Dokudrama

"Es muss sein"

Das radikal Böse
Der Film lässt einem den Atem stocken und soll gleichzeitig Aufklärung bringen. © Picture Alliance / DPA / W-Film
Von Bernd Sobolla · 12.01.2014
In seinem neuen Werk "Das radikal Böse" widmet sich der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky sich den Massenerschießungen von Juden im Osten Europas durch die deutsche Wehrmacht ab 1941.
"Ich war der Meinung, dass die Juden auch ohne mich ihrem Schicksal nicht hätten entgehen können. / Ich war innerlich nicht damit einverstanden. / Ich muss eigentlich sagen, dass wir uns damals überhaupt keine Überlegungen gemacht haben."
Die Leute, die hier sprechen, sind bekannte deutsche Schauspieler: Volker Bruch und Alexander Fehling, Benno Fürmann und Andreas Schmidt, Devid Striesow und Nicolette Krebitz. Was sie sagen, stammt aus Feldpostbriefen und amtlichen Quellen.
Auf diese Weise sind die Erschießungskommandos, denen rund zwei Millionen Juden zum Opfer fielen, zigtausendfach dokumentiert. Ruzowitzky hat einerseits weniges altes Film- und Fotomaterial benutzt beziehungsweise einige russische Zeugen interviewt. Aber vor allem hat er stilistisch modern Szenen nachgedreht, um den Soldatenalltag zwischen Fußballspiel, Zigarettenpause und Erschießungskommando zu zeigen und schlägt so einen Bogen in die heutige Zeit.
"Ich zitterte so sehr, dass mir das Zielen schwer fiel. Als die anderen Kameraden auf die am Boden liegenden Juden schossen, habe auch ich etwa zwei Meter hinter meinem Opfer stehend auf das Genick gezielt und geschossen."
Um den Weg vom latenten inneren Widerwillen, zur Befehlserfüllung und schließlich zur Gleichgültigkeit wenigstens ansatzweise verständlich zu machen, hat Stefan Ruzowitzky die Ergebnisse diverser psychologischer Testreihen in den Film eingebaut, zum Beispiel der "Konformitätsversuch von Ash", bei dem sich über ein Drittel aller Teilnehmer einem offensichtlichen Fehlurteil anschließt, wenn die Masse dafür stimmt. Und er lässt Experten zu Wort kommen, wie Dave Grossman, ehemaliger Professor für Psychologie an der Militärakademie West Point:
"Man muss denken, dass man recht getan hat. Denn man wartet auf eine Strafe - irgendwo muss sie doch kommen, man hat doch ein Verbrechen begangen - aber es kommt keine Strafe, sondern jeder sagt: 'Was du getan hast, war richtig!'"
Ein beeindruckender Film mit einem überzeugenden stilistischen Konzept über Befehlsempfänger, die zu Tätern eines radikal bösen Systems wurden. Zudem zeigt er, wie die Nazimorde teilweise als öffentliches Spektakel wahrgenommen wurden, zu denen ein Direktor Schulfrei gibt, damit die Kindern live erleben können, wie die "Feinde" umgebracht werden - absurd, unglaublich, aber wahr.
"Männer, Frauen, Kinder - alles umgelegt. Liebe Heidi, mache dir keine Gedanken darüber! Es muss sein."
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