Sri Lankas Drogenproblem

Heroin, Todesstrafe und Gebete

22:04 Minuten
Abendszene eines kargen, einstöckigen, blauen Gebäudes, in dessen Türeingang ein junger Mann mit dem Rücken zur Kamera steht.
Ein Rehabilitationszentrum in Sri Lanka. Für viele Abhängige der letzte Ort der Zuflucht. © Emre Çaylak / Nicole Graaf
Von Nicole Graaf und Emre Çaylak  · 02.10.2019
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Sri Lanka ist ein wichtiges Transitland für Drogenhändler, die Zahl der Süchtigen steigt. Präsident Sirisena will das Problem mit der Todesstrafe lösen. Prävention und Suchtbehandlung überlässt er vor allem religiös geprägten Organisationen.
Tushantha Silva sitzt auf einem beigefarbenen Sofa in seinem Haus, in einem Vorort von Colombo. Neben ihm seine Frau und seine 13-jährige Tochter. Auf einem kleinen Beistelltisch stehen Kekse und Milchtee. Nur wenige Möbel schmücken den Raum. Das Sofa ist alt und ein bisschen abgewetzt.
Silva, ein Mann mit dünnem Schnurrbart, rundem Bauch, viel Humor, aber einer großen Müdigkeit in den Augen, hat einen krassen sozialen Abstieg hinter sich. Er hat fast alles verloren. Schuld waren die Drogen, sagt er.
Ein Mann sitzt in einem schlichten Wohnzimmer auf einer beigen Couch und hält seine Frau im Arm.
"Mir fehlte die Liebe", sagt Tushantha Silva.© Emre Çaylak / Nicole Graaf
Der 41-Jährige redet schnell und wirkt ein bisschen hektisch, als fürchte er, nicht genug Zeit zu haben, seine ganze Geschichte zu erzählen:
"Ich stamme aus einer reichen Familie, aber mir fehlte die Liebe. Mein Vater hatte ein Hotel, also verkehrte er in einem gewissen Milieu, hatte viele Affären mit Prostituierten. Meine Mutter litt sehr darunter. Wenn mein Vater nach Hause kam und getrunken hatte, dann wurde er zum Löwen, er hatte eine sehr harte Stimme. Er schlug meine Mutter und ich hatte Angst vor ihm. Schon als Kind litt ich unter Depressionen, Angstattacken und einer Sozialphobie."

Schon der Vater war heroinabhängig

Auch Drogen kursierten in dem Hotel. Sein Vater handelte damit und war selbst heroinabhängig. Nach dem Abitur ging Silva nach Zypern, um Hotelmanagement zu studieren. Aber wegen seiner psychischen Probleme brach er ab und kehrte zurück nach Sri Lanka. Kurz darauf lernte er seine Frau kennen. Die Eltern waren gegen die Heirat und versuchten einen Keil zwischen die beiden zu treiben, sagt Silva. Nach drei Monaten trennte sich seine Frau von ihm und ging zurück in ihr Heimatdorf, weit weg von Colombo. Dadurch verlor Silva endgültig den Halt. Er fiel in eine Depression und wurde empfänglich für harte Drogen.
"Zu der Zeit wurde gerade dieses Haus hier gebaut. Es gab zwei Arbeiter, die hier wohnten. Beide schnupften Heroin. Mein Vater vertraute mir, dass ich nie Drogen nehmen würde und schickte mich mit einem Paket Heroin für sie hierher. In der Zeit dachte ich so viel an meine Frau und meine Depression, und meine Angstzustände wurden schlimmer. Ich ging also zu den Arbeitern und sagte, lasst mich probieren. Meine Depression und Angst verschwanden, ich war high. Danach ging es weiter und irgendwann kaufte ich ein Päckchen alle zwei, drei Tage."

