Dopen mit Leberpastete

Von Udo Pollmer · 27.07.2013
Immer wieder werden Spitzensportler des Dopings bezichtigt. Doch manches Mal zu Unrecht. Ein Grund für die Vorwürfe kann der Konsum von Leberpastete sein. Wie es dazu kommen kann, erläutert unser Lebensmittelchemiker Udo Pollmer.
Ein altes Zauberwort im Sport heißt Nandrolon. Nanadrolon ist keine olympische Disziplin wie Biathlon oder Synchronschwimmen, sondern ein Hormon, das anabol wirkt, also das Wachstum der Muskeln fördert. Unter Sportsfreunden erfreute es sich viele Jahre großer Beliebtheit. Nandrolon war der Stoff, der aus Sportlern Sieger machte. Die Dopingfahnder nahmen die Herausforderung sportlich und es gelang ihnen, die Substanz im Urin bis in den Ultraspurenbereich sicher nachzuweisen.

Natürlich wissen Leistungssportler recht genau, was die Fahnder finden und was nicht. Beim Nandrolon galt: Finger weg. Und doch wurden immer wieder Sportler erwischt mit überhöhten Gehalten im Urin – so manch einer wurde wegen Doping verurteilt. Der wohl bekannteste unter ihnen war der Fußballer und heutige Bayerntrainer Pep Guardiola. Mittlerweile konnten Analytiker im Fütterungsversuch am Menschen zweifelsfrei nachweisen, dass der Verzehr von Leberpastete zu einem positiven Dopingnachweis führen kann, ja zu Gehalten, die zehn- bis 20-fach höher liegen als der Dopinggrenzwert.

Normaler Verzehr kann genügen, um erwischt zu werden
Manch einer wird denken, da hat halt nicht der Sportler gedopt, sondern der Mäster. Das kam auch hin und wieder vor - aber in diesem Fall fand der Versuch mit Leberwurst von unbehandelten Tieren statt. Nandrolon wird nämlich nicht nur von Pharmazeuten im Labor synthetisiert, sondern auch von männlichen Schweinen im Koben. Die Gehalte an natürlichem Nandrolon in einem gesunden Eber können bei normalem Verzehr ausreichen, um bei einer Dopingkontrolle erwischt zu werden.

Guardiola stammt wohl nicht zufällig aus einer Region, in der traditionell Eber gemästet werden. Im spanischen Katalonien gilt bei Fleischerzeugnissen ein mäßiger Geruch nach Eber sogar als Qualitätsmerkmal. In Deutschland ist das anders. Hier reagieren viele Verbraucher mit Ekel auf den Ebermief. Doch unsere Fleischwirtschaft stört das wenig, sie forciert ungeniert die Mast unkastrierter Tiere, nicht nur wegen der besseren Wirtschaftlichkeit, sondern auch, um kritische Fragen zum Tierschutz zu vermeiden.

Man schlachtet möglichst, bevor die Eber voll im Saft stehen und ihren typischen Gestank verströmen. Leider haben die Tiere keinen Zeitschalter, der die Produktion der Hormone startet, die einen fangen früher an, die anderen später. Deshalb stellen unkastrierte Schweine nicht nur für den Wettkampfsportler ein Risiko dar, sondern können auch dem sesshaften Schinkenfreund den Appetit verderben. Denn unter den vielen Ebern sind immer welche, die komisch riechen.

Wenn der Schweinebraten nach Pissoir riecht
Man erkennt den Eber, wenn Schinken oder Schweinebraten nach Pissoir duften – manchmal steigt es einem erst beim Kochen in die Nase. Dieser Geruch fällt immer häufiger unangenehm auf. Offenbar versuchen einige Verarbeiter, den Mief zu maskieren, indem sie müffelnde Schlachtkörper in stark gewürzten Produkten verarbeiten, statt sie zu entsorgen. Einige Fleischbarone scheinen nicht zu begreifen, dass die Empfindlichkeit für diesen herben Duft von Mensch zu Mensch schwankt. Und wenn ein Verarbeiter das selbst nicht riecht, heißt das noch lange nicht, dass auch der Kunde nichts merkt.

Natürlich kann man männliche Schweine mästen, ohne sie auf die traditionelle Weise durch Entfernung der Hoden zu kastrieren. Seit einigen Jahren gibt es eine Immun-Behandlung, die die Bildung der Geschlechtshormone etwa 14 Tage lang blockiert – ohne die Gabe von Hormonen. Das Fleisch ist dann bei der Schlachtung einwandfrei – frei von Gestank und frei von Nandrolon. Werden die Tiere nicht geschlachtet, dann hat der Mäster innerhalb weniger Wochen wieder richtige Eber im Koben. Das Verfahren ist überall auf der Welt üblich, wo Schweine gemästet werden. Nur in Deutschland glaubt man, man könne sich das sparen, das arme Würstchen von Kunde merkt's eh nicht.

Es wird Zeit, alle Sportsfreunde, die mit Dopingkontrollen rechnen müssen, vor Schinken, Pasteten und Leberwurst zu warnen. Aber all jene Fitnessjünger, die alles schlucken würden, nur damit ihnen endlich Muckis wachsen, muss ich enttäuschen: Die Gehalte an Nandrolon in heimischen Wurstspezialitäten reichen noch nicht aus, um damit im Fitnessstudio eine bessere Figur zu machen. Mahlzeit!


Literatur
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Le Bizec B et al: Consequence of boar edible tissue consumption on urinary profiles of nandrolone metabolites. I. Mass spectrometric detection and quantification of 19-norandrosterone and 19-noretiocholanolone in human urine. Rapid Communications in Mass Spectrometry 2000; 14: 1058-1065.
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Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2005. BVL-Reporte, Band 1, Heft 2
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