Durchkonstruierter Geschlechterkampf

11.03.2009
Michal Stavaric gilt als experimentierfreudiger Schriftsteller. So geht es ihm in seinem Roman "Böse Spiele" weniger um durchgängige Handlung als um ein Spiel mit Sprachbildern, Versatzstücken und Klischees. Die vier Hauptfiguren sind in das sattsam bekannte Spiel von Begehren, Sex, Hingabe und Entzug verstrickt, das schließlich in einen zerstörerischen Kampf mündet.
Alle glücklichen Lieben ähneln einander. Jede unglückliche aber ist auf ihre eigene Weise unglücklich. So könnte man den ersten Satz von Tolstois großem Ehebruchsroman "Anna Karenina" abwandeln und hätte damit das ewige Thema nicht nur der zeitgenössischen Literatur beschrieben. Gut erzählt, werden Geschichten, die einem längst bekannt vorkommen, zu Geschichten, wie man sie nie zuvor gelesen hat. Zum Beispiel die über einen Mann, der eine Frau liebt, die mit einem anderen Mann zusammenlebt, von dem sie auch ein Kind hat, was sie aber nicht daran hindert, den anderen weiter zu sehen, weil die beiden nicht voneinander loskommen.

Soweit die gewohnte Dreierkonstellation. Michael Stavaric erweitert sie um eine zweite Frau, die gleichfalls den Ich-Erzähler liebt. Alle vier verstricken sich in das Spiel von Begehren, Sex, Hingabe und Entzug, bis das Geschehen in einen Kampf ausartet, der in seiner Zerstörungswut alles und alle auslöscht. Ein geradezu mythisches Schlachtenszenario wird als höchst eigenwillige Metapher für den zeitlosen Geschlechterkampf eingesetzt.

Der im tschechischen Brno geborene 37-jährige Autor hat bisher in schneller Folge drei Romane geschrieben, "Stillborn (2006)", "Terminifera"(2007), "Magma"(2008). Stavaric geht der Ruf eines experimentierfreudigen Schriftstellers voraus. Immer wieder reizt er die Grenzen des Erzählerischen aus. Es geht ihm weniger um eine durchgängige Handlung als vielmehr um die Frage des Wie, um die Sprache und den Schreibstil. So auch in "Böse Spiele".

Von Anfang an bedient er sich verschiedenster Bruchstücke aus der Mythologie, der Bibel, der mittelalterlichen Mystik, aus Alltagssituationen und der Literatur. Dabei schiebt sich vielfach ein Pathos in den Vordergrund, das das Drama eindrucksvoll instrumentiert. Viel Urgewalt, wie man sie aus der Ilias oder der Penthesilea-Sage kennt, ist im Spiel. Bilder von archaischer Wucht stehen unvermittelt neben zarten lyrischen Impressionen.

Das Geschehen zerfällt durchweg in Episoden und traumartige Sequenzen, ohne ein Vor- und Nachher. Es gibt keine Begründungen. Die Figuren agieren nicht wie reale Personen, sie durchlaufen keine Entwicklung. Es sind Typen wie in einem Stationendrama, mit denen ganz bewusst und provokativ Klischees bedient und befragt werden: Die eine Frau ist ein weibchenhaftes Wesen, Hausfrau und reizbare Domina, die andere eine Abenteurerin, die in der Antarktis gegen Bären kämpft und wie Penelope auf die Rückkehr des Odysseus geduldig darauf wartet, dass der Mann sich endlich für sie entscheide.

Dazwischen durchzieht sardonisch ein vielfach variiertes Leitmotiv den Roman: "Sie trägt ihr Herz links, und ich trage es viel zu weit oben, zu nahe am Kopf, es schnürt mir den Hals zu".

Der Roman ist sehr ambitioniert konstruiert: Er ist durchgängig in indirekter Rede gehalten. Seitenweise hängen ganze Passagen wie lange Satzfahnen von schmalen rhetorischen Fragen herab, die stets heißen: "Ob sie weiß, dass ... " oder "Ob ich weiß, dass ... " Das allerdings wird leider ganz schnell zur stilistischen Masche.

Auch wenn "Böse Spiele" nicht in Gänze gelungen ist, so verleiht der Roman dem uralten Thema des Geschlechterkampfs doch einen überraschend hörens- und lesenswerten neuen Ton.

Rezensiert von Edelgard Abenstein

Michael Stavaric: Böse Spiele
C.H. Beck Verlag, München 2009
155 Seiten, 16,90 EUR