Duisburger Hafen

Boom dank milliardenschwerem Seidenstraßen-Projekt

12:15 Minuten
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping (Mitte) steht am 29.03.2014 in Duisburg zwischen Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Erich Staake, Geschäftsführer des Duisburger Hafens Logport (l-r) vor dem gerade eingefahrenen Yuxinou-Zug.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping (M) besucht 2014 den Duisburger Hafen, um das Seidenstraßen-Projekt vorzustellen. © dpa / picture-alliance / Bernd Thissen
Von Vivien Leue · 20.06.2019
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Jahrelang stand Duisburg für den industriellen Niedergang des Ruhrgebiets. Doch seitdem eine 12.000 Kilometer lange Schienenverbindung Europas größten Binnenhafen mit China verbindet, boomt die Wirtschaft. Wächst damit auch der politische Einfluss Chinas?
Hafenmeister Detlef Bours steht hinter dem Steuerpult seines Schubbootes. Lässig manövriert er das Boot vorbei an großen Tank- und Containerschiffen, Verladestationen und Werft-Anlegern.
"Ich fahre jetzt hinten erstmal in den Südhafen rein, da ist die Containerverladung, und dann arbeiten wir uns von da in den Ruhrorter Bereich", sagt Bours. Seit fast 20 Jahren ist er Kapitän, seit mehr als zehn Jahren arbeitet er im Auftrag der Duisburger Hafenbehörde.
"Wir fahren eigentlich mit dem Boot Streife: Wir kontrollieren die Hafenbecken, kontrollieren, ob die Schiffe der Bestand sind, den wir erfasst haben, ob Schiffe, die Gefahrgut geladen haben, auch da liegen, wo sie dürfen, achten aber auch darauf, ob Kaimauern begehbar sind, ob Unrat rumliegt. Man hat also die Augen eigentlich überall."
Der Duisburger Hafen ist der größte Binnenhafen Europas: Mehr als 20.000 Schiffe schlagen hier pro Jahr ihre Waren um. Früher waren das noch vor allem Kohle und Erz, mittlerweile sind es vorrangig Schrott, Stahlwaren – und Container mit Gütern aus aller Welt.

Direkte Zugverbindung nach China

"Natürlich haben wir auch Massengüter wie Kohle und Erz, auch Flüssiggüter wie Gas, Öl, Benzin, Propangas. Aber Container sind inzwischen eigentlich das Umschlagsgut schlechthin hier in Duisburg", sagt Bours.
Viele dieser Container kommen mittlerweile aus China, denn: "Wir haben sogar eine regelmäßige Schienenverbindung nach China." Seit 2011 gibt es diese Direktverbindung zwischen der chinesischen Millionenmetropole Chongqing und Duisburg. Pro Woche fahren mehr als 35 Züge hin- und her.
"Wir sind hier auf dem DIT-Gelände, also Duisburg Intermodal Terminal", sagt Amelie Erxleben. Sie steht an einer Kaimauer inmitten des Duisburger Hafens. "Wir sind ein trimodales Terminal, das bedeutet LKWs kommen hier an, Binnenschiffe und die Züge."
Die Züge haben den Schiffen im Hafen mittlerweile – zumindest rein zahlenmäßig – den Rang abgelaufen. 25.000 kamen im vergangenen Jahr hier an, viele davon im DIT. Die Züge aus China haben dabei in den letzten Jahren besonders viel Aufmerksamkeit bekommen. Denn die 12.000 Kilometer lange Schienenverbindung ist Teil des bombastischen Seidenstraßen-Projekts Chinas.
Ein geschmückter chinesischer Güterzug verlässt die Stadt Weihai, um nach Deutschland, in den Hafen von Duisburg zu fahren.
Ein Güterzug verlässt die chinesische Stadt Weihai, um in den Hafen von Duisburg zu fahren. © dpa / picture alliance/ Tang Ke / Zuma Press
"2011 da fuhr der erste Zug zu uns. 2013 hat Xi Jinping die neue Seidenstraße verkündet und seit 2014 haben wir einen extremen Boom."
Die Seidenstraße – oder wie sie international genannt wird "One Belt, One Road" – ist ein Mega-Projekt. Weltweit baut China ein Netz an Häfen, Eisenbahnlinien und Transportwegen auf, um Absatzmärkte zu erschließen und abzusichern. Die Verbindungen gehen nach Afrika, Südasien, den Nahen Osten und eben Europa.
"Unser Hauptklient ist die Plattform in Chongqing, das ist die größte Stadt der Welt", sagt Amelie Erxleben. Sie ist im Duisburg Intermodal Terminal für die China-Verbindung zuständig. "Von Chongqing aus fährt er erst nach Kasachstan, durch Kasachstan durch, durch Russland, Weißrussland und dann kommt er an der EU-Grenze in Polen an. Von dort fährt der Zug dann direkt zu uns."
Geladen hat er alles, was der Westen braucht: Elektronik, Textilien, Spielzeug.
"Unser Kunde aus Chongqing hat fünf Minuten von uns ein Warenhaus mit Büros. Und es ist auch gut, dass die vor Ort sind, so kann man sich auch ohne Zeitverschiebung schnell erreichen."

