Digitale Kirche

Gott und das Internet

03:51 Minuten
Instagram-Post von Josephine Teske (Seligkeitsdinge_): Sie trägt ihre Soutane und schaut auf ihren Bizeps.
"Über Glauben reden ist im Internet aktiver als im analogen Leben", sagt die Pfarrerin Josephine Teske. © Deutschlandradio / Screenshot / Instagram Seligkeitsdinge_
Von Kirsten Dietrich · 22.06.2019
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Eine Pfarrerin auf Instagram, Gottesdienste im Livestream, eine christliche Influencerin – noch ist die "digitale Kirche" eine Sache für wenige Pioniere. Auf dem evangelischen Kirchentag wurde das Thema jetzt intensiv diskutiert.
Auch wenn die Netzkonferenz "Re:publica" gerne mal mit einem Kirchentag verglichen wird – der evangelische Kirchentag hatte bisher eher wenig von "Re:publica". In diesem Jahr aber ist alles anders. Eine Veranstaltungsreihe fragt nach den Folgen von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Und der Bundespräsident fragt nach Handlungsmöglichkeiten der Menschen:
"Ich habe mich hier zu Wort gemeldet, weil ich finde, wir müssen eine Ethik der Digitalisierung etablieren: Grundregeln für die digitale Zukunft, deren Einhaltung wir auch in einer Zeit gewaltiger Umbrüche einfordern. Ethik der Digitalisierung ist und bleibt für mich zunächst einmal eine Ethik der Freiheit. Und die beginnt mit der Frage: Wie kann Technologie uns Menschen dienen?"

Die Kirche entdeckt das Internet

Und diese Frage wurde beim Kirchentag sowohl in ganz großem Rahmen gestellt: Relativiert Künstliche Intelligenz Gottes Schöpfung? Als auch ganz konkret und praktisch: Was ist digitale Kirche und wie kann ich dabei mitmachen?
"Digitale Kirche ist für mich etwas, was noch im Anfangsstadium ist", erklärt ein Besucher. "Wo wir noch dabei sind, als Kirche zu lernen, was es bedeutet, unsere Sprache und unsere Formen ins Digitale zu übersetzen."
"Um zu zeigen, dass Kirche nicht stehengeblieben ist", sagt eine Besucherin. "Dass Kirche mitgeht, dass Kirche nicht menschenfremd ist, sondern die Menschen da abholt, wo sie sind."

Die Digitalisierung öffnet die Kirche

"Es ist die große Angst von der Kirche, dass sie nur als leibhaftige Kirche, wo Menschen auf einem Stuhlkreis sitzen, zählt", sagt Christoph Breit. Er ist in der evangelischen Landeskirche von Bayern für Social Media zuständig und hat in dieser Funktion viel mit Bedenken zu tun: Ist das nicht nur virtuell, zum Beispiel. Worauf Breit gerne mal entgegnet: Ist das das christliche Abendmahl letztlich nicht auch? Oder auch: Was bringt's? Aber bei anderen Formaten, spärlich besuchten Gottesdiensten zum Beispiel, frage das in der Kirche ja auch niemand. Und:
"Wir haben Kirche sehr verbunden mit einem gewissen Musikgeschmack, mit einem soziologischen Charakter, mit einem Bildungslevel, das wir einfach haben und sagen: So ist Kirche. In digitalen Formaten sind die Grenzen wesentlich durchlässiger, das merke ich, wenn ich mit Menschen zusammenarbeite, die eine Behinderung haben, eine körperliche Behinderung zum Beispiel. Die sind im Digitalen wesentlich leichter aufgehoben als in der kohlenstofflichen Welt, weil es da nicht auffällt. Oder Menschen, die einfach nicht alles zeigen wollen, aber trotzdem mit anderen zusammenleben wollen, die können im Digitalen besser zusammenleben und Glauben teilen als in analogen Kirchen."

Glaube auf Instagram

Josephine Teske ist Pfarrerin, Feministin, alleinerziehende Mutter und auf Instagram als "Seligkeitsdinge_" unterwegs. Sie sagt über die digitale Kirche: "Es ist eine andere Kirche, weil es andere Menschen sind als zum Beispiel in meiner Gemeinde. In meiner Gemeinde sind hauptsächlich Senioren und Seniorinnen, da nicht, in der digitalen Kirche, einfach weil die Medien anders von anderen Menschen genutzt werden. Und ich empfinde es fast schon aktiver. Über Glauben reden ist im Internet aktiver als im analogen Leben."
Noch ist eine echte digitale Kirche eine Sache für wenige, die den richtigen Ton treffen, so dass man es ihnen abnimmt, wenn sie im Netz von ihrem Leben und ihrem Glauben erzählen. Aber das ändert sich. Und damit verändern sich auch Glaubensformen und Erwartungshaltungen. Das ist eine Chance oder eine Zumutung – je nachdem, auf welcher Seite des digitalen Grabens man steht.
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