Dmitrij Kitajenko beim Gürzenich-Orchester Köln

Russische Glocken als Lebensbegleiter

Der Kreml und die Dreifaltigkeitskathedrale in Pskow in Nordwestrussland.
Die Glocken der Dreifaltigkeitskathedrale im Kremel von Pskow in Nordwestrussland. © picture-alliance/ dpa / Uwe Zucchi
Moderation: Olaf Wilhelmer · 01.07.2018
Gold, Silber, Bronze. Nein, hier geht es nicht um den olympischen Medaillenspiegel, hier geht es um gegossenes Metall, das Klänge hervorbringt: die Glocke. Das Gürzenich-Orchester unter Dmitrij Kitajenko bietet unter diesem Motto ein russisches Programm.
Eine unsichtbare Stadt und Glocken: Russische Klänge und Mythen stehen auf dem Programm des Gürzenich-Orchesters. Ein altslawischer Abend mit dem Tschechischen Philharmonischen Chor Brno und Dmitrij Kitajenko.

Glocken - Begleiter des Lebens

In vier Sätzen streift Sergej Rachmaninow in seiner 1913 komponierten Chorsinfonie "Die Glocken" durch das menschliche Leben; ein Gedichtzyklus, den der russische Symbolist Konstantin Balmont nach dem Vorbild von Edgar Allan Poe schrieb, diente ihm dabei als Vorlage. Silberne Glocken im ersten Satz stehen für die fröhlichen Schlittenglocken der Kinder. Es folgen die goldenen Hochzeitsglocken eines jungen Paares, ehe sich im dritten Satz die Bronze-Glocke der Lebensstürme vernehmen lässt. Schließlich der Ausklang mit eisernen Todesglocken – ein vokalsinfonisches Meisterwerk jenes Komponisten, der vor allem mit Klaviermusik identifiziert wird.
Der Pianist und Komponist Sergej Rachmaninow am Klavier sitzend
Sergej Rachmaninow, der in Amerika vor allem als Pianist bekannt wurde.© imago stock&people
"Der Klang der Kirchenglocken", so Rachmaninow, "beherrschte alle russischen Städte, die ich kannte – Nowgorod, Kiew, Moskau. Sie begleiteten jeden Russen von der Kindheit bis zum Tod, und kein Komponist konnte sich ihrem Einfluss entziehen. Wenn es mir gelungen ist, in meiner Musik das Schlagen der Glocken und das Fühlen der Menschen zum Klingen zu bringen, dann vor allem deshalb, weil ich den größten Teil meines Lebens inmitten der klingenden Glocken von Moskau verbracht habe."

Zwischen Angst und Erlösung

Ganz ähnlich wie bei Rachmaninow gestalten sich die vier Lebens-Stationen in der von Maximilian Steinberg zusammengestellten Suite aus der Oper "Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitež und der Jungfrau Fevronija" von Nikolaj Rimskij-Korsakow. Wir befinden uns im tiefsten russischen Mittelalter, irgendwo an der Wolga: Prinz Wsewolod verliebt sich in Fevronija, fällt aber im Kampf gegen die Tataren, die die Angebetete entführt haben. Ein Wunder bringt die beiden Liebenden im Paradies wieder zusammen.
Der russische Komponist Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow (1844 - 1908) in einer zeitgenössischen Darstellung
Der russische Komponist Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow an seinem Schreibtisch arbeitend - zeitgenössische Darstellung© picture-alliance / dpa
Kaum präsent ist hierzulande der Komponist Sergej Tanejew (1856-1917): Der überaus selbstkritische Tschaikowsky-Schüler hinterließ nur wenige Werke, beginnend 1884 mit der Kantate "Johannes Damascenus" über einen frühmittelalterlichen Kirchenvater. Das Werk, eine in sich gekehrte Meditation über Angst, Tod und Erlösung, findet in einer für die russische Romantik untypischen Chorfuge seinen Höhepunkt. Ein Programm, das bei dem stets neugierigen Gürzenich-Orchester, dem Tschechischen Philharmonischen Chor Brno, einer exquisiten Solistenriege und dem 1940 im damaligen Leningrad geborenen Dmitrij Kitajenko in den besten Händen ist.
Dmitrij Katajenko beim Dirigat
Dmitrij Katajenko zu Gast beim Gürzenich Orchester Köln© Gürzenich Orchester / Klaus Rudolph
Eine Aufzeichnung des Konzertes vom 17. Juni 2018 aus der Philharmonie Köln

Nikolaj Rimskij-Korsakow
"Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitež und der Jungfrau Fevronija",Suite in vier Bildern
Sergej Tanejew
"Johannes Damascenus", Kantate für gemischten Chor und Orchester
(Libretto von Aleksej Tolstoj)
Sergej Rachmaninow
"Die Glocken", Poem für Soli, gemischten Chor und Orchester
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