Drittes TV-Triell zur Bundestagswahl

Die alte Lagerlogik ist zurück

08:29 Minuten
Die Spitzenkandidaten und die -kandidatin der jeweiligen Parteien für die Bundestagswahl beim dritten TV-Triell: Olaf Scholz (SPD) (l-r), Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) und Armin Laschet (CDU/CSU)
SPD und Grüne gegen die CDU - diesen Eindruck vermittelte das dritte TV-Triell nicht nur einmal. © picture alliance / dpa / ProSieben /Seven.One / Willi Weber
Hajo Schumacher im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 20.09.2021
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Scholz und Baerbock gegen Laschet: Dieser Eindruck entstand im dritten TV-Triell zur Bundestagswahl häufiger. Die alten politischen Lager scheinen nun doch nicht überwunden. Das müsse man bei der Stimmabgabe bedenken, sagt Journalist Hajo Schumacher.
Das dritte der Fernseh-Trielle zwischen denjenigen, die sich ums Kanzleramt bewerben – Olaf Scholz (SPD), Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) –, lief am Sonntagabend bei ProSieben, Kabel Eins und Sat1. Wie auch schon bei den vorigen Ausgaben, sahen Umfragen nach dem letzten Aufeinandertreffen Olaf Scholz als Gewinner.
"Baerbock und Laschet hatten sich ein bisschen ineinander verbissen", sagt der Journalist Hajo Schumacher. "Und Scholz war wieder der schweigende Dritte, der stand so etwas präsidentiell daneben."
Dieses Triell sei in jedem Fall nicht das gewesen, "was man den Gamechanger nennt oder den Lucky Punch". Also etwas, was Armin Laschet nach vorne gebracht hätte.

"Wer hält die Neujahrsansprache?"

Im Gegenteil entstand eher häufiger der Eindruck, dass Scholz und Baerbock gegen Laschet standen. Eine eher unerwartete Konstellation – angesichts der Annahmen für diesen Wahlkampf: Man war lange davon ausgegangen, dass es in Richtung Grün-Schwarz oder Schwarz-Grün gehen könnte, dass Rot-Grün eine erkaltete Liebe sei und die alte Lagerlogik ohnehin der Vergangenheit angehöre.
Doch nun zeigt sich: Die vermeintlich erkaltete rot-grüne Beziehung ist ganz schön lebendig. Und die Lagerlogik ist ein Stück weit zurückgekehrt – ähnlich auch im konservativ-liberalen Spektrum. Zugleich ist es aber so, dass nach dem aktuellen Stand der Dinge keines dieser alten klassischen Lager am Wahlsonntag eine Mehrheit haben wird.
"Die Frage 'Wer hält Neujahrsansprache?' ist nicht ganz unberechtigt", so Schumacher. "Dass die sich tatsächlich in den drei Monaten bis zum Jahresende einigen – wir werden eine Pattsituation erleben."

Spannung bis zum Schluss

Was er spannend findet, beschreibt Schumacher so: "Wenn man die kleinere Partei des Lagers wählt – wenn ich FDP wähle – ist das nicht in Wirklichkeit eine Stimme für Olaf Scholz? Weil ich Armin Laschet damit ja eine Stimme wegnehme. Das Gleiche ist, wenn ich nicht weiß, wähle ich SPD oder wähle ich Grün. Wenn ich Grün wähle, verliert der Scholz vielleicht mit zwei Zehntel gegen Laschet – und meine grüne Stimme hat Laschet zum Kanzler gemacht."
Der Journalist freut sich, "dass wir zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder einen richtigen Wahlkampf haben, der bis zum Schluss spannend ist: Jede Stimme zählt." Die letzten Male sei immer nur die Frage gewesen: "Wer verliert wie hoch gegen Merkel?" Hajo Schumachers Fazit: "Demokratie is back, schön!"
(abr)

Hajo Schumacher, geboren 1964 in Münster, arbeitete von 1990 bis 2000 beim Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Später leitete er die Redaktion des Lifestyle-Magazins "Max". Heute ist er als freier Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine, Hörfunk, Online-Medien und das Fernsehen tätig. Sein neues Buch heißt: "Kein Netz ! Geld, Zeit, Laune, Liebe – wie wir unser wirkliches Leben zurückerobern".

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