Umschlagplatz für den Drogenhandel mit Europa

Dass Sri Lanka ein Problem mit Drogen hat, ist bereits bei Ankunft am Flughafen von Colombo offensichtlich. Von der Gepäckausgabe bis zur Ankunftshalle warnen zahlreiche Poster davor, Drogen nach Sri Lanka zu bringen und weisen auf die harten Strafen hin.
Der kleine Inselstaat dient als Transitland zwischen den Produktionsorten von Cannabis, Schlafmohn, aber auch synthetischen Drogen in Pakistan und Indien und den Zielländern in Europa. So sind viele dieser Drogen auch in Sri Lanka sehr leicht erhältlich.

Die Zahl der Verhaftungen steigt

Wie verbreitet das Drogenproblem in Sri Lanka tatsächlich ist, ist schwer zu überschauen. Es gibt keine offiziellen Statistiken über die Zahl der Abhängigen – nur zu Straftaten im Zusammenhang mit Drogen, also Besitz oder Verkauf: In 2017 wurden 81.000 Personen wegen solcher Drogendelikte verhaftet.
Vier Jahre zuvor waren es noch 23% weniger, also 66.000. Ob das daran liegt, dass immer mehr Menschen Drogen verkaufen, oder daran, dass die Polizei mehr Dealer erwischt hat, ist jedoch unklar. Für ein kleines Land mit nur 21 Millionen Einwohnern erscheinen die Zahlen jedenfalls recht hoch und Konsumenten dürfte es noch deutlich mehr geben.

Mönche helfen bei der Therapie

Tushantha Silva war mehrfach in einem Rehabilitationszentrum, das von einem buddhistischen Mönch geführt wurde. Er hatte in den USA eine Methode zur Behandlung Drogenabhängiger gelernt, die an die kognitiven Verhaltenstherapie angelehnt ist.
"Sie wenden dort ein Programm an, das das Verhalten und die Denkmuster des Abhängigen ändern soll. Sie etablieren neue Gewohnheiten, die sich um Verantwortung, Liebe und Anteilnahme drehen. Es hat nichts mit irgendeiner Religion zu tun. Es ist eine psychologische Behandlung, die eben von einem buddhistischen Mönch durchgeführt wird. Es gibt dort aber buddhistische Zeremonien und auch hinduistische. Wenn jemand Katholik ist, kann der seiner eigenen Religion folgen, aber an den buddhistischen Zeremonien muss er schon teilnehmen. Wir hatten ein straffes Programm dort. Es gab keine Behandlung gegen die Entzugserscheinungen; die gibt es in keinem Rehabilitationszentrum in Sri Lanka. Man muss durch den kalten Entzug durch."

Todesstrafe könnte auch kleine Dealer treffen

Der Präsident Sri Lankas, Maithripala Sirisena, stuft das Drogenproblem als so gravierend ein, dass er die Todesstrafe wieder eingeführt hat. In Sri Lanka existiert diese Strafe ohnehin, aber 42 Jahre lang herrschte ein Moratorium, das der Präsident nun beendet hat. Kürzlich unterschrieb er das Todesurteil für vier Drogendealer. Die Exekution soll bald stattfinden.
Maithripala Sirisena spricht mit entschlossenem Gesichtsausdruck in ein Mikrofon.
Der Präsident von Sri Lanka, Maithripala Sirisena, hat die Todesstrafe wieder eingeführt. "Aber ein Abhängiger braucht Hilfe", sagt Tushantha Silva.© imago/ZUMA Press/Tharaka Basnayaka
Die Pläne sind international auf viel Kritik gestoßen, vor allem bei Menschenrechtsorganisationen. Denn Drogenhandel zählt nicht zu den Kapitalverbrechen wie etwa Mord, auf die die Todesstrafe nach internationaler Übereinkunft beschränkt sein muss. Mit Sirisenas neuem Gesetz wird es auch jene kleinen Dealer treffen, die Drogen verkaufen, um ihren eigenen Bedarf zu finanzieren. Und es wird Menschen aus den Slums treffen, die aus Armut als Handlager für Drogenhändler arbeiten oder gegen Bezahlung den Stoff bei sich zu Hause lagern.

