Diskussion

Wohnungsnot und teure Mieten - soll der Staat es richten?

83:49 Minuten
In vielen Städten demonstrieren Menschen gegen knappen Wohnraum
Bürger protestieren gegen Mieterhöhungen. Ist es an der Zeit, dass der Staat eingreift? © imago/Christian Mang
Volker Eichener und Florian Schmidt im Gespräch mit Katrin Heise · 06.04.2019
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Wohnungsmangel, steigende Mieten, Gentrifizierung: Wohnen gilt für viele als die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Viele Haushalte in Ballungsgebieten zahlen dafür bereits 40 Prozent ihres Einkommens. Soll der Staat eingreifen?
Mehr als eine Million Wohnungen fehlen in Deutschland. Zwar wird seit einigen Jahren wieder gebaut - von den seitens der Koalition angepeilten 400.000 pro Jahr sind wir aber weit entfernt. Neubauten entstehen vor allem im Luxussegment; Immobilien sind zu einer lukrativen Anlage geworden. Wer sich die teuren Mieten in den begehrten Innenstädten nicht leisten kann, wird verdrängt.

Der Kampf um bezahlbaren Wohnraum verschärft sich

"Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn" – unter diesen Motto rufen mehr als 200 Organisationen an diesem Samstag zu bundesweiten Aktionen auf. Die größte Protestaktion findet in Berlin statt. Parallel dazu startet in der Hauptstadt ein Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungsbaugesellschaften.
"Wir kaufen die Stadt zurück", lautet das Motto von Florian Schmidt, Baustadtrat im begehrten Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Der Grünen-Politiker hat sich auch bundesweit als Kämpfer gegen steigende Mieten und Wohnungsspekulation einen Namen gemacht. In seinem Bezirk lässt er Milieuschutz-Gebiete ausweisen; dort ist es nur unter strengen Auflagen möglich, Häuser umzubauen oder zu sanieren. Wo immer möglich, nutzt Schmidt das bezirkliche Vorkaufsrecht, um zum Verkauf stehende Häuser dem Markt zu entziehen. Er strebt zudem eine Bodenstiftung an. Das alles gehört zu seiner "gemeinwohlorientierten Politik". Sein Ziel: 50 Prozent des Wohnungsbestandes in bezirkliche Hand zu überführen. Die betroffenen Mieter feiern Schmidt als eine Art Robin Hood; für die Immobilienwirtschaft ist er eher ein rotes Tuch.

Enteignung ist "schlichter Unsinn"

"Gegen die Wohnungsnot hilft nur bauen, bauen, bauen", sagt Volker Eichener, Politikwissenschaftler und Wohnungsbauexperte an der Hochschule Düsseldorf. "Man müsste die Zahl der Wohnungsfertigstellungen verdoppeln und den Sozialen Wohnungsbau vervierfachen." Von staatlichen Eingriffen, wie Florian Schmidt sie praktiziert, hält er wenig: "Das sind Bestandsmaßnahmen, sie kosten Geld und schaffen keine neuen Wohnungen." Eine Enteignung großer Immobilieninvestoren hält er für "schlichten Unsinn".
Das Grundübel aus Sicht Eicheners: "Wenn Sie sich die wohnungsbaupolitischen Instrumente in den letzten 20 Jahren ansehen, stellen Sie fest: Es ist überall gekürzt, gestrichen und ganz abgeschafft worden." Der Staat hätte nie seinen Wohnungsbestand "verhökern" dürfen. Das rächt sich heute. Aufgrund der hohen Auflagen für Eigentümer, insbesondere bei der Energieeffizienz, kann zudem kaum mehr preiswert gebaut werden, so der Düsseldorfer Wohnungsbauexperte.
(sus)

Wohnungsnot – Soll der Staat es richten?
Darüber diskutiert Katrin Heise heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Volker Eichener und Florian Schmidt. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de." target="_blank" href="https://www.deutschlandfunkkultur.de/im-gespraech.969.de.html">gespraech@deutschlandfunkkultur.de.

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