Rechte Drohungen gegen Kabarettistin Baydar

Kein Vertrauen mehr in die Polizei

11:41 Minuten
Die Kabarettistin Idil Baydar im August 2019 zu Gast in der ARD-Talkshow "Maischberger"
Idil Baydar: "Bedroht mich jetzt die Polizei oder bedroht mich ein Polizist oder eine Gruppe?" © picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Idil Baydar im Gespräch mit Vladimir Balzer · 14.07.2020
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Seit Monaten erhält Idil Baydar rechtsextreme Drohschreiben. Nun sollen auch noch Daten von ihr über einen hessischen Polizeicomputer abgerufen worden sein. Sie fühle sich nicht mehr sicher, sagt Baydar. Der Polizei wirft sie "Vertuschungswillen" vor.
Über einen Computer der hessischen Polizei sollen laut einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" nun auch persönliche Daten der Kabarettistin Idil Baydar abgerufen worden sein. Drohungen von Rechtsextremen bekommt sie schon seit Monaten.
Baydar ist inzwischen die dritte Prominente, bei der es unberechtigte Datenabfragen bei der hessischen Polizei gegeben haben soll. Zuvor waren die Rechtsanwältin Seda Başay-Yildiz und die hessische Linke-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler betroffen. Sie erhielten Drohschreiben, die mit "NSU 2.0" unterschrieben waren.
Die Affäre um ein mögliches rechtes Netzwerk bei der Polizei in Hessen hat nun auch erste personelle Konsequenzen: Landespolizeichef Münch ist zurückgetreten.

Acht Anzeigen - alle eingestellt

Über den aktuellen Verdacht, dass von einem Polizeicomputer Daten über sie abgerufen worden seien, zeigt sich Baydar beunruhigt:
"Für mich bedeutet das Irritationen und noch mehr Druck und Sorgen. Jetzt ist die Polizei mit ins Spiel gekommen und ich weiß überhaupt nichts mehr. Bedroht mich jetzt die Polizei oder bedroht mich ein Polizist oder eine Gruppe?"
Aus ihrer bisherigen Erfahrungen mit von ihr erstatteten Anzeigen wegen Drohungen könne sie nur schließen, dass die Polizei kein Interesse an Aufklärung habe, sagt die Kabarettistin:
"Ich weiß nicht mehr, wie ich das noch schönreden soll. Ich fühle mich echt verarscht von der Polizei. Es kann doch nicht sein, dass ich acht Anzeigen schalte, mich absolut korrekt verhalte und acht Anzeigen eingestellt werden. Und dann kommt heraus, dass das irgendwie auch mit dem Polizeicomputer in Frankfurt zusammenhängt."

"Vertuschungswillen" bei der Polizei

Sie sehe vielmehr einen "Vertuschungswillen" bei der Polizei. "Ich habe das aus der Presse erfahren. Man stelle sich das mal vor. Ich wurde nicht mal von der Polizei in irgendeiner Weise informiert. Ich werde nicht beschützt von dem Organ, das auch ich mit Steuern bezahle." Von Journalistinnen und Journalisten werde sie hingegen unterstützt. Die Menschen, die ihre Solidarität bekundeten, sorgten dafür, dass sie sich nicht komplett verloren fühle.
"Die deutsche Polizei hat ganz definitiv ein Problem mit rassistischen Strukturen und auch mit Neo-Nazis und Rassisten, die sie aufgrund ihrer autoritären Macht anzieht", so die Künstlerin. Die Polizei gehe mit Menschen mit Migrationshintergrund anders um als mit "weißen Deutschen". "Sie behandelt Migranten eher als Kriminelle", sagt Baydar. Der Umgang mit den NSU-Morden habe das deutlich gezeigt.
"Ich glaube aber auch, dass viele Deutsche unfassbar genervt sind von all diesen Vorfällen. Das geht nicht nur Migranten so. Ich bin der Meinung, dass die jüngere Generation sich schon sehr verändert hat, einfach weil es auch eine Vermischung gab, weil ein Zusammenleben stattgefunden hat. Das ist es, was wir machen müssen, wir müssen mehr miteinander sprechen, mehr miteinander und zusammen leben."
(rja)
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