Inspiriert von der Drogenpolitik der Philippinen

Sirisena hat sich in seiner Strategie von Rodrigo Duterte, dem Präsidenten der Philippinen inspirieren lassen. Er führt seit drei Jahren einen brutalen Krieg gegen den Drogenhandel, bei dem auch viele Unschuldige ihr Leben lassen mussten. Tushantha Silva findet diese Politik grundfalsch:
"Auf den Philippinen hat der Präsident befohlen, Abhängige zu töten. Aber ein Abhängiger ist krank. Er braucht Hilfe. Er braucht Beratung. Er braucht Medizin. Er ist ein kranker Mensch."

Politiker sind in den Drogenhandel verwickelt

Eigentlich müsste man die Hintermänner drankriegen, meint Silva, aber denen sei nur schwer beizukommen, sie seien zu gut vernetzt. Dem stimmt auch Tanuja Wahalatantri zu. Der kleine energetisch wirkende Mann weiß, wie das Geschäft läuft, denn er steckte lange Zeit mitten drin.
"Da sind Politiker involviert. Ohne politische Unterstützung kann man in Sri Lanka kein Drogendealer werden. Das ist nach wie vor so. Die Korruption hat sogar zugenommen."
Wahalatantri war ebenfalls jahrelang heroinabhängig. Als Jugendlicher trieb er sich in den Strandbars und bei Musikevents von Colombo herum, wo Touristen Partys feierten und Drogen nahmen. Er geriet in einflussreiche Kreise, hat später selbst gedealt und viel Geld damit verdient.
"Ich fing mit Drogen an, als ich 15 war, erst Tabak, dann Haschisch, Alkohol. Mit 17, 18 war ich beim Heroin. Ich hatte einen viel älteren Freund, der Dealer war. Und er war mit einem der wichtigsten Dealer Sri Lankas befreundet. Ich will keine Namen nennen. Er benutzte mich, um den Stoff zu verschieben, denn er wusste, dass ich das konnte. Er wusste, dass ich gute Kontakte hatte. Ich wurde mit Drogen geschnappt. Mit einer ziemlich großen Menge Heroin, mehr als 20 Gramm. Aber ich zahlte Schmiergeld, damit die Polizisten weniger angaben. Ich hatte einflussreiche Freunde. Aber sieben Mal war ich im Gefängnis."

Die Gefängnisse sind voller Drogen

Dort wurde alles nur noch schlimmer, erzählt Wahalatantri. Die Gefängnisse in Sri Lanka seien voll von Drogen. Nach einem langen Kampf mit sich selbst ist Wahalatantri heute geläutert. Über einen Bekannten kam er zum Christentum. Der Glaube habe ihn von seiner Sucht befreit, sagt er.
Tanuja Wahalatantri singt mit einer Gitarre um den Körper vor einer Wand, an der ein schlichtes Kreuz hängt. Um ihn herum stehen Menschen, die mit erhobenen Armen mitsingen.
"Im Drogenhandel sind Politiker involviert", sagt Tanuja Wahalatantri. Früher selbst abhängig, steht er heute einer Kirche vor.© Emre Çaylak / Nicole Graaf
Nun ist Wahalatantri Pastor in einer kleinen Kirchgemeinde. Am Sonntagabend trifft sie sich, um eine Messe zu feiern. Rund ein halbes Dutzend Gemeindemitglieder stehen in einem weißen Raum, mit fast nichts darin außer ein paar Stühlen und einem Pult. An der Wand hängt ein großes schlichtes Kreuz. Unter den Gemeindemitgliedern sind Wahalatantris Frau und Tochter und auch einige Abhängige. Sie heben die Arme in die Luft, um zu beten. Immer wieder greift Wahalatantri zur Gitarre. Die Musik brachte ihn einst ins Drogenmilieu und nun zu Gott. Mit solcher Inbrunst führt er seine Messe, dass jeder versteht: Er klammert sich an seinen Glauben, um nicht rückfällig zu werden.

