"Die Wand"

Von Hannelore Heider · 10.10.2012
Gefangen hinter einer unsichtbaren Wand in den Alpen muss eine Frau in der totalen Einsamkeit überleben. Die Romanverfilmung war eine Herausforderung für Regisseur Julian Roman Pölsler und seine Darstellerin Martina Gedeck. Aber es ist ihnen gelungen, meint unsere Kritikerin.
Eine Frau (Martina Gedeck) fährt zu Freunden in eine abgelegene Hütte in den österreichischen Alpen. Am Abend gehen die noch ins Dorf und sind am nächsten Morgen nicht zurück. Alle Bemühungen der Frau, zu ihnen zu gelangen, scheitern - denn da ist mitten in herrlichster Bergwelt zwischen ihr und vermutlich allen anderen eine gläserne Wand. Sie kommt nicht mehr zur nächsten Hütte, wo noch die Pumpe tropft, die Menschen aber wie versteinert davor sitzen, nicht an das am Waldrand verlassene Auto. Sie kann nicht unter der Wand durch und nicht darüber und langsam begreift sie, dass jenseits ihrer "Lebensblase" offenbar kein Leben mehr ist.

Nach Phasen der Panik, später der Resignation fängt sie an, ihr Überleben in der totalen Einsamkeit zu organisieren. Sie sammelt Holz und beginnt mit Ackerbau. Tieren, wie einer Kuh, Katzen, einem zugelaufenen Hund und am Ende einer weißen Krähe gibt sie Namen. Ihr eigenes Wohlergehen wird ihr so wichtig wie einstmals das ihrer Mitmenschen.

Sicher ging es der österreichischen Autorin Marlen Haushofer in ihrem 1963 erschienenen Roman um genau diese Erfahrung des gnadenlosen Auf-Sich-Selbst-Zurückgeworfenseins und Einswerdens mit der Natur. Die Verfilmung von Regisseur Julian Roman Pölsler findet dafür eindringliche Bilder von grandioser, ungerührter Landschaft, die Trost, Bedrohung und alleinige Begleitung in einem ist, und dem Gesicht der Frau. Denn wir sehen ihr beim Schreiben zu und hören ihre Stimme aus dem Off, die uns die Schilderungen im Schreibtempo vorliest.

Es ist eine enorme Herausforderung für Martina Gedeck, diese quasi Hörbuchfassung ihres Kampfes um den eigenen Verstand lebendig zu machen. Aber es gelingt. Der Zuschauer fordert immer weniger eine Erklärung des Phänomens. Selbst wenn sich das Vorgetragene als Rückblende in Kinobilder verwandelt, ist das innere Erlebnis das Eindrücklichere. Der zivilisationskritische oder auch psychologisch ausdeutbare Hintergrund wird als so aktuell empfunden, wie er bereits damals in Zeiten von Aufrüstung und Atomwaffenangst war. So ist die Literaturverfilmung "Die Wand" eher ein klassisches Drama denn ein Mystery-Thriller.

Österreich / Deutschland 2011; Regie: Julian Roman Pölsler; Darsteller: Martina Gedeck, Karl Heinz Hackl, Ulrike Beimpold, Hans-Michael Rehberg, Julia Gschnitzer, Wolfgang Maria Bauer; ab 12 Jahre; 108 Minuten

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