Die Wiedergeburt der Baumgiganten

Moderation: Britta Bürger · 04.04.2013
Wie lassen sich historische Parkanlagen erhalten, wenn die alten Bäume nach und nach sterben? Im berühmten Fürst-Pückler-Park in Branitz setzt man dafür auf eine originelle Methode. Wie sie funktioniert, erklärt der Parkchef und Landschaftsarchitekt Claudius Wecke.
Britta Bürger: Ein Park muss wie eine Gemäldegalerie sein: Alle paar Schritte soll man ein neues Bild sehen. Das hat Fürst Pückler einst geschrieben. Doch wie lassen sich solche Naturgemälde erhalten angesichts der begrenzten Lebensdauer von Bäumen? Wie kann man das Gesamtbild historischer Parkanlagen erhalten, retten oder auch wiederherstellen? Im berühmten Fürst-Pückler-Park in Branitz setzt man auf eine neue Methode, die uns der Landschaftsarchitekt und Gartendenkmalpfleger Claudius Wecke erläutern wird. Er leitet den Fürst-Pückler-Park in Branitz und hat jetzt unser Studio in Cottbus aufgesucht. Schönen guten Tag, Herr Wecke!

Claudius Wecke: Guten Tag!

Bürger: 1845 hat Hermann von Pückler-Muskau mit der Gestaltung des Branitzer Parks begonnen. Welche Bäume prägen diesen Park bis heute besonders?

Wecke: Ja, Frau Bürger, das sind natürlich vor allen Dingen beim Fürsten Pückler die einheimischen Pflanzen, er hat nämlich in dieser Niederlausitzer Wüste, wie er selber die Situation bezeichnet hat, schauen müssen, was er überhaupt anpflanzen kann, was wächst dort überhaupt, es ist sehr sandig, es regnet recht wenig, die Winter können recht streng sein. Und er hat also auf gut akklimatisierte Pflanzen gesetzt, das können Stieleichen sein, die finden wir in rauer Zahl, Rotbuchen, Ebereschen, Eschen, Winterlinden – das ist so vielleicht auf die Schnelle jetzt Ihnen erzählt, was wir bei uns im Park so vorfinden.

Bürger: Der Fürst-Pückler-Park lebt ja, wie viele historische Parks von bedeutenden Einzelexemplaren, aber eben auch von arrangierten Baumgruppen. Welche Bäume machen Ihnen in Branitz die größten Sorgen heute? Welche Hölzer sind dort besonders bedroht?

Wecke: Erst mal macht uns der Park ganz viel Freude, und der Fürst, der wäre unwahrscheinlich neidisch, wenn er sehen könnte, wie wunderbar sich das alles entwickelt hat. Das war ihm zu Lebzeiten nicht vergönnt, und wir schauen jetzt eigentlich in eine wunderbar durch Sicht und Raumbeziehung geprägte und gespickte Anlage. Das war dem Fürsten also nicht vergönnt, aber es ist, wie Sie sagen, natürlich so: Langsam, 150 Jahre nach der Entstehung, ehrlicherweise sind es ja jetzt schon fast 170 Jahre – es ist die Lebenserwartung einiger derer Riesen erreicht, und wir stehen jetzt eigentlich vor der schwierigen Situation, wie wir damit umgehen. Das ist von Art zu Art unterschiedlich, wir haben also durchaus alte Riesen, die stehen noch gesund und vital, und dann haben wir doch schon jüngere auch, die bedrängt sind und die uns da ein bisschen Sorgen machen, will ich sagen.

Bürger: Was haben die für Probleme, ist das einfach das Lebensalter, sind es Schädlinge?

Wecke: Ja, die Lebenserwartung ist es in jedem Fall, die ist einfach begrenzt und von Individuum – ist ja beim Menschen auch so – durchaus nicht dieselbe. Und dann kommen mit zunehmendem Alter, so ist es bei Menschen ja auch, die Wehwehchen so auf: Erregerbefall an Pilzen et cetera, und da kann sich so ein schon leicht angeschlagener Altbaum dann schlecht erwehren, so ist es ganz einfach.

