Dirigentin Joana Mallwitz

"Das Allerwichtigste sind die Ohren"

34:13 Minuten
Eine kontrastreiche schwarz-weiß Aufnahme zeigt die Dirigentin Joana Mallwitz in Aktion.
Joana Mallwitz ist überzeugt: "Es gibt keine Art, als Frau zu dirigieren, oder als Frau ein Orchester zu leiten. Es ist entweder gut, oder es ist nicht gut." © Nikolaj Lund
19.11.2020
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Als Generalmusikdirektorin in Nürnberg ist Joana Mallwitz eine Frau in einer Männerwelt. Für Musiker aber seien solche Zuschreibungen nicht wichtig, sagt sie. Beim Dirigieren komme es auf gute Ohren an. Und auf die Kommunikation, allerdings ohne Worte.
"Iss was, trink was, stell das Pult auf die richtige Höhe ein. Dann wird es schon gehen." Noch immer kann sich Joana Mallwitz gut an diese Worte erinnern. Sie stammen von Cornelius Meister, dem damaligen Generalmusikdirektor am Theater Heidelberg.
Wer nach einem Beispiel sucht, was es bedeutet ins "kalte Wasser" geworfen zu werden, der muss nur Joana Mallwitz fragen.

Premiere ohne Probe

Mit 19 war sie eigentlich als Pianistin nach Heidelberg gekommen, gerade frisch von der Hochschule. Und plötzlich stand die Frage im Raum, ob die junge Musikerin die Premiere von Puccinis "Madama Butterfly" übernehmen könne? Sie konnte und wollte. Aber, was war passiert? Der Generalmusikdirektor weilte für ein Gastspiel in Tokio, die anderen Dirigenten hatten sich krank gemeldet, oder waren ebenfalls auf Reisen. Joana Mallwitz blieben nur wenige Stunden für die Vorbereitung. Die Orchesterproben hatte die Pianistin zum Glück begleitet, sie kannte die Inszenierung. "Aber, ich hatte es nie dirigiert. Ich hatte es nie mit dem Orchester geprobt." Joana Mallwitz war klar: "Es gibt jetzt keinen Plan B mehr. Es gibt nur noch einen Plan A. Es gibt keine Zeit darüber nachzudenken was passiert, wenn dies oder jenes nicht klappt. Es muss klappen."

Mit 27 Generalmusikdirektorin

An den Abend, so Joana Mallwitz, könne sie sich nicht mehr richtig entsinnen. "Aber ich erinnere mich noch, dass ich zwischendurch gedacht habe, es ist eigentlich genau so, als würde ich das Stück am Klavier spielen. Nur halt nicht mit zehn Fingern, sondern mit 50 Musikern und zwei Armen."
Offensichtlich hatte die Dirigentin das Orchester gut durch den Abend geführt. Denn bald darauf wurde Joana Mallwitz zweite Kapellmeisterin. Und mit 27 zur Generalmusikdirektorin am Theater in Erfurt. Damit war sie in dieser Funktion die Jüngste, europaweit.
Vor zwei Jahren folgte der Wechsel ans Staatstheater Nürnberg, auch hier ist sie jetzt als Generalmusikdirektorin tätig.

Frauen dirigieren nicht anders

Vielen gilt Joana Mallwitz als Wunderkind. Mit drei Jahren spielte sie Klavier, wenig später auch Geige. Im Alter von 13 sei ihr klar geworden, sie will Dirigentin werden. 2019 wurde Joana Mallwitz zur "Dirigentin des Jahres" gewählt. Aber Bezeichnungen wie: "jüngste Generalsmusikdirektorin", und Fragen danach, ob Frauen anders dirigieren, die könne sie nicht mehr hören.
Überhaupt, bei der Debatte um Frauen mit Taktstock "läuft was schief", so Joana Mallwitz, denn: "ich glaube, wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, wo man einfach nicht mehr zu viel darüber reden sollte. Weil dadurch tut man, als wäre das irgendwie speziell. Es gibt keine Art, als Frau zu dirigieren, oder als Frau ein Orchester zu leiten. Es ist entweder gut, oder es ist nicht gut. Und mittlerweile habe ich auch viele fantastische Kolleginnen, die einen fantastischen Job machen. Und ich bin auch optimistisch, dass es immer mehr geben wird".

"Ich bin ein sensibler Typ"

Nicht als Frau, "sondern weil man wusste, dass ich ein sensibler Typ bin", habe man sie davor gewarnt, Dirigentin zu werden, sagt Joana Mallwitz. Am Dirigentenpult müsse man hart sein, die Ellenbogen benutzen, auch Show machen können. "Ich dachte mir immer: 'Ich kann nur so sein, wie ich bin. Wenn es nicht geht, dann komme ich halt nicht besonders weit.' Und jetzt bin ich hier in Nürnberg. Also scheint es zu gehen."
Aber worauf kommt es bei einer Dirigentin, bei einem Dirigenten, besonders an? Was braucht man? Vieles, so Joana Mallwitz, könne man trainieren. Aber, "das Allerwichtigste für einen Dirigenten sind die Ohren, also: dass man analytische Ohren hat, und fantasievolle Ohren. Beides muss es sein. Also dieses Training, dass man die Ohren so trainiert, wirklich Dinge zu hören, auch wenn sie gar nicht in echt erklingen. Das ist eigentlich die Arbeit, die Dirigenten am meisten machen".
Und dann gäbe es noch eine entscheidende Frage, sagt Joana Mallwitz,. Nämlich die, wie man am besten ein Orchester führt. Ihre Idee sei, dass man als Dirigentin mit den Musizierenden eine gemeinsame Vorstellung von einem Werk entwickelt. "Musikmachen funktioniert ja nicht, wenn ich sage, macht es so. Dann ist die Kommunikation in beide Richtungen tot. Dirigieren ist das ständige Hin- und Hernehmen von Impulsen. Man wirft was rein, kriegt was zurück. Das ist eben diese Art von ganz, ganz schneller Kommunikation, aber ohne Worte. Die passiert in Mikrosekunden mit kleinen Bewegungen, mit Blicken, mit Atem."
(ful)
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