Die Zeit der Teilung

Die Berliner Mauer in Kreuzberg, 1962
Die Berliner Mauer in Kreuzberg, 1962 © Deutschlandradio
22.03.2007
Für Peter Bender war die Zeit der deutschen Teilung ein unnatürlicher Zustand. In seinem Buch "Deutschlands Wiederkehr" wirft er einen Blick zurück auf die Jahre zwischen 1945 und 1990. Konsequent schildert er die deutsch-deutsche Entwicklung, ohne sich dabei auf die bekannte westdeutsche Perspektive zu beschränken.
Der Titel hat etwas Irritierendes: "Deutschlands Wiederkehr" – davor hatten manche Länder in Europa, aber auch viele Menschen in Deutschland Angst. Würde Deutschland wieder Machtallüren bekommen? Nach 1989 schien das eine offene Frage zu sein. Doch die Frage ist geklärt, schreibt Peter Bender: "Deutschland bedroht niemanden mehr, aber fasziniert auch niemanden. Es ist braves gutes Mittelmaß." Ein Rest Bedauern schwingt da mit – wenn Bender die Ausstrahlungskraft des heutigen Deutschlands mit der vor 100 Jahren vergleicht. Aber keine Sehnsucht nach der alten Zeit, denn nie habe Deutschland in einer so ruhigen Umgebung existiert wie heute. Nicht mehr argwöhnisch betrachtet von zum Teil feindlich gesonnenen Nachbarn wie das Bismarckreich, sondern "umzingelt von Freunden".

Bender hat Deutschland noch als Nationalstaat erlebt. Für ihn war die deutsche Teilung ein unnatürlicher Zustand. Deshalb hat er sich in den vier Jahrzehnten intensiv damit auseinander gesetzt. Nun hat er ein Buch über die Zeit der Teilung geschrieben, das den programmatischen Untertitel trägt: "Eine ungeteilte Nachkriegsgeschichte 1945-1990". Tatsächlich erzählt Bender nicht die übliche Nachkriegsgeschichte West und ein bisschen Nachkriegsgeschichte Ost, sondern konzentriert sich ganz auf die Entwicklung der geteilten Nation. Seine Kapitel lauten: "Die Teilung", "Die Feindschaft", "Die Trennung", "Die Entfremdung", "Wie die Deutschen gegeneinander standen", "Wie die Deutschen nebeneinander lebten".

Bender ist ein West-Journalist, aber sein Anliegen ist die Überparteilichkeit in der geschichtlichen Darstellung. Konsequent schildert er die deutsch-deutsche Entwicklung aus West- und Ostsicht, stellt die Wahrnehmung von Entwicklungen, Erfahrungen und Eigenheiten oft direkt gegeneinander: Ostperspektive, Westperspektive. In den 60er und 70er Jahren hat Bender als Journalist maßgeblich die neue Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs begleitet. Da hat er ein ausgeprägtes Gefühl für Fairness im Umgang miteinander entwickelt. Fairness in der (oft sehr knappen und summarischen) Darstellung der Geschichte: das zeichnet sein Werk, den - beispielhaften! - Stil seines Buches aus. Dabei muss er die Ungleichgewichte zwischen West und Ost nicht verwischen, und er kann auch den entscheidenden Vorteil der Westdeutschen deutlich benennen: dass sie in einem freiheitlichen Staat lebten. Nur haben sie deswegen kein Recht, gegenüber den Ostdeutschen überheblich zu sein. Bender spürt, wenn Redensweisen verletzend wirken. "Zweiter deutscher Staat": allein diese Bezeichnung empfanden DDR-Bürger zunehmend als Abwertung, die sie persönlich traf.

Wer hat Deutschland geteilt? Natürlich die Alliierten, und die Teilung war Ergebnis des Zweiten Weltkrieges, den Hitlerdeutschland entfesselt hatte. Doch die Mitwirkung deutscher Politiker bei der Gründung zweier Staaten 1949 ist für Bender bis heute ein einschneidendes Nachkriegsereignis. Man ahnt sein gefühltes Unverständnis – obwohl er als realpolitisch denkender Mensch genau weiß, dass es keine Alternative gab. Danach zeigte sich das deutsch-deutsche Ungleichgewicht immer krasser: Die Ostdeutschen hielten noch an der Nation fest, da sie nach Westen sahen und den westlichen Lebensstil ersehnten. Die Westdeutschen interessierten sich immer weniger für die DDR, sie waren ganz auf sich und ihre westliche Welt konzentriert.

Trotzdem blieben deutsch-deutsche Bande: das zeigte sich in den 80er Jahren, als die Sowjetunion immer schwächer wurde und der DDR wirtschaftlich nicht mehr helfen konnte. Da wandte sich die DDR an die Bundesrepublik, und die Gelder, die sie bekam, ließen sie in eine wachsende Abhängigkeit geraten. Deutschland hatte Glück, dass Gorbatschows Sowjetunion Ende der 80er Jahre die DDR aufgab – es war aber auch der logische Endpunkt einer Entwicklung.

Enttäuschend an Benders Buch ist der letzte Teil über die Zeit nach der Wiedervereinigung. Unwillkürlich baut sich bei der Lektüre die Frage auf, wie sieht Bender, der mit so großem Einfühlungsvermögen die deutsch-deutsche Geschichte erzählen kann, die Perspektiven für die innere Einheit? Doch darauf gibt Bender kaum Antworten, sondern begnügt sich mit Rundblicken auf die internationale Situation des wiedervereinigten Deutschlands.

Eines macht er am Ende unmissverständlich deutlich: Die Wiedervereinigung kam gerade noch rechtzeitig. Noch einmal 40 Jahre der Teilung hätte die Nation nicht überlebt. Dann hätte es zwei deutsche Nationen gegeben und keine Wiedervereinigung.

Rezensiert von Winfried Sträter

Peter Bender: Deutschlands Wiederkehr
Eine ungeteilte Nachkriegsgeschichte 1945-1990

325 Seiten
Klett-Cotta 2007