Düstere Vision von Hellas

13.09.2013
Mit "Abrechnung" hat der griechische Krimi-Autor Petros Markaris einen hoch politischen, wütenden wie komischen Roman geschrieben. Damit schließt er seine "Trilogie der Krise" ab. In dem temporeichen Buch beschreibt er eine griechische Gesellschaft am Abgrund und führt die Drachme wieder ein.
"Abrechnung" ist der Abschluss von Petros Markaris "Trilogie der Krise". Im ersten Teil "Faule Kredite" werden gleich mehrere Banker geköpft. Im Folgeband "Zahltag" zieht ein selbsternannter "nationaler Steuereintreiber" korrupte Politiker und reiche Steuerhinterzieher zur Verantwortung. Im letzten Teil geht es nun der "Generation Polytechnikum" an den Kragen. Das sind die Kommunisten, die vor 40 Jahren die Athener Uni besetzten, der Militärdiktatur damit einen schweren Schlag versetzten und von denen einige, statt ein gerechteres Griechenland aufzubauen, ihre eigenen Pfründe ausbauten. So stellt es zumindest Petros Markaris dar.

Für deutsche Leser ist vor allem interessant, wie Markaris Griechenland in der Schuldenkrise beschreibt. Denn "Abrechnung" ist ein hoch politisches Buch, auch wenn Markaris kein Pamphlet geschrieben hat. Sein auf Griechisch bereits 2012 erschienener Roman setzt vielmehr die Krisen-Psychologie fort: Markaris interessiert, wie es den sogenannten "kleinen Leuten" ergeht, die die Krise zuerst und am härtesten getroffen hat. Und er entwirft eine düstere Vision seines Heimatlandes: Der Roman spielt in der nahen Zukunft, Anfang 2014 – und gerade wird die Drachme wieder eingeführt.

All diese Krisenerscheinungen bilden den Rahmen für den eigentlichen Kriminalfall: Drei frühere Linke, die nach dem Sturz der Militärjunta (einfluss-)reich geworden sind, werden nacheinander auf dieselbe Weise ermordet. Kommissar Charitos ermittelt in alle Richtungen: Rächt sich einer der alten Weggefährten, der zu kurz gekommen ist? Sind es rechte Terroranschläge, die früheren Kommunisten gelten? Oder drehen die Jungen den Alten jetzt wortwörtlich den Hals um? Die Auflösung ist eigentlich gar nicht mehr wichtig, denn es stellt sich heraus, dass die ganze griechische Gesellschaft Gründe hat, den Ermordeten an den Kragen zu wollen. Die "Generation Polytechnikum" hat durch Korruption und Vetternwirtschaft das Land dahin gebracht, wo es heute ist: an den Rand des Bankrotts.

Der Roman ist aber nicht nur die "Abrechnung" des Titels, sondern er entfaltet vor allem ein Panorama der griechischen Gesellschaft am Abgrund. Markaris hat eine einfache, dialogische Sprache gewählt, er bleibt auch sprachlich ganz nah bei seinen Figuren. Und der Autor hat zum Glück (bisher) seinen Humor nicht verloren - sein Roman ist mal wütend, mal melancholisch, mal komisch. Den Kriminalfall treibt Markaris bei allem Sozialkolorit mit hohem Tempo weiter voran.

Und Markaris, der gerade für seine Vermittlung im deutsch-griechischen Verhältnis mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet wurde, hat sich auch noch die Mühe gemacht, einen sympathischen Deutschen einzubauen. Er heißt – ja wirklich! - Uli, ist der neue Freund einer Arbeitskollegin von Markaris Tochter und baut in Athen ein gemeinnütziges Internetradio auf mit dem schönen Namen "Radio Hoffnung". Die braucht es auch, denn für Markaris ist Griechenland, so schreibt er, nur noch ein "trauriger Überrest längst verblichener Großtaten".

Besprochen von Dina Netz

Petros Markaris: Abrechnung. Ein Fall für Kostas Charitos
Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger
Diogenes Verlag, Zürich 2013
336 Seiten, 22,90 Euro
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