Bürger: In Branitz befassen Sie sich intensiv mit der Frage, wie sich die Authentizität dieses Gartendenkmals auch langfristig erhalten lässt. In der kommenden Woche veranstaltet die Stiftung fürs Pückler-Museum Park dazu auch eine internationale Tagung, und da geht es um eine Methode, die Sie entwickelt haben, die Sie uns genauer erklären sollten. Das nennt sich genetisch identische Gehölzvermehrung. Was ist das genau?

Wecke: Ja, wir haben die Methode nicht entwickelt, aber wir möchten sie gerne benutzen. Genetisch identische Vermehrung von Pflanzen ist in unserem Falle ganz interessant, weil wir mit den Pflanzen, die der Fürst einst eingebracht hat, weiter arbeiten wollen, wir wollen die in die Zukunft führen, und das kann man sicherlich nicht mit 10.000 Altbäumen, die wir nur im Innenpark haben, tun, sondern da sucht man sich die ganz besonders wertvollen dann für eine Vermehrung raus.

Bürger: Geben Sie uns ein Beispiel.

Wecke: Die Blutbuche am Schloss zum Beispiel, die ist sehr schön vom Fürsten gepflanzt worten als Altbaum schon selber. Er hat einen speziellen Verpflanzwagen dafür genutzt, und die ist natürlich jetzt auch schon 170 Jahre gut alt – es können auch mehr sein, wenn er ihn verpflanzt hat, 10-, 15-, 20-jährig, dann können das jetzt schon fast 200 Jahre sein, die genaue Zahl zu sagen, ist für uns natürlich auch nicht zu tun. Dafür müssten wir ja, wie man es macht, Jahrringe zählen, und der gute Junge müsste gefällt werden, das wollen wir natürlich nicht, der soll so lange stehen bleiben. Den werden wir jetzt genetisch identisch vermehren, wir haben damit auch schon gestartet. Das funktioniert in diesem Falle durch eine Klonung oder eine Pfropfung, wie man sagt. Sie kennen das vielleicht aus Obstbau, da pfropft man auch auf, und in dem Falle nimmt man aus einem Lichttrieb der Krone einen etwa zeigefingerstarken Zweig, und den pfropft man auf eine Rotbuchenunterlage – so würde man das nennen – und so vermehren wir dann in diesem Falle genetisch identisch, so funktioniert das.

Bürger: Wie lassen sich historische Parkanlagen erhalten, wenn die alten Bäume nach und nach sterben? Darüber sind wir im Rahmen unserer Reihe von Gartengesprächen heute gedanklich im Fürst-Pückler-Park in Branitz, und dort in Cottbus verbunden mit dem Landschaftsarchitekten Claudius Wecke, der den Branitzer Park leitet. Sie kopieren also nicht alle Bäume des Branitzer Parks, sondern ausgewählte. Aber warum kann man jetzt nicht eine abgestorbene – ja, nehmen wir ruhig wieder die Rotbuche – einfach durch eine andere Rotbuche ersetzen? Was ist der Vorteil dieser Kopie des Originals?

Wecke: Ja, man kann natürlich ganz normale Ware nehmen, die man überall beziehen kann, aber da geht ein gutes Stück des Charakters verloren an der Stelle, denn wir haben jetzt die Blutbuche am Schloss angesprochen, die hat eine ganz markante rote Färbung, im Frühjahr treibt die ganz satt aus und verliert dieses Rot im Verlauf des Jahres doch recht schnell, vergrünt, wenn ich jetzt einfach eine x-beliebige Pflanze an dieselbe Stelle setze, dann ist die Färbung anders, dann kann der Wuchs ganz anders sein, und dann weiß ich nicht, ob ich mir vielleicht sogar einen Schädling mit dazu gekauft habe. Das sind alles Sachen, die uns bewegen, diese Verpflanzung jetzt auf diese Art und Weise zu machen.

