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Hongkong
Unzufriedenheit gegenüber China wächst

Knapp zwei Jahre nach den friedlichen Regenschirm-Protesten in Hongkong rufen einige Aktivisten inzwischen mehr oder weniger offen zum gewaltsamen Widerstand gegen die Pekinger Zentralregierung auf. Sie befürchten eine erneute Kolonialisierung ihres Landes. Ein Indiz in ihren Augen: Die geplante Schnellzugstrecke zwischen Hongkong und dem Festland.

Von Steffen Wurzel | 29.03.2016
    Bürger in Hongkong protestieren gegen den Einfluss der Pekinger Zentralregierung.
    Eine Demo des Pro-Peking-Lagers: "Ja" zur Schnellzugstrecke nach Festlandchina. (Deutschlandradio/ Steffen Wurzel)
    Eine Demo vor dem Hongkonger Parlament. In der ehemaligen britischen Kolonie und heutigen chinesischen Sonderverwaltungszone herrscht Meinungsfreiheit. Rund 50 Demonstranten protestieren für den Bau einer neuen Schnellzugstrecke. Sie soll von Hongkong nach Festlandchina führen.
    Wir sind ein Land, ein China! Warum vertrauen die Kritiker der Regierung nicht, fragt Patrick Ko, einer der Wortführer der Demonstranten. Seiner Ansicht nach sollte der Plan der pekingfreundlichen Hongkonger Regierung, die umstrittene Schnellzugstrecke nach Festlandchina zu bauen, so schnell wie möglich verwirklicht werden.
    Im Parlamentsgebäude, im Büro der peking-kritischen Abgeordneten Claudia Mo. Die Politikerin der oppositionellen Civic Party ist strikt dagegen, dass die Schnellbahnstrecke wie geplant gebaut wird. Denn das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" sei dadurch akut gefährdet.
    "Die Regierung in Peking sagt uns: Wir setzen unsere chinesischen Grenzpolizisten zu euch nach Hongkong an den Bahnhof, um dort die Grenzkontrollen zu machen!"
    Hongkong gehört zwar seit 19 Jahren wieder zu China, die ehemalige Kolonie genießt aber weiter ein hohes Maß an Autonomie. Bei Ein- und Ausreise zum Beispiel haben ausschließlich Hongkonger Polizisten das Sagen - bisher. Kommt die von der Zentralregierung in Peking forcierte Schnellbahn-Verbindung mit den umstrittenen Grenzpolizisten aus Peking, wäre das ein weiterer Verlust der Eigenständigkeit, befürchten Kritiker wie Claudia Mo.
    "Das widerspricht absolut dem Hongkonger Grundgesetz. Dieses garantiert, dass bei uns keine festlandchinesischen Regeln angewendet werden."
    Wachsende Skepsis
    Der Streit um die neue Schnellbahnstrecke ist beispielhaft für Hongkong. Die Nervosität in der chinesischen Sonderverwaltungszone wächst.
    Die Bürger seien unzufrieden mit den bisherigen Formen des Protests, sagt Edward Leung. Der 25-Jährige ist Chef der erst ein Jahr alten politischen Gruppe namens "Hong Kong Indigenous - Hongkongs Einheimische".
    "Mit zivilem Ungehorsam wie bei den Regenschirm-Protesten haben die Leute nichts erreicht. Das war alles nur eine Show. Die Leute sind diese alten Protestformen satt."
    Edward Leung und seine Gruppe deuten immer wieder an, dass als letztes Mittel auch Gewalt in Ordnung sei, um den zunehmenden Pekinger Einfluss zurückzudrängen.
    "Bei allem Respekt. Aber wir sehen friedliche Proteste nicht das richtige Mittel an, um zu Ergebnissen zu kommen."
    Aufruf zu Protesten
    Mitte Februar kam es im Hongkonger Stadtteil Mong Kok zu einer heftigen Straßenschlacht zwischen Demonstranten und der Polizei. Es gab Dutzende Verletzte, darunter viele Polizisten. Die Hong-Kong-Indigenous-Gruppe soll maßgeblich daran beteiligt gewesen sein. Gegen Anführer Edward Leung läuft ein Verfahren, ihm drohen mehrere Jahre Gefängnis.
    Ausgelöst hatte die Straßenschlacht eine Polizeiaktion gegen illegale Essensstände. Nach Ansicht von Edward Leung und seinen Leuten war diese Polizeiaktion aber nicht einfach eine Razzia gegen illegale Imbisshändler, sondern ein Angriff pro-pekinger Kräfte auf die Traditionen Hongkongs.
    "Uns ist wichtig, unsere Kultur zu schützen. Wir nutzen radikale Methoden und leisten so Widerstand - anstatt einfach nur zurückzuweichen!"
    Eine Mehrheit der pekingkritischen Hongkonger lehnt Gewalt klar ab. Aber die Stimmung in der Sonderverwaltungszone verschlechtert sich spürbar. Claudia Mo von der Civic Party:
    "Manche sagen, es ergebe keinen Sinn, Widerstand zu leisten. Aber ich bin immer der Meinung: Wenn man um etwas kämpft, gewinnt man vielleicht nicht. Aber wenn man nicht kämpft, wird man definitiv nicht gewinnen."