Doppelbiografie über Heinrich und Götz George

Zwei deutsche Männer

19:58 Minuten
Fotomontage: Der Schauspieler Götz George 1984 am Rande von Dreharbeiten zum "Tatort" und sein Vater Heinrich George in "Der große Schatten, 1942.
Zwei Mannsbilder: Götz George (links) und sein Vater Heinrich George (Fotomontage) © imago/teutopress
Thomas Medicus im Gespräch mit Janis El-Bira · 24.10.2020
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Beide waren berühmte Schauspieler und Männlichkeitsidole: Heinrich George und sein Sohn Götz. Thomas Medicus hat ihnen eine Doppelbiografie gewidmet, die auch von Götz Georges Auseinandersetzung mit seinem Vater handelt.
Heinrich und Götz George waren zwei der großen deutschen Schauspielerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Der Vater, Heinrich, ein Theater- und Filmstar der Weimarer Republik, aber auch der NS-Zeit. Der Sohn, Götz, eine Kultfigur des bundesrepublikanischen Kinos und Fernsehens in Klassikern wie "Schtonk" oder als Tatort-Kommissar Horst Schimanski.
Beide waren Männlichkeitsidole ihrer Zeit, beide Verkörperungen ihrer jeweiligen Epochen – zusammen mehr als ein Jahrhundert Deutschland. Über beide Georges hat der Journalist und Autor Thomas Medicus nun eine aufsehenerregende Doppelbiografie vorgelegt.

Ein schwerer Mann

Medicus beschreibt die Verwandlung des 1893 als Georg Schulz in Stettin geborenen Heinrich George in den auch in seiner Physis unverwechselbaren Theaterstar der 1920er-Jahre:
"Wenn man sich Fotografien ansieht aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als er in Kolberg oder zum Beispiel auch Neustrelitz engagiert war, da sieht man einen ranken, schlanken, jungen Mann. Einen Bonvivant, der sehr maskenhaft auftritt. Ein Ideal seiner Zeit. Dann kommt dieses ihn wie viele seiner Generationsgenossen erschütternde Weltkriegserlebnis. Das hat ihn von Grund auf verändert. Auch eben in seiner physischen Statur. Er wurde dann sehr schwer, sehr gravitätisch, also passend zu dem Vornamen Heinrich."

Georges Kunst, die der auch privat exzessiv lebende, oft betrunkene und in Prügeleien verwickelte Schauspieler in den folgenden Jahren entwickelt, steht für Medicus stellvertretend für einen zeittypischen "Kult des Authentischen", eine "antizivilisatorische" Tendenz zum "Barbarischen".
Das Buchcover von Thomas Medicus: "Heinrich und Götz George - Zwei Leben", Rowohlt Berlin, 2020.
In "Heinrich und Götz George - Zwei Leben" bricht sich in der Lebensgeschichte zweier Schauspieler auch mehr als ein Jahrhundert deutscher Geschichte.© Rowohlt Berlin / Deutschlandradio

Trauma als Methode

Darin habe auch Georges psychische Kriegstraumatisierung - er galt als "Kriegszitterer" - eine wichtige Rolle gespielt:
"Die Symptomatik, die er als ‚Kriegshysteriker‘ besaß und die ihn auch in eine Klinik brachte, die konnte er sehr gut verwenden, um sie auf die Bühne zu bringen. Ich glaube nicht, dass das ein bewusstes Konzept gewesen ist, aber da kam sozusagen – und ich glaube, das ist auch maßgeblich für Heinrich George – da kam seine Person mit dem Zeitgeist auf eine unglaublich und letztlich auch künstlerisch produktive Weise zusammen."
Porträt des Journalisten und Autors Thomas Medicus, 2017 .
Thomas Medicus erzählt über sein Familienporträt der Georges auch von deutschen Männlichkeitsidealen.© picture alliance / Sven Simon
Das dunkelste Kapitel in der Karriere Heinrich Georges öffnet sich mit seinem Engagement für den Nationalsozialismus, während dessen Zeit George in Propagandafilmen wie "Jud Süß" oder "Kolberg" spielt. Die ästhetischen Setzungen der NS-Zeit – etwa die Hinwendung zu einer positiven, antipazifistischen Aufwertung von Mut und Heldentum – findet Thomas Medicus allerdings schon in den Jahren vor 1933 in Georges Theaterschaffen angelegt.
Als wichtigste Rolle in Georges Karriere sieht Medicus dabei Goethes "Götz von Berlichingen", mit dessen – ebenfalls kriegsversehrten – Ritter mit der eisernen Hand sich George ausgesprochen intensiv identifizierte. So sehr, dass er auch seinen zweiten, 1938 geborenen Sohn Götz nach der historischen Figur nannte.

Körperarbeit und Emanzipation

Für Götz George bedeutet schon dieser Name den Beginn einer lebenslangen Auseinandersetzung mit dem Vater, obwohl dieser bereits 1946 in sowjetischer Gefangenschaft gestorben war. Eine Auseinandersetzung, die Götz George auch über eine Formung des eigenen Körpers und die Entwicklung eines eigenen Männlichkeitsideals betrieb, wie Medicus im letzten Kapitel seines Buches unter der Überschrift "Die Deutschlandkörper" herausstellt.
Götz George habe, ganz anders als sein Vater, den eigenen Körper "geliebt" und "gepflegt", wodurch er gegenüber dem zeitlebens übermächtigen Vaterideal habe sagen können: "Der Orientierungspunkt für mich, das bin ich selbst, das ist meine physische Stärke. Die hat ihm dann nicht nur physische, sondern auch psychische Stärke gegeben", so Medicus.
(jeb)

Thomas Medicus: "Heinrich und Götz George: Zwei Leben"
Rowohlt Verlag, Hamburg 2020
416 Seiten, 26 Euro

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