Bürger: Pückler selbst hat ja sich auch sehr intensiv mit den Pflanzen beschäftigt in seiner sogenannten Baumuniversität, eine Idee, die Sie jetzt wiederbeleben in einer rekonstruierten Baumuniversität. An was knüpfen Sie da an und was haben Sie vielleicht auch weiterentwickelt.

Wecke: Ja, wir haben die also wiederbelebt. Der Fürst hat an dieser Stelle einst Großbäume eingeschlagen, die hat er mit seiner Spezialmaschine dort an die Stelle gefahren, eingeschlagen, aufgeschult und dann später sozusagen in den Innenpark verpflanzt. Wir haben die Idee jetzt weitergedacht: Als der Fürst damals gestartet hat, da war mit Pflanzen im Park nicht viel – wir haben die jetzt alle da, und wir wollen mit denen jetzt agieren, und die Idee ist jetzt also weitergetrieben worden, in die Jetztzeit geführt worden, und wir vermehren jetzt die Pflanzen, die wir schon haben sozusagen, dort einfach nach. Die Anlage muss man sich relativ unspektakulär vorstellen, wir haben einfach ein Feld in der Schlossgärtnerei dafür zur Verfügung, und das hat entsprechende Erdbearbeitung erfahren. Die Erde ist gelockert worden, tiefgründig, wir haben ein umfassendes Bewässerungssystem dort installieren können, und ja, jetzt dort gestartet, und das schickt sich ganz gut an.

Bürger: Lässt sich daraus möglicherweise eine Geschäftsidee entwickeln, die über Branitz hinausgeht?

Wecke: Ich denke, Geschäftsidee … da kommt der Ökonom natürlich auf die Idee, aber wir gehen jetzt da ganz pragmatisch unökonomisch ran. Uns geht es um die Sache, wenn dann natürlich Pflanzen übrig verbleiben sollten, dann kann man darüber durchaus nachdenken, die zu verkaufen. Es gibt sicherlich Fans, vielleicht wollen Sie auch eine in Ihren Vorgarten haben, keine Ahnung, die werden natürlich sehr groß.

Bürger: Schauen wir mal!

Wecke: Ja, das ist natürlich so eine Sache, wir überlegen das mal, aber ich denke nicht, dass das über eine kleinere Refinanzierung hinausgehen sollte. Das kann ich mir kaum vorstellen.

Bürger: Es geht bei so einem Gartendenkmal ja nicht nur um den ökologischen Erhalt, um den Naturschutz, sondern eben auch um den ästhetischen Erhalt eines Naturkunstwerkes. Gerne würde man den Fürst-Pückler-Park in Branitz als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt bekommen. Wird man hier nicht unweigerlich doch irgendwann an Grenzen stoßen? Meinen Sie, der Park lässt sich tatsächlich auch in ferner Zukunft so erhalten, wie Pückler ihn einst angelegt hat, oder wird es mit Sicherheit einen Wandel geben?

Wecke: Tja, die Frage stellen Sie in die richtige Richtung. Es wird einen Wandel geben, ganz sicher, so eine Anlage eins zu eins in die Zukunft zu führen, ist nicht möglich. Das ist einfach unser Los, mit dem wir leben, und wir versuchen, dem entgegenzusteuern, so weit wir können, aber man muss dann ehrlich sagen, natürlich, es ist jetzt auch schon so, dass die Anlage über die Jahrzehnte sich verändert hat, und sie wird es in den nächsten Jahrzehnten weiter tun. Es soll natürlich aber dann alles im Sinne des Schöpfers auch geschehen.

Bürger: Die Wiedergeburt von Baumgiganten ist ein Weg dahin, wie man im Fürst-Pückler-Park in Branitz mit der genetisch identischen Gehölzvermehrung versucht, den historischen Park zu erhalten, das hat uns Claudius Wecke erläutert, der den berühmten Parkin Branitz leitet. Herzlichen Dank fürs Gespräch, Herr Wecke!

Wecke: Ich danke auch, tschüss!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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