gibt es seit rund vier Jahren. Im Angebot: All das, was irgendwie elektrisch fährt. Einige Modelle ähneln einem klassischen Mofa, es gibt E-Scooter, welche dem guten alten Tretroller nachempfunden sind und auch vieles, was wohl nur äußerst sportlich zu handhaben ist – elektrische Skateboards beispielsweise. "Scooterheld" Gerard Kopczinski ist ein geduldiger Verkäufer. Er kennt die Nachfragen, er weiß, was hierzulande erlaubt ist und was nicht. Beispiel Elektrofahrrad:
"Es gibt da ja die Kategorie Pedelec mit Antriebsmotor, bis 25 Stundenkilometer sind sie frei zugelassen. Dieses Modell hier ist aber nicht frei zugelassen, weil es einen Vollantrieb hat. Soll heißen, man muss nichts machen, sondern es fährt rein elektronisch. Und somit ist dieses Modell aktuell nicht zugelassen."

Einfache Regeln statt Bürokratie

Das klingt nicht nur für potenzielle Käufer bürokratisch und kompliziert. Auch die Politik will es ändern. Denn E-Mobilität soll ja künftig – allein aus Klimaschutzgründen – eine immer größere Rolle spielen. Weshalb das zuständige Bundesverkehrsministerium eine "Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge" plant.
Ein erster Entwurf wurde vor zwei Monaten präsentiert. Doch die Reaktionen waren gedämpft. Nicht nur, weil beispielsweise Elektro-Skateboards ausgeblendet wurden, sondern auch, weil vieles weiterhin unklar blieb. Sollen die Nutzer einen Helm tragen, braucht es ein Nummernschild oder gar eine Versicherungsplakette, soll ein Blinker generell vorgeschrieben werden? Positiv ist sicherlich, dass dieser neue Verkehr endlich geregelt werden soll, sagt Kurt Sigl, der Präsident des Bundesverbandes E-Mobilität. Doch bitte nicht mit einer überregulierten Verordnung:
"Nein, beim besten Willen nicht. Das muss definitiv nicht sein. Von vornherein ein Buch aufzustellen mit hunderttausend Regelungen, die am Schluss keiner versteht. Das Thema wird so eher kaputtgemacht wird. Wir brauchen diese Mikromobilität im urbanen Raum, um die Verkehre zu entlassen."

In vielen Großstädten wird es immer enger

Noch ist nichts entschieden. Das Verkehrsministerium hat nun eine geänderte Version für das Frühjahr in Aussicht gestellt. Und ein Detail wird derzeit besonders heftig diskutiert. Die Frage: Wo sollen die elektrischen Gefährten unterschiedlichster Bauweise denn künftig fahren oder rollen dürfen? Auf der Straße? Auf dem Fahrradweg? Ist der Bürgersteig tabu?
Vor allem in vielen Großstädten wird es immer enger. Die Bevölkerung wächst, der Verkehr nimmt zu. Es ist ein Verteilungskampf, sagt Stephanie Krone, Sprecherin des ADFC, des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs. Die neue Elektromobilität wird hier grundsätzlich positiv gesehen, allerdings:
"Was passieren wird ist, dass die Menschen, weil sie sich auf den Radwegen nicht sicher fühlen, auf dem Fußweg fahren werden. Das wird einfach das Dilemma sein. Und das wollen wir auch nicht. Wir wollen, dass der Autoverkehr Platz abgibt, damit die anderen Verkehrsmittel Platz bekommen können."

Weniger Lärm, weniger Sicherheit?

Das Schöne an der Elektromobilität ist, sie verursacht kaum Verkehrslärm, allenfalls ein paar Rollgeräusche. Die größeren E-Scooter haben zumindest eine Hupe. Doch je kleiner das E-Mobil, desto unwahrscheinlicher ist auch ein solches Sicherheitsmodul. Sollen jene, die auf einem elektrischen Skateboard daherkommen, künftig eine Klingel in der Hand haben?
Ein rollendes Chaos befürchtet auch Fuss e.V., der Fachverband für den Fußverkehr in Deutschland. Fußgänger haben ohnehin kaum eine Lobby in diesem Land, sagt Sprecher Roland Stimpel. Müssen sie sich nach einer Verabschiedung der Verordnung mehr sorgen denn je um ihr Terrain machen? Stimpel lehnt besonders elektrische Tretroller und Skateboards auf Gehwegen ab.
"Wenn jemand meint, er muss mit einem solchen Gerät spielen, dann kann es dafür spezielle Spielplätze geben. Es wird ja auch nicht auf der Fahrbahn oder den Gehwegen gebolzt, dafür gibt es Bolzplätze. Da muss man nicht Menschen, die unterwegs sind, gefährden und belästigen. Dann muss man diesen Raum eben schaffen."

E-Mobilität in anderen Ländern

Gegenwind also für so manches elektrische Gefährt. In einigen Ländern sei man da viel weiter, klagt der Bundesverband E-Mobilität, der hofft, dass künftig möglichst viele Modelle erlaubt sein werden. Und mit ein wenig Toleranz zwischen den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern, sei das befürchtete Chaos auch nicht zwangsläufig, so Präsident Kurt Sigl.
"Selbst im Baltikum oder in Wien, sieht man die Dinge nicht ganz so eng, wie bei uns. Und lässt die Experimentierräume zu. Dort wird es einfach gemacht. Und wenn dann irgendwas nicht ganz so funktioniert, kann man ja immer noch nachjustieren. Aber im Großen und Ganzen gibt es da ganz wenige Probleme."
Allerdings schreiben inzwischen längst auch einige Medien über Probleme anderswo. In Kalifornien beispielsweise werden Kommunen inzwischen von elektrischen Tretrollern regelrecht überschwemmt, besonders von Verleihfirmen. Elektrische Tretroller sind vor allem bei Touristen beliebt.

Verleihfirmen stehen in den Startlöchern

So ganz ohne Probleme sieht auch Gerard Kopczinski den künftigen Markt nicht. Fachgeschäfte wie die Scooterhelden in Berlin gibt es inzwischen in jeder größeren Stadt. Und die Geschäfte laufen immer besser: Dass Verleihfirmen, Start-ups aus der sogenannten Sharing-Szene, auch in Deutschland nur noch auf die Umsetzung der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung warten, weiß er.
"Klar gibt es dann Leute oder Kids, die leihen sich das und spielen damit wilde Sau. Ich sehe es aber persönlich so, dass wir hier auf Privatkunden gehen sollten. Diese Privatkunden, die dann damit unterwegs sind, werden ordentlicher fahren und ihr Fahrzeug auch besser behandeln. Es ist ja dann ihr eigenes Fahrzeug. Nicht nur ein Sharingmodell-Fahrzeug."

"Es wird definitiv ein Millionenmarkt werden"

Die schöne neue Welt der Elektromobilität. Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung soll ab dem Frühjahr Klarheit bringen: Wer wird wie und wo rollen dürfen? Deutschland dürfe bei dieser Frage den Anschluss nicht verlieren, hofft zumindest Präsident Kurt Sigl vom Bundesverband der E-Mobilität:
"Die jungen Leute wollen flexibel und mobil unterwegs sein. Das ist auch hipp und in. Es wird definitiv ein Millionenmarkt werden, nicht nur die Summen betreffend, auch die Fahrzeuge betreffend. Es geht alles schneller als wir vermutlich glauben."
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