Staatliche Therapieangebote gibt es kaum

Sich von solch einer Sucht zu befreien, ist wohl nirgendwo auf der Welt leicht. In Sri Lanka mangelt es außerdem noch an Behandlungsmöglichkeiten. Das Drogendezernat der Polizei listet nur 12 Rehabilitationszentren für das ganze Land auf. Vier davon sind staatlich, die anderen werden von privaten oder gemeinnützigen Organisationen geführt und sind meist christlich oder buddhistisch geprägt.
Eine dieser Organisationen ist die von Mithra Karunanayake. Das kleine Zentrum liegt in einer schon fast ländlichen Gegend am Rand von Colombo. Die anglikanische Kirche, bei der Karunanayake Mitglied ist, hat ihm das Grundstück zur Verfügung gestellt.
Ein leerer, lichter Schlafsaal mit kargen Betten, die bunt bezogen sind. 
Zwölf Menschen finden in Mithra Karunanayakes Rehabilitationszentrum Unterschlupf.© Emre Çaylak / Nicole Graaf
In einem einfachen, offenen Gebäude aus Backsteinen und Zement, das früher einmal als Schule diente, liegt der Schlafsaal. Ein Dutzend Betten stehen dort eng nebeneinander aufgereiht. Das kleine Zentrum bietet Platz für 12 Männer gleichzeitig. Die weitaus größte Zahl an Abhängigen in Sri Lanka sind Männer. Karunanayake sagt, das habe kulturelle Gründe.
"In unserer Kultur haben Frauen Angst davor. Sie glauben ihren guten Namen zu ruinieren. Aber es gibt schon viele Frauen, die abhängig sind. Straßenprostituierte. Sie nehmen Crystal Meth und Heroin. Es ist keine hohe Prozentzahl, aber es ist ein Problem. Es ist sehr schwierig mit ihnen zu arbeiten. Deshalb bräuchten wir ein sehr professionelles Zentrum."

Wasser, gutes Essen und Schmerztabletten

Karunanayake war jahrelang selbst heroinsüchtig, aber ist nun schon lange clean. Er hat eine Ausbildung zum Counselor gemacht, um anderen zu helfen. Er geht in Krankenhäuser, staatliche Rehabilitationszentren, Gefängnisse und auch auf die Straße. Und er behandelt die, die zu ihm kommen.
"Erst nehmen wir ihren Fall auf, schauen, wie schwer die Probleme sind. Dann schauen wir, welche Behandlung sie brauchen. Erst kommen die körperlichen Entzugserscheinungen, da müssen sie durch. Wir geben ihnen Wasser, gutes Essen und Schmerztabletten. Dann nach zwei Wochen ist der Körper gereinigt, dann kümmern wir uns um die seelischen Aspekte."

"Abhängigkeit ist chronisch"

Selbst aufhören zu wollen, ist die wichtigste Voraussetzung, um clean zu werden, glaubt Karunanayake. Er spricht aus eigener Erfahrung. Familiäre Probleme hatte er nicht. Es waren vielmehr die Freundeskreise, in die er hineingeriet:
"Ich war ein guter Junge, sehr folgsam, hatte sehr gute Noten. Aber das war nur das, was man von außen sah. Innerlich war ich ein Bengel, neugierig, rastlos. Ich wollte die Welt verändern, suchte nach etwas. In meinem Herzen war so ein blinder Fleck. Ich probierte alles Mögliche aus: Sport, Schwimmen, Boxen, Schach, ich konnte gut schreiben, ich schrieb Gedichte und Geschichten. Aber irgendwie fühlte ich nichts. Ich hatte auch viele Affären mit Mädchen, mit älteren Frauen. Ich fing an zu rauchen, dann kam Haschisch, dann Alkohol und schließlich probierte ich Heroin."
Ein Mann mit türkisem T-Shirt in Seitenansicht vor weißer Wand.
Dass in Sri Lanka vor allem Männer drogenabhängig werden, habe kulturelle Gründe, sagt Mithra Karunanayake.© Emre Çaylak / Nicole Graaf
Damals war Karunanayake erst 16. Er versuchte aufzuhören, aber seine Freunde rauchten ebenfalls Heroin.
"Abhängigkeit ist chronisch. Es heißt, man kann sie nicht heilen, nur damit umgehen. Ich bin jetzt seit 22 Jahren wieder clean, aber ich bin immer noch bei der Genesung. Und auch das gesellschaftliche Stigma bleibt."

