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Rechte Anschläge in Sachsen
Urteil gegen Mitglieder der "Gruppe Freital" erwartet

Versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und Gründung einer terroristischen Vereinigung - das sind die Hauptanklagepunkte gegen die Mitglieder der "Gruppe Freital". Anschläge sollen sie unter anderem auf Wohnungen von Asylbewerbern und das Auto eines Linken-Politikers verübt haben. Heute soll das Urteil fallen.

Von Bastian Brandau | 07.03.2018
    Die Angeklagten der rechtsextremen "Gruppe Freital" sitzen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Dresden (Sachsen) zu Prozessbeginn im Verhandlungssaal. Im Prozess gegen die Gruppe hat am gleichen Tag die Bundesanwaltschaft mit ihrem Plädoyer begonnen. Sie wirft den sieben Männern und einer Frau unter anderem Bildung einer terroristischen Vereinigung, versuchten Mord und das Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen vor.
    Die Angeklagten der rechtsextremen "Gruppe Freital" im Verhandlungssaal der Justizvollzugsanstalt in Dresden (dpa / Sebastian Kahnert)
    Freital bei Dresden, Sommer 2015. Wochenlang demonstrieren Neonazis mit Freitaler Bürgern gegen eine Asylunterkunft in der Stadt. Mit dabei: Die acht Angeklagten, gegen die das Oberlandesgericht Dresden heute sein Urteil verkünden wird. Demonstrieren in Freital oder bei Pegida habe ihnen irgendwann nicht mehr gereicht, so heißt es in der Anklage, die ihnen eine Reihe von Sprengstoffanschlägen vorwirft: auf Wohnungen von Asylsuchenden, auf ein Wohnprojekt, auf das Parteibüro der Linken in Freital. Auch das Auto des damaligen Fraktionsvorsitzenden der Linken im Freitaler Stadtrat Michael Richter war Ziel eines Anschlags.
    "Seitenscheiben raus, komplett verzogen, hinten die Scheibe raus, vorne, das komplette Chaos an dem Auto. Es war eine neue Eskalationsstufe, die die Rechten im Grunde gemacht haben. Und wer dahinter steckt, konnte man relativ schnell mitkriegen. Weil es ja auch auf der Bürgerwehrseite immer gepostet worden ist, noch bevor irgendwelche Medien drüber berichtet hatten. Da waren schon auch die Fotos mit dabei. Von daher war schon relativ klar, aus welcher Richtung das kommt, die ganzen Sachen."
    Oberstaatsanwalt: "Darauf angelegt Tötungsdelikte zu begehen"
    Eine terroristische Vereinigung sollen die acht Angeklagten gebildet haben, so der Vorwurf des Generalbundesanwalts, der das Verfahren an sich gezogen hatte. Oberstaatsanwalt Jörn Hauschild:
    "Diese Vereinigung hat es darauf angelegt, Tötungsdelikte zu begehen als Vereinigungszeck und Sprengstoffdelikte, und dieses erfüllt den Straftatbestand des Paragrafen 129a, also terroristische Vereinigung."
    Ziel der Gruppe Freital sei es gewesen, ein Klima der Angst zu schaffen und Ausländer und Politisch Andersdenkende zu vertreiben, sagte Hauschild in seinem Plädoyer. Den Taten habe eine fremdenfeindliche, rechtsextreme und zum Teil nationalsozialistische Ideologie zugrunde gelegen. Bis zum ersten Todesopfer sei es nur eine Frage der Zeit gewesen. Als Strafmaß fordert die Anklage bis zu 11 Jahren Haft für die mutmaßlichen Rädelsführer, für die weiteren Angeklagten 5 bis neuneinhalb Jahre.
    Verteidiger bestreiten Terrorvorwurf
    "Ein Verbund, Terror und Schrecken zu verbreiten, wird sich nicht belegen lassen aus meiner Sicht. Und darüber hinaus ist auch noch die Frage zu beantworten, ob überhaupt eine Tötungsabsicht bestand."
    Verteidiger Peter Hollstein bestreitet wie alle 16 Verteidiger den Terrorvorwurf und die Tötungsabsicht. Die Verteidigung plädiert auf deutlich geringere Haftstrafen. Die einzelnen Taten hatten die Angeklagten großteils schon während der Polizeiverhöre eingeräumt. Während des Prozesses haben die meisten von ihnen zu den Vorwürfen geschwiegen.
    Stillschweigende Legitimation der Taten
    Die Angeklagten hätten in einem Umfeld agiert, das sie als unterstützend wahrgenommen hätten, sagt die Vertreterin der Nebenklage Kristin Pietrzyk.
    "Da zählen die Arbeitgeber dazu, die sich nicht wundern, die sich nicht wundern, wenn die Bürgerwehr mitfahren kann, da zählen die Nachbarn zu, die meinen, dass das Essen der Geflüchteten irgendwie anders riecht als Rouladen und Rotkohl. Und die sich davon gestört fühlen, aber viel weniger davon, dass ihr eigenes Haus mit Sprengsätzen angegriffen wird. Und das sind alles Gemengelagen, die bei den Menschen wie den Angeklagten einfach eine stillschweigende Legitimation für ihre Taten schaffen."
    Das hat auch Linken-Stadtrat Michael Richter so erlebt. Er, der sich für Flüchtlinge einsetzte, habe sich nicht ausreichend unterstützt gefühlt in Freital.
    Bedrohte Flüchtlinge und Politiker verließen die Stadt
    "Man hat dann auch in der Akte gelesen, dass sie durchaus vorhatten, mich samt PKW in die Luft zu sprengen, dann haben sie mich auch durchaus noch observiert. Und das sind dann Dinge, wo man sagt, man sucht sich einen Job außerhalb von Sachsen."
    Vor einigen Monaten ist Richter aus Freital weggezogen, er lebt inzwischen in Bayern. Auch von den Flüchtlingen, deren Wohnungen Ziel von Anschlägen geworden sind, hat die die Mehrzahl die Stadt verlassen.