DIHK: Freihandelsabkommen zwischen EU und USA nutzt auch dem Mittelstand

Volker Treier im Gespräch mit Gabi Wuttke · 17.06.2013
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA nutze den größeren Unternehmen und dem Mittelstand in Deutschland gleichermaßen, sagt Volker Treier. Dazu müsste allerdings auch ein "Dickicht" von Anforderungen und Normen abgebaut werden, so der Außenwirtschaftschef der DIHK.
Gabi Wuttke: In Brüssel werden seit Langem keine guten Nachrichten mehr produziert, vor dem heute beginnenden G-8-Gipfel schwärmt man in der Europäischen Union von der größten Freihandelszone der Welt in Kooperation mit den Vereinigten Staaten von Amerika: 800 Millionen Konsumenten, keine Zölle mehr und auch sonst keine Handelsbeschränkungen, das soll jetzt in Nordirland ernsthaft angegangen werden. Die Not ist es, die die EU und die USA enger zusammenrücken lassen. Wo genau liegt denn der Nutzen? Das kann Volker Treier beantworten, er ist der Außenwirtschaftschef der deutschen Industrie- und Handelskammer. Schönen guten Morgen!

Volker Treier: Guten Morgen!

Wuttke: Hat die EU jetzt also eingestanden, dass es nichts wird aus der großen europäischen Wirtschaftsunion, die den USA zeigt, wo der Hammer hängt?

Treier: Nein, natürlich stockt in der Europäischen Union so manches, aber es ist auch nicht alles schlecht, was dort passiert. In der Eurozone beginnt man auch auf Brüsseler Ebene mit vielen Maßnahmen, aber das, was stockt, das kann natürlich jetzt, in neuen Verhandlungen mit den USA auch selbst wieder Auftrieb geben, wenn es gilt, den gemeinsamen Binnenmarkt voranzutreiben.

Wuttke: Aber ein bilaterales Abkommen in einer globalisierten Welt, da schweißt doch, wie schon erwähnt, die pure Not ein ziemlich rückwärtsgewandtes Projekt zusammen, oder?

Treier: Na gut, manchmal kann man auch mit dem Rücken zur Wand richtig Auftrieb bekommen. Und beide großen Wirtschaftsregionen – das sind ja die größten Wirtschaftsregionen der Welt, die Europäische Union und die USA – haben zum Beispiel eine hohe Staatsverschuldung und im Bereich der öffentlichen Haushalte nicht viel Spielraum, um Impulse in die Wirtschaft zu geben, und da ist es, liegt das nahe. Und es ist gut, dass jetzt die Chance ergriffen wird, dass mit Maßnahmen, die wenig bis gar kein Geld kommen, nämlich an der Arbeit eines regulatorischen Rahmens, also eines Freihandelsabkommens, dass man, ohne großes Geld in die Hand zu nehmen, jetzt Impulse setzen will. Und auch mit dem Rücken zur Wand lässt es sich nach vorne gehen.

Wuttke: Und was, wenn das China nicht schmeckt? Das ist ja auch für Sie sehr wichtig?

Treier: Also wir haben jetzt die Chance, in Verhandlungen das Menü zu gestalten, über den Zollabbau zu reden, über Marktzugangsbeschränkungen beiderseits des Atlantiks zu sprechen, uns gegenseitig im öffentlichen Beschaffungsmarkt Zutritt zu gewähren und dabei noch ganz nebenbei für die Gestaltung der Globalisierung Impulse zu setzen, weil die Freihandelsbestrebungen über die Welthandelsorganisation, die sogenannte Doha-Runde, die ist ja wirklich zum Stillstand gekommen. Und dann könnten jetzt auch andere Wirtschaftsmächte neidisch werden, wenn wir da vorankommen.

Wuttke: Dann müssen Sie uns mal genau erklären, welche Impulse das sein sollen, mit denen China sozusagen nicht düpiert wird und sich die anderen beiden Fraktionen von der Wand wegbewegen.

