Dreiste Urheberrechtsverletzung oder kostenloses Marketing?

Von Tobias Wenzel |
Die Betreiber der Internet-Suchmaschine Google haben sich mit ihrem neuesten Projekt Ärger eingehandelt: Mit "Google Book Search" wollen sie Millionen von Büchern digitalisieren und kostenfrei im Internet zur Verfügung stellen. Die Verlage und auch Autoren sehen sich in ihren Urheberrechten verletzt. Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt hat deshalb einen Musterprozess gegen Google angestrengt.
Besorgt sei er gewesen, so der Chef der französischen Nationalbibliothek Jean-Noël Jeanneney, als Google Ende 2004 ankündigte, innerhalb von sechs Jahren 15 Millionen Bücher aus öffentlichen Bibliotheken zu digitalisieren und zur Volltextsuche ins Internet zu stellen. Er misstraue nun mal Monopolen, so Jean-Noël Jeanneney.

85 Prozent der Deutschen, die im Internet recherchieren, nutzen die Suchmaschine Google. Experten schätzen, dass Google auch mit seiner digitalen Bibliothek "Google Book Search" Marktführer werden wird. Strategisch wichtige Partner sind längst gewonnen: Google digitalisiert die Bestände der bedeutenden Universitätsbibliotheken von Michigan, Harvard, Stanford und Oxford und außerdem der New York Public Library.

Unzählige Spezial-Maschinen scannen die Bücher in Höchstgeschwindigkeit ein. Ältere, urheberrechtsfreie Werke stellt Google komplett ins Netz. Werke, die urheberrechtlich geschützt sind, kann man bei "Google Book Search" nur in Auszügen von wenigen Seiten betrachten. Allerdings digitalisiert Google munter drauf los, ohne vorher die Verlage zu fragen und ohne Rücksicht auf Autorenrechte. Das hat international zu etlichen Klagen vor Gericht geführt.

"Google Book Search" umfasst allerdings nicht nur Bibliotheksbestände. Einige Verlage nutzen nämlich das "Partner-Programm" und stellen Google ganz bewusst ihre Bücher zur Verfügung, um sie auszugsweise zu veröffentlichen. Wer das Buch dann kaufen will, findet Links zu Online-Buchhandlungen oder direkt zum Verlag. So wohnen in der Brust mancher Verleger zwei Seelen, weiß der französische Bibliothekschef Jean-Noël Jeanneney:

"Man trifft bei den Verlegern zwei untrennbare Haltungen an: einerseits Misstrauen, Angst vor Piraterie, weil Google ihre Bücher ohne ihre Erlaubnis digitalisiert. Aber die Verleger sehen auch die Möglichkeit, über das Internet ein breites Publikum zu erreichen, z.B. um vergriffene Bücher wieder zu verkaufen. Die Verlage sind also zugleich neugierig und misstrauisch."
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