Dirk von Lowtzow: "Aus dem Dachsbau"

Der Wille zur Unklarheit

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Gesangsprobe mit Meisen: "Aus dem Dachsbau" enthält literarische Miniaturen von Dirk von Lowtzow, Sänger der Band Tocotronic. © picture alliance / dpa / kiwi-verlag
Von Gerrit Bartels · 12.02.2019
Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow wirft in seinem literarischen Debüt "Aus dem Dachsbau" einen Blick auf das eigene Leben. Leider erzählt er dabei oft nicht geradeheraus und direkt, sondern eher verschwiemelt.
Ob es Dirk von Lowtzow ein Bedürfnis war, dieses Buch zu schreiben, das Schreiben einer inneren Notwendigkeit gehorchte? Oder wurde er von den findigen Verlagsleuten des Kiepenheuer & Witsch Verlags ein bisschen gedrängt, geschubst, umschmeichelt, es doch auch einmal zu versuchen? Wie viele seiner Kollegen aus der Popmusik, etwa Christiane Rösinger, Frank Spilker, Jochen Distelmeyer oder Bela B, hat nun auch der Tocotronic-Vorturner die Seiten gewechselt - mit "Aus dem Dachsbau" allerdings keinen Roman, sondern eine Art autobiografische Enzyklopädie veröffentlicht.
Von A wie "Abba" über D wie "Diskurs" oder S wie "Silberblick" bis hin zu Z wie "Zeit" erzählt er in Form kurzer Miniaturen aus seinem Leben, vor allem seinem früheren in Offenburg und dann Hamburg. Überdies von einem Umherschweifen zwischen Luzern, Graz, Prag, Wien, Jekaterinburg und anderen Städten und was ihm sonst noch so in den Sinn und in die Quere kommt.

Die Kindheitserinnerungen sind dabei die konkretesten. Zum Beispiel die an einen Freund, Alexander, der schon in seinen mittleren Zwanzigerjahren an einem Tumor stirbt. Alexander taucht hier häufiger in einem der Einträge auf, zuletzt wie von Lowtzow mit ihm und seinen Freunden eine seltsame Jugend-Skifreizeit mitmacht und merkt, in was für unterschiedlichen Kreisen sie verkehren.
Sänger und Gitarrist von Tocotronic, Dirk von Lowtzow
Hang zum Jenseits, zum Surrealen: Dirk von Lowtzow© picture alliance / dpa / Foto: Henrik Josef Boerger

Drang zum unbedingten Kunstwollen

Das Andersein, die popmusikalische Sozialisation, die Entwicklung zu einem Künstler hin versucht von Lowtzow immer wieder herauszuarbeiten, leider oft mit dem Drang zum unbedingten Kunstwollen, zum Surrealen, zum Jenseitigen. Er spricht mit Meisen ("Hi, Dirk. Wir sind hier mitten in einer Gesangsprobe. Warum hörst du nicht ein Weilchen zu?"), ein Fasan klopft an Weihnachten an sein Fenster, diskursive Eichhörnchen kreuzen seinen Weg. Oder es vermischen sich Vergangenheit und Gegenwart, und von Lowtzow sitzt auf seinem Fahrrad: "Mein Kopf löste sich von den Schultern und flog vor mir her wie ein Geist, der weit in die Zukunft blickt, sich aber von Zeit zu Zeit nach dem Kind umschaut, das er einmal gewesen ist."

Durch Zeit und Raum

Es gibt in diesem Buch durchaus gelungene Sätze, die sich in Popsongs gut machen würden. Und es gibt Geschichten und Passagen, bei denen man meint, sie aus Tocotronic-Songs zu kennen, insbesondere von solchen des jüngsten, betont autobiografischen Albums "Die Unendlichkeit". Doch die Ambition, nicht zu gerade heraus, nicht direkt zu erzählen, der Wille zu verunklaren, zu verschwiemeln ("Ich werde hier sein, an allen deinen bösen Tagen. In Flausch und Braus", "Deine Hysterie tötet Zwang") stößt doch auf, das "Antidot für Anekdoten", wie es in einem Tocotronic-Stück heißt, verflüchtigt sich allzu schnell.
"Schreib alles auf. Dann wirst du lernen, die Zeit zu überlisten" heißt es hinten auf dem Cover, es ist ein Zitat aus einem der gelungeneren Einträge dieses Bandes, ein Räsonieren über die Zeit. Zumindest buchschreibend wird von Lowtzow die Zeit, die auch an ihm als Popstar nagt, nicht überlisten. "Aus dem Dachsbau" erinnert mehr an einen Cameo-Auftritt im Literaturbetrieb als dass es der Grundstein für eine Karriere als Buchautor wäre.

Dirk von Lowtzow: "Aus dem Dachsbau"
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019
180 Seiten, 20 Euro

Mehr zum Thema