Digitalisierte Asylverfahren

Gesellschaft für Freiheitsrechte will vor Gericht ziehen

07:37 Minuten
Elias aus Syrien telefoniert aus dem Lager Stegskopf auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Daaden (Rheinland-Pfalz) mit Verwandten in der Heimat.
Für viele Flüchtlinge ist ihr Mobiltelefon die letzte Verbindung in die Heimat. © picture-alliance/dpa/Thomas Frey
Lea Beckmann im Gespräch mit Ute Welty  · 27.12.2019
Audio herunterladen
Für die Grundrechte von Geflüchteten setzt sich die Gesellschaft für Freiheitsrechte ein. Sie will klagen, um gegen eine "Rechtsschutzlücke" vorzugehen.
Biometrische Bilder mit Datenbanken abgleichen, Handys auslesen und analysieren, Sprache durch automatische Erkennungssysteme schleifen: Deutschland hat in den vergangenen Jahren massiv in Technik investiert, um Asylverfahren zu digitalisieren. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) will dagegen klagen. Die Juristin und Verfahrenskoordinatorin Lea Beckmann stellt heute auf dem 36. Congress des Chaos Computer Clubs in Leipzig eine Studie vor, die sich diesem Thema widmet.

Computergrundrecht missachtet

Das Bundesverfassungsgericht habe 2008 in einem ersten Urteil das "Computergrundrecht" festgestellt, sagt Beckmann. "Das ist das Recht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme." Damit hätten die Karlsruher Richter anerkannt, dass Computer und Mobiltelefone einen sehr hohen grundrechtlichen Schutz verdienten und der staatliche Zugriff nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig sei. Das könne allerdings nicht für die Auswertung von Handydaten von Geflüchteten gelten, bei denen konkrete Verdachtsmomente fehlten, sagt Beckmann.
Wajih aus Damaskus in Syrien zeigt  auf seinem Handy ein Foto von seinem Zufluchtsort vor den Kriegswirren am Meer. Auf ihrer Flucht können die Flüchtlinge kaum etwas Persönliches mitnehmen. Meist erinnern nur Fotos auf dem Smartphone an ihr früheres Leben.
Die Handyfotos sind oft wichtige Erinnerungen an das frühere Leben vor der Flucht. © picture-alliance/dpa/Angelika Warmuth
Wenn Handydaten ausgewertet würden, gehe es vor allem um Fragen nach Herkunft und Identität. "Über die Hälfte der Personen, die als Geflüchtete in Deutschland ankommen, haben keinen Pass", so Beckmann. Allerdings sei die verlässlichste Methode, um festzustellen, wo jemand herkommt, konkrete Fragen in der Anhörung im Asylverfahren zu stellen und Regionalwissen abzufragen. Die Handyauswertung könne höchstens Indizien ergeben und habe im Verfahren ohnehin keine Beweiskraft. Dass so massiv in die Grundrechte der Geflüchteten eingegriffen werde, stehe deshalb in keinem Verhältnis.

Wenig Ergebnisse

Auch die Ergebnisse der Handyauswertung seien wenig beeindruckend, denn nur in ein bis zwei Prozent aller Fälle, ergebe sich ein Widerspruch zu den Aussagen von Geflüchteten. Bei 20.000 ausgewerteten Geräten seien das gerade mal etwa 120 Personen, sagt Beckmann.
Das Gesetz sei trotz der Kritik von Anwaltskammer und Datenschützern vor zwei Jahren in Kraft getreten. Die Klage der GFF gegen diese "Rechtsschutzlücke" stützt sich auf drei Fälle und könne noch lange dauern.
(gem)
Mehr zum Thema