Digitale häusliche Gewalt

Wie Opfer sich wehren können

08:57 Minuten
Eine Hand im Dunkeln über der beleuchteten Tastatur eines Laptops.
Täter wollen ihre Opfer sozial isolieren, um die Gewaltbeziehung weiterzuführen. Man kann dagegen viel unternehmen, sagt Jenny-Kerstin Bauer. © picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand
Jenny-Kerstin Bauer im Gespräch mit Dieter Kassel · 26.07.2021
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Von Cyberstalking bis Identitätsdiebstahl: Gewalttäter versuchen auch digital, Macht und Kontrolle über ihre Opfer auszuüben. Das kommt in Beziehungen und bei Trennungen vor. Doch es gibt Hilfe, sagt die Expertin Jenny-Kerstin Bauer.
Häusliche Gewalt wird häufig mit körperlicher Gewalt, mit Schlägen oder Vergewaltigungen in Verbindung gebracht. Aber digital? In Gewaltbeziehungen nutzen Täter viele Formen gleichzeitig, um Betroffene einzuschüchtern und gefügig zu machen, erklärt Jenny-Kerstin Bauer vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe.
Die Betroffenen hätten mit Existenzängsten zu kämpfen, mit Angst vor dem eigenen Umfeld, Schuld- und Schamgefühlen. All das erschwert der Expertin zufolge auch Trennungen.

Was ist digitale Gewalt in Partnerschaften?

Bei digitaler Gewalt versucht die Gewalt ausübende Person – laut Bauer meist der Freund, Ex-Mann oder auch Arbeitskollege – über digitale Medien, Smartgeräte, das Internet, Apps oder Plattformen Macht und Kontrolle auszuüben, um eine Abhängigkeit der Betroffenen herzustellen.

Welche Formen digitaler Gewalt gibt es?

  • Stalking: Betroffene werden mit und ohne Spionagesoftware verfolgt.
  • Bildbasierte Gewalt: Fotos der Betroffenen werden ohne deren Zustimmung geteilt
  • Kontrolle von Cloud-Diensten oder sozialen Netzwerken
  • Hacken von intimen Informationen
  • Identitätsdiebstahl: Zum Beispiel wird mit einer Kreditkarte der Betroffenen ohne ihr Wissen eingekauft.
  • Doxing: Der Täter trägt internetbasierte Informationen der Person zusammen und streut zum Beispiel Gerüchte oder betreibt eigene Mobbingseiten, um der Betroffenen zu schaden.

Welches Ziel verfolgen Gewalttäter?

Es geht ihnen immer darum, soziale Isolation herbeizuführen, damit die Gewaltbeziehung weiterhin bestehen kann. "Wir merken schon, dass Trennungssituationen hier besonders gefährliche Zeiträume für die Betroffenen sind", sagt Bauer. Ein digitaler Angriff könne zu körperlichen oder auch sexualisierten Übergriffen führen.
Die Expertin verweist hier auch auf sozialpsychologische Studien: Täter seien zu mehr fähig, wenn sie sich in Sicherheit wiegen. Bestärkt werden sie durch fehlende Strafverfolgung, so Bauer.

Welche Hilfen für Betroffene gibt es?

Es gehe um einen langen Prozess in Beziehungen: "Viele Männer beginnen nicht beim ersten Date, das Smartphone der Partnerin zu kontrollieren", sagt Bauer.
Wichtig für Betroffene sei es, nicht allein zu sein und sich professionelle Hilfe zu holen. Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe habe mehr als 200 Fachberatungsstellen, die bundesweit kostenfrei und auf Wunsch auch anonym beraten.
Alles werde nur mit dem Einverständnis der Betroffenen unternommen, unterstreicht Bauer. Wichtig seien sicherheitspraktische Schritte:
  • sich schnell einen Überblick über alle Accounts und Nutzerkonten verschaffen
  • bei allen Accounts sichere Passwörter und eine 2-Faktor-Authentifikation einrichten
  • Sicherheitseinstellungen des Routers kontrollieren
  • Smarthome-Geräte bedenken, die mit dem Gewalttäter verbunden sind
  • E-Mail-Adresse zum Zurücksetzen sämtlicher Passwörter checken.
"Wenn man sich das systematisch anguckt, kann man dieser digitalen Gewalt schon gut begegnen", ist Bauer überzeugt.
(bth)
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