Die früheren Abhängigen sind die besten Experten

Karunanayake hat sein Zentrum ganz mit eigenen Mitteln aufgebaut. In seinem Hauptberuf führt er zusammen mit seiner Frau eine kleine Firma und bedruckt T-Shirts. Für das Zentrum nimmt er nur von denen Geld, die es sich leisten können. Die meisten nimmt er kostenlos auf. Er hat eine international anerkannte Ausbildung zum Suchtberater absolviert und bildet nun auch selbst aus.
Seiner Meinung nach sind jene, die selbst abhängig waren, die besten Experten. Aber das Counseling von Abhängigen sei inzwischen zum Geschäft verkommen, sagt er.
"Vor zwei Monaten habe ich 20 Suchtberater ausgebildet. Sie bekommen die internationale ICAP-Lizenz und zahlten viel Geld dafür. Und wissen Sie, was die machen? Sie bilden wieder Berater aus, um Geld zu verdienen. Das ist doch ein Witz. Sie arbeiten gar nicht praktisch mit den Abhängigen."

95% der Abhängigen werden rückfällig

Auch bei den Erfolgsquoten sei viel Fantasie im Spiel, sagt er. Denn je besser die Erfolgsquote, desto eher wollen Angehörige ihre suchtkranken Familienmitglieder dort betreuen lassen und zahlen gut dafür.
"Na, was denken sie wie hoch die Erfolgsquote ist? Die staatlichen Rehabilitationszentren geben 50 Prozent an. Die privaten 40 bis 45 Prozent. Eigentlich sind es fünf Prozent. Und man kann nie sicher sein. Es ist ein steiniger Weg aus der Sucht. Bei mir hat es sechs Jahre gedauert. Hier schaffen es fünf Prozent, aber die schaffen es wirklich. Die anderen 95 Prozent werden rückfällig, aber ich weiß, dass auch sie es irgendwann satt haben werden."
Die meisten der Männer in Karunanayakes Zentrum sind denn auch nicht zum ersten Mal in Behandlung. Rasith Jayathilaka hat wie viele hier eine jahrelange Drogenkarriere hinter sich. Der kleine Mittvierziger mit rundem Gesicht hat etwas Schelmisches in den Augen.
Auch bei ihm war es der Druck seiner Clique, der ihn mit 15 dazu brachte, Heroin zu probieren. Er ist bereits seit eineinhalb Jahren hier. Die meisten bleiben nur wenige Monate. Es ist, als wolle er sich vor der Welt da draußen und ihren Gefahren und Versuchungen verstecken. Er hat Angst, wieder rückfällig zu werden.
"Wenn ich gehe, dann werde ich mich selbst verlieren. Dann bin ich wieder ein Süchtiger und brauche Hilfe. Solange ich hier bin, bin ich sicher."

