Die Sonate für Violoncello solo von Zoltán Kodály

Eruptive Vielfalt

Der ungarische Komponist Zoltán Kodály (1882-1967)
Am Klavier sitzen, ans Cello denken: Der ungarische Komponist Zoltán Kodály (1882-1967) © picture alliance/MTI
Gast: Harald Eggebrecht, Publizist; Moderation: Ruth Jarre · 24.11.2019
Die Cellisten sind sich einig: Wenn die Solosuiten von Johann Sebastian Bach das Alte Testament der Celloliteratur sind, dann ist die Solosonate op. 8 von Zoltán Kodály das Neue Testament.
Als der ungarische Komponist Zoltán Kodály im Jahr 1915 seine Sonate op. 8 für Violoncello solo schrieb, war er seiner Zeit weit voraus. Gerade erst hatte der Cellist Pablo Casals vorsichtig damit begonnen, die Bach-Suiten wieder ins Konzert zu bringen, seine Bach-Aufnahmen entstanden erst in den 1930er Jahren. Die Cello-Szene war noch nicht bereit für Kodálys Stück und die enormen Herausforderungen, die es bot - und nach wie vor bietet. Zahlreiche neue und ausgesprochen virtuose Techniken sind da gefordert: Pizzicati mit der linken Hand, während die rechte zeitgleich mit dem Bogen Kantilenen entstehen lässt, Spiel mit dem Daumen der linken Hand auf dem Griffbrett, die Ausnutzung des gesamten Griffbretts und noch darüber hinaus, extrem hohe Lagen, Pizzicati-Glissandi - Spielweisen, die alles andere als üblich waren zur damaligen Zeit.

Hier geht es zur Playlist der Sendung.

Heute muss jeder international erfolgreiche Cellist diese Techniken beherrschen. Das heißt allerdings nicht, dass auch jede Cellistin, jeder Cellist Kodálys op. 8 im Repertoire hat. Natürlich gab es eine zeitnahe Uraufführung: 1918 spielte der Widmungsträger Jenő Kerpely die Sonate erstmals im Konzert in Budapest.

Späte Erweckung

Doch zum Leben erweckt wurde das Werk viel später durch den ungarischen Cellisten János Starker. Es gibt kaum ein Werk, das so eng mit einem Interpreten verbunden ist wie Kodálys Solosonate mit Starker. 1939 spielte er sie erstmals dem Komponisten vor, der mit der Darbietung zufrieden war. Alle vier Aufnahmen, die Starker im Laufe der Jahre (1948, 1950, 1956 und 1970) gemacht hat, sind legendär, und es gibt wohl keinen Cellisten, der sie nicht zu Rate ziehen würde, bevor er oder sie das Werk angeht. Und kurz vor seinem Tod bescheinigte der Komponist János Starker, mit seiner Interpretation "die Bibel für die Interpreten" geschaffen zu haben.

Studieren beim Meister

Zahlreiche Cellisten der mittleren Generation und auch noch einige der jüngeren haben dieses Werk in Meisterkursen bei Starker studiert: Truls Mørk, Jean-Guihen Queyras, Julian Steckel, Emmanuelle Bertrand, Aurélien Pascal. Seit einigen Jahren gibt es vermehrt Aufnahmen, lange Zeit hat sich kaum jemand mit dem Stück beschäftigt. Just sind drei neue Aufnahmen erschienen. Natürlich geht es in den "Interpretationen" um Starkers Referenzaufnahmen ebenso wie um diese neuen Einspielungen. Harald Eggebrecht und Ruth Jarre verhandeln auch die Frage, warum es von den 1950er bis in die 1980er Jahre kaum Interesse an dem Werk gab, warum außer Paul Tortelier, Pierre Fournier und Zara Nelsova die großen Altmeister des Cellospiels einen Bogen darum gemacht haben. Und die Bedeutung des japanischen Meisterschülers von János Starker, Tsuyoshi Tsutsumi, wird ebenso ins Licht gerückt wie besondere Herangehensweisen, etwa von Pieter Wispelwey oder Matt Haimovitz.
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