Die tabuisierte Konterrevolution

Moderation: Anke Schaefer · 17.06.2013
Der Dresdner Schriftsteller Ingo Schulze kam erst knapp neun Jahre nach dem 17. Juni 1953 zur Welt - und wusste jahrelang fast nichts über den Aufstand in der DDR. Erst 1989 sei der als Pendent zu den Protesten thematisiert worden.
Am 17. Juni 1953 hat das Volk im Osten Deutschlands gegen die Regierung rebelliert und für die Freiheit gekämpft – der Aufstand wurde von den sowjetischen Panzern blutig nieder geschlagen – und war für die DDR Regierung eine große Demütigung.

Der Dresdner Schriftsteller Ingo Schulze schreibt Romane und Erzählungen, er meldet sich auch immer wieder politisch zu Wort und ist dieses Jahr mit dem Brecht-Preis der Stadt Augsburg ausgezeichnet und in diesem Zusammenhang als der "hartnäckigste Chronist der deutschen Wiedervereinigung" gewürdigt worden.

Er ist erst 1962 in der DDR geboren, also lange nach dem Aufstand. In der Schule habe er darüber auch nicht wirklich etwas erfahren. Wenn der 17. Juni erwähnt wurde, dann unter dem Begriff "Konterrevolution" - und sei eher in die Nazi-Ecke geschoben worden.

Er sieht in dem Aufstand eine Tradition der Erhebung und reiht ihn ein in eine Bewegung mit dem Generalstreik in den Westzonen 1948, als neun Millionen Menschen auf die Straßen gingen. Auch 1989 habe man immer wieder an 1953 gedacht und gedacht: "Das hat es seit dem 17. Juni nicht mehr gegeben, dass die Leute so auf die Straße gehen." Dennoch: In den Köpfen sei damals eher die Bewegung der Chinesen präsent gewesen als die eigene Vergangenheit.

Vielleicht auch, weil man so wenig darüber wusste - und weil der Aufstand 1953 so schnell wieder vorbei war.


Das vollständige Gespräch mit Ingo Schulze können Sie bis zum 17. November 2013 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
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