Dortmund verleiht Nelly-Sachs-Preis

Marie NDiayes spannende Tragödien

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Die preisgekrönte französische Schriftstellerin Marie NDiaye © picture alliance / dpa
Von Udo Feist · 13.12.2015
Die Schriftstellerin Marie NDiaye hat am Sonntag in Dortmund den Nelly-Sachs-Preis erhalten. Die 48-jährige Französin bekommt den angesehenen Literaturpreis für ihre literarisch herausragende Beschäftigung mit Fragen von Herkunft und Identität.
Marie Ndiaye ist eine erstaunliche Autorin. Sie war 18, als vor 30 Jahren ihr erster Roman erschien. Einen Studienplatz an einer Elitehochschule lehnte sie ab. Schriftstellerin wollte sie werden, nichts sonst.
"Mein einziger Beruf, wenn man so sagen kann, ist tatsächlich das Schreiben, ich habe also nie etwas anderes gemacht. Es ist tatsächlich so, dass ich nach dem Abitur nie studiert haben."
Lesen war ihr Studium, schon als junges Mädchen. Besonders die amerikanische Literatur hat sie geliebt, weil es da keine so strikte Trennung zwischen leichter und der so genannten hohen Literatur gibt. William Faulkner ist ihr größtes Vorbild – und sie bewundert Stephen King.
"In Frankreich wird er wie ein Coca Cola-Schriftsteller betrachtet, nicht ganz ernst genommen, aber ich mag ihn", meint NDiaye.
Marie NDiaye findet die millionenfach gelesenen Stephen-King-Bücher sehr gut geschrieben. Sie selbst gehört in Frankreich zu den meistgelesenen Autoren und wird auch in Deutschland immer bekannter. Viele ihrer Romane sind Familiengeschichten mit Abgründen aus Verschwiegenem und Verdrängtem. Packend blickt sie hinter die Fassaden und zeigt, wie auch Scheiternde ihre Würde bewahren. Bürgermeisterin Birgit Jörder, die für die Stadt Dortmund in der Preisjury sitzt, haben ihre Bücher beeindruckt.
Ein Preis für Völkerverständigung
"Eigentlich waren das ja tragische Geschichten 209 tragische Familiengeschichten, die aber trotzdem hoffnungsfroh geschrieben waren, fand ich, also die haben mich nicht runtergezogen, irgendwo gab es immer einen Ausweg und auch einen Hoffnungsschimmer."
Große Literatur, fesselnd wie Krimis, eindringlich und subtil und bezwingend stark geschrieben. Denn Marie NDiaye ist eine außergewöhnlich gute Beobachterin. Und jungen Leuten, die wie sie den Drang haben, Schriftsteller zu werden, gibt sie diesen Rat: "Im Gegensatz zu dem, was man im Allgemeinen denkt, ist nicht die Inspiration, das Wichtigste. Das Wichtigste ist, dass man sehr diszipliniert ist, dass man also jeden Tag praktisch zur Arbeit geht, man muss also die Kraft finden, immer an die Arbeit zu gehen, ein Buch, das dauert Monate, manchmal Jahre."
Den mit 15.000 Euro dotierten Nelly Sachs-Preis erhalten seit 1961 alle zwei Jahre Autoren, deren Werk zum ein besseren Verständnis der Völker beiträgt. Marie Ndiaye überzeugte die Jury, weil sie in ihren Büchern eben gerade nicht "um Verständnis und Toleranz wirbt, sondern aufzeigt, wie elend eine Zivilisation ohne diese Eigenschaften ist. Marie NDiaye ist Tochter einer Französin und eines Senegalesen. Sie lebt mit Familie seit 2007 in Berlin. Paris verließ sie aus Protest gegen die Einwanderungspolitik der Regierung Sarkozy.
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