Christliche Gebete und straffe Routine als Anker

Zu dem Zentrum gehört ein Grundstück mit ein paar Papayasträuchern, Kokospalmen und Obstbäumen. In einem kleinen Verschlag hocken zwei dicke Kaninchen. Ein Hahn kräht immer mal wieder und auf einem Schaukelgerüst, das von dem früheren Schulhof übrig geblieben ist, sitzt ein weißer Truthahn.
Ein Mann sitzt vor einer Tafel und spricht zu jungen Männern, die wie Schüler in einer Schule vor dem Lehrer setzen.
"Gott liebt mich, deshalb lebe ich noch", sagt Rasith Jayathilaka.© Emre Çaylak / Nicole Graaf
Die Männer kümmern sich selbst um die Pflanzen und Tiere. Die feste tägliche Routine helfe, erklärt Christopher Dion, ein großer, korpulenter Mann mit sanftem Gesicht. Er ist seit eineinhalb Jahren clean, aber er bleibt im Zentrum, um dort zu helfen.
Auch hier gehört das Beten als ein Anker zur Routine. Daneben erhalten die Männer Computerkurse, Gesundheitsaufklärung und Kreativkurse.
"Jeden morgen stehen wir um fünf Uhr auf, dann beten wir jeder für sich. Um halb sechs gibt es Tee. Dann wird geduscht und wir machen die Betten. Um sechs Uhr halten wir eine Messe, dann teilen wir die Arbeit auf. Zwischen halb acht und acht gibt es Frühstück. Dann nach einer kleinen Pause arbeiten wir wieder im Garten oder etwas anderes. Nach dem Mittagessen haben wir eineinhalb Stunden Freizeit. Um drei haben wir eine Unterrichtsstunde. Dann gibt es den Nachmittagstee und dann die Abendmesse. Dann nochmal ein bisschen Freizeit, Abendessen und danach haben wir nochmal ein Meeting, in dem wir den Tag besprechen: Hat jemand Schmerzen, geht es jemandem schlecht. Darüber sprechen wir dann. Und um zehn gehen wir ins Bett."

Sieben Entzüge, sieben mal rückfällig geworden

Gegen 18 Uhr feiern die Männer gemeinsam eine Messe. Rasith Jayathilaka sitzt vorn und liest Gebete vor. Die anderen sitzen versunken auf ihren Stühlen. Ganz hinten sitzt Malinda Bandara, ein schmaler 33-jähriger mit kurzen dichten Haaren, rotem T-Shirt und Shorts. Er wirkt abwesend, fast gelangweilt.
Bandara ist einer der jüngsten in dem Zentrum und noch ganz neu hier. Würde man ihn auf der Straße treffen, man käme nicht auf die Idee, dass er heroinabhängig ist. Er hat ein fast jungenhaftes Gesicht, aus seinen Augen spricht noch keine Müdigkeit wie bei den anderen. Obwohl er schon sieben Mal rückfällig geworden ist, glaubt er immer noch, seine Sucht im Griff zu haben. In diesem Zentrum sei er nur seiner Schwester zuliebe, sagt er.
"Meine Schwester ist zum Christentum konvertiert und der Pater, zu dem sie geht, hat mich hierher verwiesen. Ich habe alles Mögliche genommen: Heroin, Crystal Meth, Tabletten; und ich habe sieben Mal aus eigener Kraft damit aufgehört. Das schaffe ich auch zu Hause. Dafür muss ich nicht irgendwohin gehen. Aber meiner Familie wäre das nicht genug."

"Es ist schwierig, am Leben zu bleiben"

Mit den christlichen Inhalten, über die hier geredet wird, kann er nicht viel anfangen, er ist Buddhist:
"Naja, ich finde Hilfe im Buddhismus. Ich folge einigen Praktiken. Das mache ich für mich allein. Man sieht mich vielleicht in der Messe in der letzten Reihe sitzen und ich kenne diese Lieder nicht und kann sie nicht singen. Aber ich mache trotzdem mit."
Dass es schwierig ist, an guten Vorsätzen festzuhalten, gibt er aber auch zu, vor allem, wenn man sich in sein altes Umfeld zurückbegibt. "Ich habe Freunde. Wenn sie mir etwas anbieten, würde ich nicht 'nein' sagen. Das ist der einzige Fehler, den ich mache. Das ist mir hier klar geworden. Dieses Mal, wenn ich hier fortgehe, werde ich auf jeden Fall 'nein' sagen."

Clean bleiben - ein ständiger Kampf

Beim nächsten Vollmondfest in drei Wochen, will er wieder zu Hause sein. Clean zu bleiben sei ein ständiger Kampf, das sagen alle. Rasith Jayathilaka, der Mittvierziger, der so lange wie möglich im Zentrum bleiben möchte, bringt es auf den Punkt.
"Ich danke Gott, dass ich noch am Leben bin. Es ist schwierig, am Leben zu bleiben. So viele Drogen. Gott liebt mich, deshalb lebe ich noch. Ich wünsche mir, dass die anderen auch am Leben bleiben."
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