Drehscheibe für Mittel- und Nordeuropa

Von hier aus werden die Waren nach ganz Mittel- und Nordeuropa geschickt.
"Es ist natürlich ein großes Ungleichgewicht, wie auch auf See, das bedeutet mehr Waren kommen hier an, als exportiert werden."
Allein daran zeigt sich wohl, warum es sich für China lohnt, Milliarden in das Mega-Projekt Seidenstraße zu investieren. Zwar wird das Land nicht müde zu betonen, dass die neu gebauten Handelswege für alle Beteiligten Vorteile bringen. Kritiker sehen das aber anders: Für sie ist die Seidenstraße kein multilaterales, sondern ein rein chinesisch-dominiertes Projekt. Denn – das müsse allen Beteiligten klar sein – die Staats- und Parteiführung in Peking habe stets das letzte Wort.

"Ein Mittel, den internationalen Einfluss Chinas auszubauen"

Die Seidenstraße, sie ist nicht nur ein Wirtschaftsprojekt, sondern wichtiger Bestandteil der chinesischen Außenpolitik, sagte auch Zhu Ning, Finanzwissenschaftler von der Tsinghua-Universität in Peking, jüngst im Deutschlandradio:
"Es gibt drei Aspekte. Zum einen geht es um Wirtschaft und Handel, also um mehr Investitionen und um wirtschaftliche Verflechtung. Zum anderen geht es um Infrastruktur. Es gibt viele Länder, die das dringend benötigen, die aber weder Ressourcen noch Expertise dafür haben. Und natürlich gibt es auch geopolitische und strategische Interessen. China wird damit das Regelwerk des globalen Handelns verändern. Die Neue Seidenstraße ist ein Mittel, den internationalen Einfluss Chinas auszubauen."

Macht sich das auch in Duisburg bemerkbar? Im Rathaus der Ruhrgebiets-Stadt beschäftigt sich Johannes Pflug mit diesen Fragen. Pflug ist ehemaliger Bundestags-Abgeordneter, China-Kenner und gebürtiger Duisburger: "Ich bin der offizielle China-Beauftragte der Stadt Duisburg und des Oberbürgermeisters."
Aus seinem Büro blickt der 73-Jährige auf die Innenstadt, die geprägt ist von schmucklosen Nachkriegsbauten. Einst war Duisburg eine stolze Stahlhochburg, doch mit dem Niedergang des Thyssen-Krupp-Werks Ende der Achtziger Jahre begannen schwierige Zeiten. Strukturwandel war fortan das große Thema – seit Jahren liegt die Arbeitslosigkeit rund um 13 Prozent. Allerdings ist sie zuletzt gesunken, auf etwas über 10 Prozent. Das könnte auch am Seidenstraßen-Engagement des Hafens liegen, meint Pflug: "Die China-Aktivitäten haben unglaublich zugenommen, seit der erste Zug angekommen ist."
Eine Luftaufnahme des Duisburger Hafens zeigt zahlreiche Container, Kräne, den Hafen und den Bahnhof, an dem die Güterzüge halten. 
25.000 Züge kamen 2018 im Duisburger Hafen an. Damit haben Züge den Schiffen mittlerweile – zumindest zahlenmäßig – den Rang abgelaufen. © imago stock&people / Hans Blossey

Wieviel Einfluss haben chinesische Firmen?