Treier: Also ganz klar, China ist ein mittlerweile weltwirtschaftlicher Riese. Zugleich beobachten wir, dass viele Unternehmen sagen, es werden Barrieren dort aufgebaut. Und China geht sehr forsch in andere Märkte rein, auch mit subventionierten Unternehmen, und das sind Regeln, die China dabei setzte, die uns und auch anderen so nicht schmecken. Und jetzt können wir wieder stärker im marktwirtschaftlichen Aspekt mit den US-Amerikanern ein Zeichen setzen, wenn wir sagen, es geht ohne Zölle, es geht mit weniger Marktzugangsbeschränkungen, und es geht mit einer vielleicht ganz im Ergebnis gegenseitigen Anerkennung von Regeln, von Qualitätsstandards oder auch von Verbraucherschutz jenseits und diesseits des Atlantiks. Das kann dann auch China beeindrucken, sodass man sagt, da möchte ich dabei sein.

Wuttke: Ja, was hätte denn der deutsche Verbraucher von so einem Freihandelsabkommen?

Treier: Ein Freihandelsabkommen kann dazu führen, dass es ein größeres Angebot gibt aus der jeweiligen Binnensicht, nämlich dass die Anbieter der anderen Seite dann auch hier zum Zuge kommen, dass es mehr Konkurrenz gibt, Konkurrenz belebt das Geschäft, dass es damit auch zu niedrigeren Konsumentenpreisen kommt und zu einer größeren Vielzahl der Möglichkeiten, die man konsumieren kann. Und das ist letztlich für den Verbraucher das, was er braucht.

Wuttke: Die Verbraucherzentrale, das können Sie sich denken, Herr Treier, setzt weniger auf Konkurrenz denn auf Kontrolle, und die fürchtet, dass nicht nur beim Datenschutz und nicht nur wegen Prisma die europäischen Standards abgeschmolzen werden können.

Treier: Das ist natürlich jetzt die Frage der Verhandlungen. Wir können auch gegenseitig Standards kreieren, und die könnten am Ende sogar höher sein als das, was wir haben. Wir blicken da immer rüber auf die USA und denken, dort gäbe es keine Sicherheit für den Verbraucher, keine Qualitätssicherheit für die Unternehmen. Der meiste Teil des Handels, zwischen Deutschland und den USA geschieht im Intrafirmenhandel, also zwischen verbundenen Unternehmen. Dort gibt es ganz viele Normen und Standards. Man muss beispielsweise, wenn man eine Zertifizierung hier in Europa schon durchlaufen hat und die vorweisen kann, noch mal eine weitere Zertifizierung in den USA, fast hätte ich gesagt, durchleiden, sodass also auch die USA voll sind mit regulatorischen Anforderungen.

Wuttke: Dieses Freihandelsabkommen brächte Ihren Berechnungen zufolge der deutschen Wirtschaft jedes Jahr drei bis fünf Milliarden Euro mehr. Jetzt will ich noch mal den Finger in eine Wunde legen: Das gilt doch aber nur für die jetzt schon großen Spieler im Handel mit den USA, oder? Die kleineren hätten doch gar keine Vorteile davon?

Treier: Das ist gerade das Gegenteil, aber jetzt greifen wir den Verhandlungen vor. Also wenn es nur zu einem Abbau der Zölle kommen würde, die liegen jetzt im Moment bei drei Prozent der Preise, das ist nicht so viel, in einzelnen Branchen sind sie aber wirklich deutlich höher. Das schafft dann insbesondere den größeren Unternehmen weiteren Spielraum, weil sie schon im EU- oder Deutschland-USA-Handel maßgeblich involviert sind.

Für die kleineren, für den mittelständischen Bereich würde es insbesondere dann sehr zum Vorteil werden, wenn wir uns auf diesen regulatorischen Teppich einigen können oder wenn wir zumindest sagen, das, was ihr in den USA habt und was wir in der Europäischen Union wechselseitig fordern, das erkennen wir an, weil das sind die großen Hürden für den mittelständischen Bereich, dass nämlich in diesem Dickicht von Anforderungen, von Standards und Normen, dass sich der Mittelstand hier kaum mehr auskennt. Und eine wechselseitige Anerkennung, die würde einen großen Schub bedeuten.

Wuttke: Herr Treier, sagen Sie uns jetzt noch eine einzige Jahreszahl – wenn so ein Freihandelsabkommen zustande kommt, wann frühestens?

Treier: Also wir träumen davon, im Jahr 2015, weil das würde im politischen Kalender passen. Realistischerweise, wenn es ein umfassendes Freihandelsabkommen kommt, dann dauert es länger.

Wuttke: Sagt Volker Treier, der Außenwirtschaftschef der deutschen Industrie- und Handelskammer. Ich danke Ihnen sehr, schönen Tag!

Treier: Danke Ihnen!

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