Dresdner Philharmonie mit Ariane Matiakh

Ohrsurfen auf polymetrischer Textur

Die Dirigentin Ariane Matiakh
Die Dirigentin Ariane Matiakh © Marco Borggreve/Dresdner Philharmonie
29.11.2015
Ihr Debüt bei der Dresdner Philharmonie bestreitet die französische Dirigentin Ariane Matiakh mit einem besonderen Programm, mit Musik von Michail Glinka und Antonín Dvořák und der Uraufführung des Fagottkonzerts von Daniel Schnyder.
Sieben Spielstätten stehen der Dresdner Philharmonie zur Verfügung, bevor sie 2017 in den neuen Konzertsaal des Kulturpalastes einziehen kann. Neben dem Hygienemuseum sind das u.a. das Albertinum, die Frauenkirche und das Schauspielhaus. Das bedeutet großen Aufwand, verlangt aber auch ein hohes Maß an Flexibilität vom Orchester. Die junge französische Dirigentin Ariane Matiakh gibt bei der Dresdener Philharmonie ihr Debüt mit Michail Glinkas "Kamarinskaya – Fantasie über russische Volkslieder", "Legenden für Orchester" op. 59 von Antonín Dvořak und der Uraufführung des Konzerts für Fagott und Orchester des Schweizer Komponisten Daniel Schnyder. Es verbindet überraschende Klangeffekte und große Virtuosität, Solist ist der Solofagottist der Dresdner Philharmonie, Philipp Zeller.
"Das Volk schafft die Musik, und wir Komponisten arrangieren sie nur." Diese Worte sind von Michail Glinka überliefert, der den russischen Ton in der klassischen Musik gewissermaßen erst geschaffen hat. Zumindest war seine Oper "Iwan Sussanin" ("Ein Leben für den Zaren") die Geburtsstunde des russischsprachigen und russisch klingenden Musiktheaters. Auch die Orchesterfantasie "Kamrinskaya" ist dem Volk, der Volksmusik, abgelauscht. Das Stück basiert auf zwei Tanzliedern, die Glinka kunstvoll verarbeitet.
Daniel Schnyder ist Schweizer und lebt heute in New York. Einen nationalen Stil pflegt er – selbstverständlich möchte man sagen – nicht. Er ist vielseitig interessiert, trennt nicht zwischen Klassik und Jazz und lässt sich immer wieder gern auf Neues ein. Nun hat er erstmals ein Konzert für Fagott und Orchester komponiert. Zuvor hatte er sich von der Vielseitigkeit des Instruments mit seinem Tonumfang von dreieinhalb Oktaven bereits zu mehreren Kammermusikstücken inspirieren lassen. Auch das "etwas Rätselhafte" des Fagottklangs mag Schnyder: "Einerseits klingt es sehr verführerisch und lyrisch, weich und schön, anderseits schnarrend und näselnd, witzig und grotesk."
Das Fagottkonzert, soviel verrät der Komponist, wird international geprägt sein: "Der zweite Satz ist durch brasilianische, indische und mittelalterliche Musik beeinflusst." Im dritten Satz überlagern sich verschiedene Rhythmen: "Der Zuhörer surft dann mit seinem Ohr vergnügt auf der polymetrischen Textur der virtuosen Musik." So beschreibt es Daniel Schnyder.
Antonín Dvořák hat viel für die tschechische Musik getan – und war auch offen für die Neue Welt. Mit seinen "Legenden" schuf er zehn Stimmungsbilder, zunächst für Klavier, dann für Klavier zu vier Händen – und schließlich schrieb er auch eine Orchesterfassung. Der gefürchtete Kritikerpapst Eduard Hanslick zeigte sich von den "Legenden" äußerst angetan, im Jahr 1882 schrieb er: "Die Legenden sind kleine in sich abgeschlossene Bildchen, als solche scheinen sie mir gemüthvoller und beredter in ihrem alten, schlichten Rahmen, als in dem farbenprächtigen Orchesterschmuck. [...] Die Bezeichnung Legenden rechtfertigt ein gewisser erzählender, episch Maß haltender Ton, welcher die ganze Reihe charakteristisch durchzieht, bald zu geheimnisvollem Flüstern gedämpft, bald zu lebhafter Schilderung sich erhebend. Was da erzählt wird, kann freilich niemand sagen, doch fühlt man, dass das Wunderbare, Märchenhafte dabei eine Hauptrolle spielt."
Für so viel Lob zeigte sich der Komponist erkenntlich – und widmete die "Legenden" Eduard Hanslick.
Deutsches Hygienemuseum, Dresden
Aufzeichnung vom 28. November 2015
Michail Glinka
"Kamarinskaja" Fantasie über zwei russische Volklieder
Daniel Schnyder
Konzert für Fagott und Orchester (Uraufführung)
Antonín Dvořák
Legenden für Orchester op. 59
Philipp Zeller, Fagott
Dresdner Philharmonie
Leitung: Ariane Matiakh