100 chinesische Unternehmen gebe es mittlerweile in der Stadt, doppelt so viele wie vor dem ersten Zug. "Wir sehen, dass ein Spill Over stattfindet, vom Hafen in die Stadt hinein. Es gibt chinesische Unternehmen, die sich interessieren für die Stadt", sagt Pflug.
Noch kommen chinesische Firmen, wenn sie sich in Duisburg niederlassen, häufig mit eigenen Mitarbeitern an. Aber auch sie bringen der Stadt Vorteile: die Neu-Zugezogenen brauchen Wohnraum, zahlen Steuern, leben in der Stadt.
Also gibt es doch nur Profiteure – und kaum Risiken? Wie sieht es aus, mit dem Einfluss Chinas auf strategische Entscheidungen der Stadt und des Hafens? "Ich war Außen- und Sicherheitspolitiker und ich wäre natürlich verrückt, wenn ich das ignorieren würde", erklärt Pflug. "Nur um es deutlich zu sagen: Hier in Duisburg gibt es keinerlei Bindungen."
Vor allem keinerlei Verschuldung gegenüber den Chinesen. Denn das ist die Gefahr, die in vielen anderen Regionen, zum Beispiel in Südeuropa besteht.
"Man soll schon ein waches Auge darauf haben, völlig klar. Also man darf nicht naiv sein und sich vor allen Dingen auf keine Verschuldungspolitik mit den Chinesen einlassen."

China investiert auch in andere europäische Länder

In Italien, Griechenland oder Ungarn gibt es ebenfalls enge Wirtschaftsbeziehungen zu China. Dort werden unter anderem auch Häfen ausgebaut, damit sie als Teil der Seidenstraße Verbindungen nach Südeuropa bereitstellen. Diese Investitionen sollen allerdings zum Teil von chinesisch kontrollierten Banken kreditfinanziert sein. Dass zum Beispiel Griechenland oder Ungarn EU-Initiativen zur Kritik an Menschenrechtsverletzungen Chinas verhindert haben, lädt zumindest zu Spekulationen ein, ob mit den Wirtschaftsbeziehungen nicht doch auch eine politische Einflussnahme einher geht.
Duisburgs Hafenchef Erich Staake reagiert mittlerweile leicht genervt, wenn er mit solchen Beispielen konfrontiert wird. Die Verbindung seines Hafens zu China sei damit nicht vergleichbar. Die Duisport AG gehört zu zwei Dritteln dem Land NRW und zu einem Drittel der Stadt Duisburg. Es gebe keine Abhängigkeiten.

"Es ist immer sehr wichtig, dass man ein klares Konzept hat"

"Meine bisherigen Erfahrungen sind, dass unser Knowhow sehr gefragt ist, wir auf Augenhöhe auch mit aller Fairness operieren", sagt Erich Staake. Seit mehr als 20 Jahren ist er der Chef des Duisburger Hafens – er hat die Entwicklung des Standorts maßgeblich mit beeinflusst und auch die Verbindung zu China mit aufgebaut. "Es ist immer sehr wichtig, dass man ein klares Konzept hat, eine eigene klare Vorstellung hat, was erwartet man."
Er habe das bei Verhandlungen mit chinesischen Partnern immer gehabt. Europa aber scheine das zu fehlen.
"Das ist sehr, sehr traurig. Gerade jetzt bräuchte Europa eine geschlossene, überzeugende Konzeption. Wenn die Chinesen nicht zulassen, dass europäische Unternehmen mehrheitliche Beteiligungen in China eingehen können, dann ist es doch absolut gerechtfertigt, sowas auch in Europa einzufordern."
Es habe aber allein sieben Jahre gedauert, dieses Thema in Europa zu diskutieren.
"Man doktert da rum, es gibt keine Antwort. Jetzt bedauert man wieder einen Alleingang von Italien. Ja, man kann viel bedauern, aber man muss einen Gegenentwurf haben, das ist der entscheidende Punkt. Nur das akzeptieren Weltmächte."

Hafen-Chef will Geschäfte mit China ausbauen

Es scheint, als habe Staake das nötige Selbstbewusstsein und einen klaren Plan, um den Chinesen – auch ohne europäischen Rückhalt – entgegenzutreten und dafür zu sorgen, dass Duisburg tatsächlich von der Seidenstraße ausreichend profitiert. Die China-Verbindung soll nach dem Willen des Hafen-Chefs in den kommenden Jahren sogar noch ausgebaut werden.
"Heute ist der Anteil bezogen auf unseren Gesamtumschlag noch überschaubar. Drei, vier Prozent. Aber es stellt das wichtigste Wachstumssegment in diesem Geschäftsfeld für Duisburg dar. Und deswegen unternehmen wir große Anstrengungen das auch weiterzuentwickeln."
So will die Duisport AG mit dazu beitragen, dass die Strecke noch schneller gemacht wird: Zehn Tage Fahrzeit von China bis nach Duisburg, das ist das Ziel.
"Wenn uns das gelingt, dann wird das für die drei-, vier-, fünffache Anzahl von deutschen Verladern und auch europäischen Verladern interessant werden, dass als eine Alternative zur sehr teuren Luftfracht auch in Anspruch zu nehmen."

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