Aus den Feuilletons

"Warm wie frischer Marmorkuchen"

Der US-Schauspieler James Garner im Jahr 1986.
US-Schauspieler James Garner im Jahr 1986. © dpa/ picture alliance / Bert Reisfeld
Von Tobias Wenzel · 20.07.2014
"Schlau wie ein erfolgreicher Steuerrechtler", so blickt die FAZ auf den verstorbenen Schauspieler James Garner zurück. Andere Zeitungen verreissen Dieter Wedels Inszenierung bei den Wormser Nibelungenfestspielen.
"Was war schlecht in der vergangenen Woche?", fragt die TAZ Friedrich Küppersbusch. Und der antwortet:
"Meine Neigung, Sonnenmilch nachträglich aufzutragen."
Es irrt allerdings, wer daraus schließt, Küppersbusch sei unpolitisch geworden. Zum Telefonat zwischen Merkel und Obama über "Geheimdienstkooperationen", und das nach der Enttarnung zweier US-Spione in Deutschland, sagt Küppersbusch:
"Würde Deutschland das sechste der 'Five Eyes', wären die USA am Ziel und alle ihre Bürgerrechtsvergehen im Hirnumdrehen Wohltaten für die Partner. Die US-Logik: Wenn ihr euch selbst ausspioniert und uns das liefert, müssen wir es nicht mehr selbst tun. Merkel hat angedeutet, dass sie nichts Grundsätzliches gegen Ausspitzelung hat, wenn sie ordentlich gemacht ist."
Abonniert auf schräge Typen
"Er hatte die charmantesten Augenbrauen Hollywoods. Niemand konnte sie so anmutig heben, um Arglosigkeit vorzutäuschen, oder sie so entschieden zusammenziehen angesichts der Anrempelungen des Schicksals", schwärmt Gerhard Midding in der WELT über den verstorbenen Schauspieler James Garner, der 1928 als Sohn eines Teppichverlegers in Oklahoma geboren wurde.
Auch Dietmar Dath von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG hat offensichtlich viele Garner-Rollen gesehen und geschätzt, nicht nur die des Spielers Bret Maverick und des Detektivs Jim Rockford:
"Charakterfest wie ein Felsen, schlau wie ein erfolgreicher Steuerrechtler, dabei stets warm wie frischer Marmorkuchen: Typen wie die, denen James Garner sein Gesicht lieh, werden auf absehbare Zeit wohl nicht mehr hergestellt".
Erol Sander hätte gleich sein Winnetou-Kostüm anlassen können
Und noch ein Abschied beschäftigt fast alle Feuilletons: Nach dreizehn Jahren hört Dieter Wedel als Intendant der Wormser Nibelungenfestspiele auf. Mit "Kriemhilds Rache" nach Friedrich Hebbel verabschiedet er sich. Die Stadt Worms dankt mit der Ausstellung "Dinner für Dieter", in der auch "die Sonnenbrille des Meisters und seine Pausen-Snacks (Garnelen, Nüsse, Pralinen)" zu sehen sind, berichtet Martin Halter in der FAZ. Da ahnt man schon, dass er, der Kritiker, Dieter Wedel nicht nur mit Blumen verabschiedet. Einige Darsteller seien unglaubwürdig:
"Das kommt davon, wenn man vor allem auf Schauspieler aus Krimiserien und öffentlich-rechtlichen Seifenopern baut. Götelinde Elisabeth Lanz kennt man vor allem als Tierärztin Dr. Mertens, Spielmann Volker alias Markus Majakowski aus der Telekom-Werbung und als knuddeligen Schneewittchen-Zwerg, Etzels Schamanin als Lottofee."
"Den ärgerlichsten Part hat Erol Sander als Etzel", findet Eckhard Fuhr in der WELT.
"Er hätte gleich sein Bad Segeberger Winnetou-Kostüm anlassen können, so dick trägt er den edlen Wilden auf".
Auch Helmut Schödel bescheinigt Sander, der im Fernsehen einen türkischen Kommissar spielt, nur in einem Punkt eine gute Leistung bei den Nibelungenfestspielen: Er könne gut reiten. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG schreibt Schödel über das "Gemetzel bei Etzel":
"Das hat was, wenn auch was von den Karl-May-Festspielen, aber so ist das Sommertheater, eben nur Quasitheater."
"Der Völkermord wird zur Marzipantorte"
Ein unappetitliches und moralisch verkommenes Schmierentheater präsentiert Hannes Stein angewidert in der WELT. Er zitiert aus drei neuen Romanen US-amerikanischer Autoren, die alle den Holocaust als Kulisse nutzen:
"Lilka brachte einen kleinen Schokoladenkuchen. Ist es der, den ich mag?, fragte er. Sie nickte. Mit Marzipan? Seine Augen leuchteten."
Dieser Auszug aus dem Roman "Der Zug nach Warschau" von Gwen Edelman macht Hannes Stein regelrecht wütend: "Der Völkermord wird zur Marzipantorte", schreibt er über das belletristische Buch, in dem Jascha und Lilka sich im Warschauer Ghetto kennenlernen und verlieben:
"Vom Mord an den Juden wird gerade so viel Furchtbares erzählt, dass die darauf folgenden Bettszenen umso heißer werden."
Holo-Kitsch nennt Hannes Stein das und gebraucht damit einen Begriff von Art Spiegelman. US-amerikanische Schriftsteller missbrauchten den ernsten Stoff für kommerzielle Liebesgeschichten:
"Der Holocaust als erotischer Brandbeschleuniger."
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