Dramatischer Betriebsausflug - Corona-Tagebuch (II)

Die Zumutung des Corona-Heartbreaks

03:25 Minuten
Die Beine einer Frau auf dem Bett, daneben eine Gitarre, ein Buch und eine Tasse.
Wer allein lebt, muss sich in Corona-Zeiten zu helfen wissen - zum Beispiel mit einer Gitarre. © imago images / Westend61
Von Laura Naumann · 28.03.2020
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Wer alleine wohnt, für den ist die Zeit der Distanznahme besonders schwierig. Unsere Autorin erlebt ein Auf und Ab der Gefühle, versucht Strategien zu entwickeln und findet auch Momente, in denen die Welt kurz in Ordnung erscheint.
Gestern habe ich ein bisschen mit meiner Gitarre geschmust. Dass die minimal an einen Menschenkörper erinnert, ist ja schon einigen vor mir aufgefallen. Ich kann es empfehlen, echt. Bisschen schwerer könnte sie sein, aber besser als gar kein Körperkontakt. Das Coronabedingte Social oder Physical Distancing, wie ich es lieber nennen möchte, macht das Leben für Menschen, die momentan nicht mit anderen Menschen zusammenleben, sich nicht in Partnerschaften befinden und keine Haustiere haben, körperlich echt einsam.
"Ich wälze mich ab und zu auf dem Teppich, um meinem Körper zu versichern, dass er noch Grenzen hat", lese ich einem Text von Kristina Marlen und mache es ihr sofort nach. Eine meiner liebsten Freundinnen hatte Geburtstag und ich konnte sie nicht mal umarmen. Weil wir uns alle an die Regeln halten, für das Gemeinwohl. Dafür hat nun niemand eine Medaille verdient, aber fürs Stoisch-Sein und alles besonders gut aushalten und wegstecken, gibt es halt leider auch keinen Preis.

Mal wütend, mal gerührt

Ich möchte mich ganz oft und ganz viel beklagen in dieser Zeit, weil ich das Leben auf Distanz eine Zumutung finde. Es ist ein permanentes Erleben von Getrenntheit, Getrenntsein und Getrenntwerden. Jeden Morgen ist die Welt für etwa fünf Sekunden in Ordnung und dann ist er wieder da: der Corona-Heartbreak. Bis mich meine eigene Klage beginnt zu nerven, und eine neue Empfindung übernimmt. Jede Stimmung einfach durchrauschen zu lassen und nicht so streng zu sein, habe ich mit mir selbst vereinbart für die nächsten Wochen und manchmal höre ich dann einfach zehnmal am Tag: "Last Christmas", weil fuck normality.
Manchmal bin ich einfach nur wütend auf alles. Und fünf MInuten später total gerührt. Wenn das alte Ehepaar aus meinem Haus mir auf den Automatischen Anrufbeantworter spricht, zum Beispiel, und vom ersten Gottesdienst per Live-Schalte in ihr Wohnzimmer erzählt. Oder mir ein paar knospende Kirschzweige vor die Tür legt, während wir gerade am Telefon die Einkäufe besprechen. Wenn ich meine FreundInnen verkleidet in ihren Zimmern sehe, als wir online in einem Zoom-Meeting den Geburtstag der einen feiern. Jemand spielt "Love Yourself" von Justin Bieber auf dem Klavier und es dröhnt blechern aus zehn Endgeräten und wir sind uns in diesem Moment sehr nah und sehr miteinander verbunden.

Menschen bieten Unterstützung an

Noch nie habe ich so viele Menschen unverhofft zufällig auf dem Weg zum Supermarkt getroffen. Noch nie erlebt, wie viel Unterstützung sowohl fremde als auch bekannte Menschen einander anbieten. Und wenn ich es mal schaffe, einen Tag lang nicht die Nachrichten zu lesen und mir eine richtig leckere Portion Spaghetti mit Klopapier gekocht habe und mit meiner Gitarre im Arm gemütlich auf dem Balkon sitze und fremden Leuten im Fenster gegenüber beim Home-Workout zugucke, ist die Welt auch manchmal kurz fast in Ordnung.
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