Die Zeremonie

Von Cécile Wajsbrot · 23.05.2011
Alljährlich fuhr sie mit der Mutter und der Großmutter nach Beaune-la-Rolande. Hier war ab 1941 ein Durchgangslager für Juden auf dem Weg nach Auschwitz. Für den Großvater die letzte Station auf französischem Boden. Die Vorladung kam von der französischen Polizei am 14. Mai 1941 zur Feststellung der Identität, wie es hieß.
Dann mussten die Frauen für ihre Männer einen Koffer packen. So hat es die Großmutter erzählt. Aber wie es genau war, weiß die Enkelin nicht. "Die Fragen kommen später, lange nach dem Tod derer, denen man sie stellen wollte, denn anfangs will man es nicht wissen, wenn sie noch da sind, weil jedes Wort ein Gewicht mehr ist, das sich auf die Waage legt, und später dann wüsste man gerne alles."


Aus dem Französischen von: Hans Thill
Regie: Christiane Ohaus
Mit: Imogen Kogge, Pierre Clement, Christian Gaul, Tony de Maeyer, Christine Oesterlein u.a.
Ton: Thomas Monnerjahn
Produktion: DKultur/RB 2011
Länge: 53"50

Cécile Wajsbrot, 1954 in Paris geboren, studierte Literaturwissenschaften, lebt in Paris und Berlin. Schreibt Prosa und Hörspiele, zuletzt: "Schlaflos" (SR/DKultur 2010).