"Du musst det lieben einfach, ja."

Von Gerrit Stratmann · 19.06.2006
Vor einem Jahr wurde aus dem größten Kinder- und Jugendtheater Deutschlands, dem "Carrousel-Theater" in Berlin, das "Theater an der Parkaue". Die neue Intendanz startete nicht nur mit einem neuen Namen in die Spielzeit, sondern auch mit einem Reigen neuer Stücke und mit neuen Regisseuren. Einer von ihnen ist Milan Peschel, der an dem Theater seine erste Regiearbeit abliefert.
Probe: "So, jetzt ma, wo warn wir denn jestern, wo ham wir aufgehört jestern? Wat warn da? - Ich lag in der Suppe und er hat hier rumgealbert. Song. Ja. Wo bistn du da, Katrin?"

Milan Peschel während der Proben für das Kindermärchen "Der Fischer und seine Frau", zwei Wochen vor der Premiere. In Jeans und Strickpulli steht der 1,70 Meter große Schauspieler in den behelfsmäßigen Kulissen und feilt mit seiner Gruppe am Ablauf seiner ersten Inszenierung. Zwar hat er schon andere Stücke mit Schauspielschülern inszeniert, aber das Märchen ist seine erste offizielle Regie an einem öffentlichen Theater. Eine Gelegenheit, die Milan Peschel umso lieber wahrgenommen hat, als sie ihn an das Theater führt, das er noch aus seiner Jugend kennt. Aufgewachsen in Ostberlin, ist er seiner Heimatstadt bis heute treu verbunden.

"Ick liebe Berlin sehr, ick mag auch bestimmte Gegenden in Deutschland sehr gern, verreise auch jerne, aber muss och nich sein, also zieht mich nich so extrem in die Welt. Gibt schon Gegenden, die ich gerne sehen würde, aber wenn ich mich entscheiden müsste zwischen, weiß nich, nem richtig guten Abend mit guten Freunden und ner weiten Reise, würde ich mich immer für den guten Abend mit guten Freunden entscheiden."

Mit seinem lichten Vollbart und einem Kaffeebecher in der Hand wirkt Milan Peschel ein wenig so, als hätte er gerade gestern erst wieder so einen guten, langen Abend mit Freunden verlebt. Der Ort, an dem der Enddreißiger den bisher größten Teil seiner Lebenszeit verbracht hat, ist unzweifelhaft das Theater. Mit einer Lehre zum Theatertischler kommt er schon früh zur Volksbühne, an der er danach mehrere Jahre als Bühnentechniker arbeitet. Anschließend bewirbt er sich an der Schauspielschule, bekommt im ersten Anlauf einen Platz und kehrt später als Schauspieler zur Volksbühne zurück. Was ihn gereizt hat, diesen Weg vom Handwerk zur Schauspielerei zu gehen, kann er heute kaum noch sagen.

"Ick wollte dat halt. Ende. Keine Ahnung. Ick hab mir damals keinen Kopp darum gemacht wat der Reiz is, mir hats gefallen, hat's Spaß gemacht vor Leuten zu stehen, ein Gedicht aufzusagen oder so. Das is wahrscheinlich schon der ganze Reiz."

Die Volksbühne ist das Theater, mit dem Milan Peschel am engsten verbunden ist. Zwar hat er auch zwei Jahre in kleinen Theatern in Senftenberg und Potsdam gespielt, und dort auch die Gelegenheit bekommen, die Rolle des Hamlet zu übernehmen. Aber es ist vor allem das Theater von Frank Castorf, das Milan Peschel als Schauspieler geformt hat.

"Also ich mag die Art, wie dort mit Wirklichkeit umgegangen wird, wie mit Theater umgegangen wird, wie beides zusammengebracht wird. Dat, wat mich wirklich so jeprägt hat und wat och jetzt die Art zu inszenieren beeinflusst, die Art, wie ick immer spiele, egal bei wem, ick hab ne Sicht auf die Sachen, wie ick rangehe, wie ick'n Text sage oder wie ick wat erzählen will, und dat is von dem Castorftheater eben extrem stark geprägt. Is ne Art zu denken einfach."


Im Theater an der Parkaue inszeniert Milan Peschel die Geschichte "Der Fischer und seine Frau". Das Grimmsche Märchen, in einer Bearbeitung von Einar Schleef, steht in starkem Kontrast zu den harten Realitäten, die in den Inszenierungen von Castorf verhandelt werden. Trotzdem nimmt Milan Peschel die Arbeit nicht weniger wichtig. Als Vater von zwei kleinen Kindern wünscht er sich auf der Bühne ein Geschehen, das die Kinder nicht nur als Zuschauer sieht, sondern sie in den Ablauf miteinbezieht. Ihre Zwischenrufe und Äußerungen sind für ihn keine Störungen, sondern Teil eines Dialogs.

"Wat ick den Schauspielern quasi immer einbläue oder versuche zu erklären, ist, ja, dass die die Kinder ernst nehmen, dass die nicht versuchen auf son kindisches Niveau sich herunter zu bewegen im Spiel oder auch im Dialog mit den Kindern, sondern dass die wirklich einfach mit denen reden im Sinne der Geschichte."

Milan Peschel improvisiert viel mit seinen Darstellern, spielt ihnen selber Sequenzen vor, folgt spontanen Ideen und lockt die Schauspieler dabei auf abseitige Pfade, auf denen unerwartete Nebenhandlungen entstehen können.

"Geh doch noch mal hin zu ihm und texte ihn mal mit Französisch zu, und du immer: Hm, Hm, Ja. Also, hört sich einfach gut an, wa? So Französisch, oder? Weißt du, son bisschen: Ick versteh jetzt auch nicht, was hier gerade gespielt wird, aber is jut. Gefällt mir, ja."

Obwohl das Theater ihm, wie er sagt, die größeren Adrenalinstöße verschafft, wirkt Milan Peschel auch immer wieder bei Film- und Fernsehproduktionen mit. Geld und Eitelkeit, stellt er offen fest, sind dafür hauptsächlich verantwortlich.

"Jeder, der irgendwie sagt, dass er überhaupt nich eitel is als Schauspieler, der is entweder kein richtiger Schauspieler oder der lügt."

Ob als Regisseur oder Darsteller: Dass Milan Peschel sich auf der Bühne am rechten Platz fühlt, zeigt nicht nur die Art, in der er berlinernd darüber redet. Beiläufig spricht er auf der Probe über einen Sänger aus den 70er Jahren, aber was er sagt, trifft im Kern auch auf seine Arbeit zu.

"Der kam auf die Bühne immer so, und dann hüpfte der immer so blöd, det ganze Lied über hüpfte der. War unglaublich einfältig, aber dem konnste irgendwie nich böse sein. Der hat dat so jeliebt, da diesen Schwachsinn, wat er da machte scheinbar, ja. Jedenfalls sah et so aus, und so muss et bei dir och aussehen. Du musst det lieben einfach, ja."