Donata Riedel zur Grundrenten-Diskussion

"Nur fünf OECD-Länder haben keine Grundrente"

06:12 Minuten
Ein Ehepaar geht in Potsdam eine Allee entlang. Die Frau schiebt einen Rollator.
Während viele Rentner im Alter gut abgesichert sind, wächst die Zahl derer, die viele Jahre im Niedriglohnsektor beschäftigt waren und entsprechend wenig Rente bekommen. © imago/Thomas Trutschel
Donata Riedel im Gespräch mit Axel Flemming · 25.05.2019
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Mit der Einführung einer Grundrente für Geringverdiener tut sich die GroKo schwer. Ausgerechnet, meint Donata Riedel. Denn im Gegensatz zum "Wunschkonzert" Mütterrente oder der Rente mit 63 adressiere die Grundrente ein Problem, das wirklich existiert.
Deutschland streitet über die Grundrente: Sollen Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, davor geschützt werden, im Alter den Gang zum Sozialamt antreten zu müssen? Und wenn ja, wie soll eine solche Grundrente finanziert werden?
Im Grundsatz werde eine solche Rente von fast allen Parteien befürwortet, meint Wirtschafts- und Finanzexpertin Donata Riedel vom "Handelsblatt". Mit einer Grundrente würde auch eine Art deutscher Sonderweg beendet: Denn in den meisten anderen Industrieländern gibt es bereits eine solche Rente, betont die Journalistin. "Von den OECD-Staaten gibt es gerade mal fünf – einschließlich Deutschland, die das nicht kennen."

Eine Bedarfsprüfung ist anderswo nicht üblich

Hinzu kommt, dass Riedel zufolge Deutschland das einzige Land ist, "das so hart am Äquivalenzprinzip festhält". Das bedeutet, dass die Rente, die jemand ausbezahlt bekommt, strikt im Verhältnis zum Eingezahlten steht. "In fast allen anderen Industriestaaten – also in drei Vierteln – ist es eben so, dass die unteren Renten aufgestockt werden, damit man Menschen, die ihr Leben lang in schlecht bezahlten Jobs gearbeitet haben, nicht ins Sozialamt zwingen muss."
Donata Riedel steht am Hans-Rosenthal-Platz in Berlin.
Donata Riedel ist Parlamentskorrespondentin des Handelsblatt.© Deutschlandradio / Mirjam Wlodawer
Auch die von der Union geforderte Bedarfsprüfung als Voraussetzung für die Grundrente wäre offenbar eine deutsche Besonderheit, wie Riedel sagt: "In den Ländern, die eine Grundrente haben, ist das auch im Rentensystem und da gibt es auch keine Bedarfsprüfung."
Sollte es zur Einführung einer solchen Grundrente kommen, wäre das bereits die dritte Rentenreform der Großen Koalition nach Mütterrente und der Rente mit 63 für bestimmte Personengruppen. Doch Mütterrente und Rente mit 63 seien nicht nur teurer gewesen als die Grundrente. "Sondern waren so Wunschkonzert: das eine von der CSU, das andere von der SPD", kritisiert Riedel. "Sie haben kein Problem gelöst, was es gibt." Die Grundrente hingegen setze an einem tatsächlichen Problem an, "was über die nächsten Jahre auch größer werden wird, weil wir inzwischen ja viel mehr Menschen im Niedriglohnsektor haben. Deswegen werden wir auch mehr Menschen haben, die keine auskömmliche Rente haben werden."

Scholz hat ein "Tor aufgemacht für Kritik"

Kritisch äußert sich die Journalistin zu den von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgetragenen Finanzierungsplänen für die Grundrente. Denn indem dieser die Kosten der Reform durch Steuern decken will, die jedenfalls bisher gar nicht erhoben werden, habe er das Konzept seines Amts- und Parteikollegen Hubertus Heil "etwas diskreditiert", so Riedel. "Insofern hat er da natürlich auch ein Tor aufgemacht für Kritik, die sich dann total auf die Finanzierung konzentriert und völlig weggeht von dem Ziel und davon, wie man es denn hinkriegen kann."
(uko)

Donata Riedel ist Parlamentskorrespondentin der Wirtschaftstageszeitung "Handelsblatt" in Berlin. Ihr Schwerpunkt ist Finanz- und Wirtschaftspolitik.

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